Ratingagentur gewinnt Neukunden

„Die EZB hat Scope ein Alleinstellungsmerkmal verliehen“

Die EZB integriert Scope Ratings in ihre Prozesse. Die Ratingagentur gewinnt neue Kunden. Vom Ziel, bereits 2024 kostendeckend zu arbeiten, haben sich die Berliner jedoch offenbar verabschiedet.

„Die EZB hat Scope ein Alleinstellungsmerkmal verliehen“

„EZB hat Scope Alleinstellungsmerkmal verliehen“

Berliner Ratingagentur gewinnt dank Gleichstellung mit US-Wettbewerbern Neukunden – CEO kassiert angekündigten Break-Even zwecks Vertriebsausbau

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Ein gutes Jahr nach der Ankündigung hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag begonnen, die Bonitätsbewertungen der Berliner Ratingagentur Scope in ihre geldpolitischen Prozesse einzubeziehen. Scope-Chef Florian Schoeller räumt im Gespräch der Börsen-Zeitung ein, dass er ursprünglich mit einer schnelleren Integration gerechnet habe. Am Ende sei dies aber eine technische Frage: „Der Prozess war aufwändig, denn unsere Ratings werden von der EZB auch allen nationalen Notenbanken zur Verfügung gestellt.“

ABS-Ratings später überprüft

In die Länge gezogen hat sich der Onboarding-Prozess aber auch dadurch, dass die EZB bei der Anerkennung vor gut einem Jahr zunächst die Ratings für forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities, ABS) außen vorgelassen hatte. Dies sei aber nicht aus methodischen Gründen passiert, stellt Schoeller klar. Vielmehr sei die Prüfung dieser Ratings zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen: „Dies erfolgte erst im Frühjahr dieses Jahres. Seitdem akzeptiert die EZB auch unsere ABS-Ratings.“

Mandate von sechs Bundesländern

Wie Schoeller betont, haben die Berliner trotz der langen Übergangsfrist profitiert: „Die EZB hat Scope ein Alleinstellungsmerkmal verliehen – und das nehmen die Emittenten zur Kenntnis.“ Als einzige europäische Ratingagentur habe Scope zahlreiche Neukunden. Darunter nicht nur sechs deutsche Bundesländer und diverse Unternehmen, sondern vor allem auch zahlreiche Banken. Letztere benötigen Ratings, um sich bei der Zentralbank über den Repo-Markt mit Liquidität einzudecken. Angesichts des heterogenen europäischen Bankenmarkts seien viele Institute an einem Rating interessiert, das die Risiken granular erfasst.

Vertriebsteam aufgebaut

Von dem Ziel, im laufenden Jahr kostendeckend zu arbeiten, haben sich die Berliner vor dem Hintergrund dieser Entwicklung verabschiedet. Denn zum einen lassen die regulatorischen Anforderungen die Kosten steigen. „Um die Anforderungen der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA zu erfüllen, haben wir unsere internen Kontroll- und Risikofunktionen verdreifacht“, sagt Schoeller. Zum anderen will das Unternehmen die Erfolgswelle reiten, die durch die EZB-Anerkennung angestoßen wurde. Deshalb sei auch das Business Development Team vergrößert worden. Beide Teams sind dem Vernehmen nach inzwischen mit jeweils beinahe 20 Mitarbeitern in etwa gleich groß.

Einen Einblick in aktuelle betriebswirtschaftliche Kennzahlen gewährt Scope nur der Gesellschafterversammlung, die jedes Jahr im Juni zusammenkommt. Laut dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Bericht für das Geschäftsjahr 2022 verzeichnete Scope zwar einen Umsatzanstieg um mehr als ein Fünftel auf 19,6 Mill. Euro, blieb damit aber hinter dem prognostizierten Zuwachs von 35% zurück. Vor allem wegen des Aufbaus hochkarätiger Analystenteams schrieben die Berliner tiefrote Zahlen. Der Verlust vor Steuern stieg demnach um mehr als ein Drittel und lag mit rund 25 Mill. Euro höher als der Umsatz. Dennoch gelang Scope in diesem Frühjahr eine Finanzierungsrunde, bei dem die Ratingagentur mit rund 400 Mill. Euro bewertet wurde.

Langmütige Investoren

Schoeller vermittelt daher auch nicht den Eindruck, als ob es ihm schlaflose Nächte bereitet, den für 2024 in Aussicht gestellten Break-even wieder zu kassieren. „Scope hat viel Arbeit, Kompetenz und auch Kapital investiert, um sich als erste heimische Ratingagentur zu etablieren“, betont er. Damit sei ein ungleich größerer Wert geschaffen worden, als wenn sich das Unternehmen auf möglichst schnelle Ausschüttungen fokussiert hätte. „Den Break-even werden wir zeitnah auf der Basis des Umsatzwachstums erreichen“, ergänzt er.

Hohe Markteintrittsbarrieren

In welchen Maßstäben Schoeller denkt, zeigt sein Hinweis auf das globale Volumen des Anleihenmarktes von mehr als 100 Bill. Dollar. Der größte Teil hiervon benötige ein Rating. „Neben den großen US-Ratingagenturen werden wir die europäische Stimme am Rating-Markt“, sagt er und zeigt sich überzeugt, dass Scope diese Position auf absehbare Zeit mit niemandem teilen muss. Schließlich erfordere der Aufbau einer europäischen Ratingagentur exzellente Analysten, ein unternehmerisches Management und strategische Kapitalgeber mit einem langen Investmenthorizont.

Europäische Perspektive

Als Herausforderer der Platzhirsche Moody's, Standard & Poor‘s und Fitch Ratings befindet sich Scope in einer strategisch günstigen Situation. Seit der Medienkonzern Hearst sich die britische Ratingagentur Fitch vor Jahren einverleibte, sind alle drei in US-amerikanischer Hand. Zwar wollen viele Emittenten die Zahl der Ratings aus Kostengründen begrenzen. Doch statt Scope außen vor zu lassen, liegt der Verzicht auf eine der US-Agenturen nahe, wie es etwa die Rentenbank praktiziert. Wie das Institut am Montag mitteilte, bezieht es von Januar an Ratings von S&P, Fitch und Scope. Das Nachsehen hat in diesem Fall Moody's.

Im Gespräch: Florian Schoeller

Seit Montag akzeptiert die Europäische Zentralbank auch die Ratings von Scope. Das hat der europäische Ratingagentur viel Zulauf beschert, zugleich sind die regulatorischen Anforderungen gestiegen. Vor diesem Hintergrund wird die Gewinnzone auch in diesem Jahr verfehlt.

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