Postbank-IT-Debakel

Sewing: "Sind unserer Verantwortung nicht gerecht geworden"

Christian Sewing entschuldigt sich bei Kunden für das Postbank-Debakel. Bis zum Jahresende will die Bank die Probleme vollständig beheben.

Sewing: "Sind unserer Verantwortung nicht gerecht geworden"

Deutsche Bank entschuldigt sich für Postbank-Debakel

Sewing: "Sind unserer Verantwortung nicht gerecht geworden" – Branson schließt Sanktionen nicht aus

phh Frankfurt

Die Deutsche Bank hat sich für das Postbank-Debakel bei ihren Kunden entschuldigt. "Wir sind unserer Verantwortung nicht gerecht geworden", sagte Vorstandschef Christian Sewing am Donnerstag auf dem Banken-Gipfel des Handelsblatts in Frankfurt. An der Lage gäbe es nichts zu beschönigen und die Bank könne sich für die aktuelle Situation nur entschuldigen, gleichwohl Sewing anfügte, dass es sich dabei um das größte IT-Projekt in der europäischen Bankenlandschaft handle.

Es geht um das Projekt "Unity", hinter dem die IT-Integration der Postbank in den Deutsche-Bank-Konzern steht. Dazu mussten 50 Milliarden Datensätze von über 12 Millionen Kunden migriert werden, wobei es allerdings zu erheblichen Problemen kam, sodass Kunden teilweise nicht auf ihre Konten zugreifen konnten.

Die Beschwerden erreichten ein Ausmaß, dass sich die Finanzaufsicht zum Einschreiten gezwungen sah. BaFin-Chef Mark Branson rügte die Bank öffentlich scharf: Es sei eine einmalige Situation, wie viele Beschwerden es zu einem einzigen Institut gebe und die Bank müsse das Problem schnell lösen.

Deutsche Bank will IT-Probleme der Postbank in diesem Jahr lösen

Sewing versprach, genau dies zu tun. Die größten Probleme will die Bank noch im dritten Quartal beseitigen, um den gesamten Rückstau aufzulösen werde jedoch noch das vierte Quartal benötigt. Am kritischsten ist der Rückstau laut Sewing bei Pfändungen und Darlehensauszahlungen. Bei den Pfändungen habe die Bank bereits 70% des Rückstaus abgearbeitet. Zu den Darlehensauszahlungen nannte Sewing keine Zahlen.

Wir hatten zu wenige Ressourcen eingesetzt, um auf Kundenanfragen zu reagieren.

Christian Sewing, Deutsche Bank

Die Bank habe unterschätzt, welches Volumen an Kundenanfragen im Zuge der IT-Umstellung auf die Bank zukommen werde. "Wir hatten zu wenige Ressourcen eingesetzt, um auf Kundenanfragen zu reagieren", räumte Sewing ein. Darum habe die Bank diese inzwischen um 400 bis 500 Mitarbeiter erhöht. "Bei diesem Punkt geht es nicht um Kosten, sondern darum, unsere Kunden wieder zufriedenzustellen", so der Deutsche-Bank-Chef.

Etwaige Entschädigungen für Kunden will sich die Bank im Einzelfall ansehen, sofern Rechtsversäumnisse seitens der Deutschen Bank vorlägen. Ob das Postbank-Debakel auch personelle Konsequenzen haben wird, wollte Sewing noch nicht sagen. Der Fokus liege jetzt darauf, das Problem zu beheben und Vertrauen zurückzugewinnen.

Deutsche Bank will sich unabhängiger vom Zinsüberschuss machen

Ob das Versprechen der Bank reicht, um einer Sanktionierung durch die BaFin zu entgehen, wird sich zeigen. Branson hielt sich hierzu bei der Veranstaltung bedeckt. „Ich glaube zur Postbank ist grundsätzlich alles gesagt“, so der BaFin-Chef, der aber nochmal betonte, dass der Fall außergewöhnlich sei. „Jetzt sehen wir, wie sich das entwickelt.“ Ausgeschlossen hat Branson eine noch mögliche Bestrafung damit nicht.

Insgesamt sieht Sewing das Unity-Projekt im Speziellen und die Deutsche Bank im Allgemeinen auf dem richtigen Weg. Mit ihrer Transformation habe die Bank einen Zwischenschritt erreicht und ihre nachhaltige Ertragskraft bewiesen. Um eine Eigenkapitalrendite von über 10% erreichen zu können, sei es entscheidend, in den nächsten drei bis vier Jahren das Wachstum in der Unternehmensbank und der Privatkundenbank fortzusetzen.

Sewing betonte, dass die Bank dabei unabhängiger vom Zinsüberschuss werden muss. Die Bank müsse sich jetzt vorbereiten, um bereit zu sein, wenn die Zinsen künftig wieder leicht sinken sollten. Dazu investiert die Bank laut Sewing gerade in ihr Beratungsgeschäft – auf der einen Seite in die M&A- und IPO-Beratung, auf der anderen Seite aber auch ins Privatkundengeschäft und Wealth Management. Insbesondere die private Altersvorsorge ist für Sewing ein zentraler Baustein für die 20 Millionen Privatkunden der Deutschen Bank.

Sewings Appell

In der Pensionsfrage sieht Sewing für Deutschland eine große Herausforderung. In den Abgesang auf Deutschland will er aber nicht einstimmen: "Wir sind nicht der kranke Mann Europas." Gleichwohl sorgte sich Sewing um die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland. Wenn ihn ausländische Investoren fragen würden, ob Deutschland denn überhaupt noch wachsen wolle, sei das ein Alarmsignal. Sewing appellierte deshalb an die Politik, bürokratische Hürden abzubauen.

Wir sind nicht der kranke Mann Europas.

Christian Sewing, Deutsche Bank

Auch die diskutierte 4-Tage-Woche lehnte er vehement ab. "Wir können uns eine 4-Tage-Woche einfach nicht erlauben", so der Deutsch-Banker, der sich auch an der allgemeinen Arbeitseinstellung stört. Das Wort "Work-Life-Balance" habe den großen Fehler, dass ein Unterschied zwischen Arbeit und Leben gemacht werde. "Wir sollten uns wieder daran gewöhnen, dass Arbeit Teil unseres täglichen Lebens ist", so Sewing.

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