Diversifizierung schützt Frankreichs Banken
Von Gesche Wüpper, Paris
Sie haben fast alle im ersten Halbjahr Rekordergebnisse verbucht und die Erwartungen übertroffen. Frankreichs Finanzinstitute haben damit erneut bewiesen, dass das französische Bankensystem solide ist. Angesichts steigender Risiken wie der Inflation, der Abkühlung der Konjunktur, der anhaltenden Lieferkettenprobleme und der aktuellen Energiekrise wird es die Widerstandsfähigkeit allerdings auch gut gebrauchen können. Denn dem Banksektor dürfte ein bewegtes Jahresende bevorstehen. Der französische Bankenverband Fédération Bancaire Française (FBF) zumindest rechnet mit einem progressiven Anstieg der Kreditrisiken Ende des Jahres und während des gesamten nächsten Jahres.
Erhöhung noch nicht fix
Noch hat der hohe Rat für finanzielle Stabilität Haut Conseil de Stabilité Financière (HCSF) die Anforderung an den Kapitalpuffer der Banken nicht angehoben. Das Gremium, dem Vertreter der Banque de France, des Wirtschaftsministeriums, der für Banken und Versicherungen zuständigen Autorité de contrôle prudentiel et de résolution, der Börsenaufsicht Autorité des marchés financiers sowie der für Rechnungslegungsgrundsätze zuständigen Behörde angehören, ist jedoch besorgt über „die anhaltende Verletzbarkeit und das mittelfristige Risikoniveau“. Es hat deshalb nach seiner jüngsten Sitzung Mitte September angekündigt, den antizyklischen Kapitalpuffer Ende des Jahres auf 1% zu erhöhen.
Während der Coronakrise hatte der HCSF ihn auf 0% gesenkt, dann jedoch im April auf 0,5% angehoben. Die Banken müssen dieser Anforderung ab April 2023 entsprechen. Einige Beobachter hatten erwartet, dass der HCSF die Anforderung bereits im September anheben werde, da der Kapitalpuffer von Banken in Deutschland bereits ab Februar 0,75% betragen muss, der von Finanzinstituten in Dänemark ab März sogar 2,5%.
Da die europäischen Nachbarn Frankreichs die Situation genutzt hätten, als die Konjunktur noch gut war, um einen Kapitalpuffer von im Schnitt 1% einzuführen, habe sich die Frage gestellt, zusätzliche Kapitalrückstellungen vorzunehmen, sagte Banque-de-France-Chef François Villeroy de Galhau der Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Außerdem achte der HCSF darauf, ein ausreichendes Kapitalniveau zu halten, um künftige Kreditzyklen zu bewahren. Deshalb habe der HCSF jetzt beschlossen, den Kapitalpuffer prinzipiell anzuheben, den Banken dafür jedoch genügend Zeit zu geben, sich vorzubereiten.
Anforderungen übertroffen
Die Finanzinstitute müssten ihre Reserven wieder aufbauen, um die Finanzierung der Wirtschaft vor einem Abschwung zu schützen, heißt es im Wirtschaftsministerium. Sie verfügten jedoch über einen nicht regulierungsbedingten Kapitalpuffer, der über den legalen Anforderungen liege. Das sei positiv. Zudem hätten sie eine nachhaltige Ertragskraft, während ihr Eigenkapital weiter steige. Alle betroffenen Banken seien bereits jetzt in der Lage, den höheren Anforderungen an den antizyklischen Kapitalpuffer zu entsprechen, meint deshalb der HCSF.
Ende des ersten Halbjahres haben alle französischen Finanzinstitute harte Kernkapitalquoten ausgewiesen, die die Anforderungen übertrafen. So betrug die CET1-Quote von BNP Paribas 12,2%, die der Bankengruppe BPCE 14,9%, die der Crédit-Agricole-Gruppe 17,5% und die ihrer börsennotierten Einheit CASA 11,3%. Société Générale wies 12,9% aus, während der Nationalverband der genossenschaftlichen Bankengruppe Crédit Mutuel auf 18,1% kam und Crédit Mutuel Arkéa, der Zusammenschluss der westfranzösischen Regionalverbände, auf 16,5%.
Lehren der Vergangenheit
Französische Banken seien gut gewappnet, um einer Rezession zu begegnen, meint Catherine Garrigues von Allianz Global Investors. Sie haben ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen und sind deshalb im Vergleich zu der Staatsschuldenkrise 2011/2012 weniger exponiert gegenüber südeuropäischen Staatsschulden. Im Sommer 2011 waren die französischen Großbanken an der Börse stark unter Beschuss geraten, weil sie stärker als ausländische Wettbewerber in südeuropäischen Krisenländern wie Griechenland und Italien engagiert waren. Das betraf vor allem Société Générale, da die Bank die Märkte mit einer Gewinnwarnung geschockt hatte und dann Gerüchte die Runde machten, sie habe Liquiditätsprobleme und solle verstaatlicht werden.
Die Bank mit dem schwarz-roten Logo, der Skandaltrader Jérôme Kerviel 2008 einen Verlust von fast 5 Mrd. Euro eingebrockt hatte, hatte sich deshalb ein Schlankheitsprogramm verordnet, um die Bilanz zu stärken und die strengeren Eigenkapitalvorschriften nach Basel III erfüllen zu können. Sie baute Risiken ab, verkaufte weitere „Giftpapiere“ aus der Zeit vor der Finanzkrise und strich über 1000 Stellen in ihrer einstigen Vorzeigesparte, dem Investment Banking. Die baut sie seit 2021 weiter um, da die Marktaktivitäten sie 2020 in die roten Zahlen drückten. Société Générale hat deshalb einige Aktivitäten wie den Rohstoffhandel und die Eigenhandelssparte aufgegeben. Stattdessen soll sich die Corporate & Investment-Banking-Sparte nun stärker auf das Finanzierungs- und Beratungsgeschäft konzentrieren, um so die Risiken zu verringern.
Sowohl Société Générale als auch Crédit Agricole haben sich nach dem Börsendebakel 2011 von ihren griechischen Töchtern Geniki und Emporiki getrennt. Société Générale hat sich zudem aus den meisten osteuropäischen Ländern zurückgezogen und nach der Invasion der Ukraine durch Russland auch ihre russische Tochter Rosbank verkauft.
Der Ukraine-Krieg führe für französische Banken zu überschaubaren Abwärtsrisiken für ihr Kreditprofil, urteilt die Ratingagentur Fitch. Vor dem Verkauf von Rosbank waren die französischen Banken nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vor einem Jahr mit ausstehenden Forderungen von 25 Mrd. Dollar zusammen mit den italienischen und den österreichischen die am stärksten in Russland exponiertesten, vor allem eben Société Générale. Das hat sich jedoch inzwischen geändert. Deshalb halten Ratingagenturen das Risiko für bewältigbar. Die meisten französischen Banken dürften die Folgen des Krieges – das schwächere Wachstum, die Inflation der Energiepreise und die anhaltenden Probleme der Lieferketten mehr zu spüren bekommen als ihre Exponierung in Russland und der Ukraine, meint Fitch.
Große Präsenz in Italien
Dagegen könnte Italien so mancher französischen Bank Sorgen bereiten. Vor allem BNP, Crédit Agricole und CNP Assurance, die Versicherungstochter der Postbank La Banque Postale, sind dort sehr präsent – sehr zum Ärger der neuen italienischen Regierung. BNL und Crédit Agricole Italia, die italienischen Töchter von BNP und Crédit Agricole, gehören zu den 14 italienischen Banken, für die Moody’s im August die Aussichten wegen der starken Abhängigkeit Italiens von russischem Gas auf negativ gesenkt hat. Auf sie könnte sich auch eine Ratingherabstufung Italiens auswirken. Ende 2021 betrug der Anteil italienischer Staatsschulden mit 9,4 Mrd. Euro 16% der Exponierung von BNP bei Staatsschulden in der Eurozone. Bei Crédit Agricole konzentrieren sich die italienischen Staatsschulden auf die italienische Tochter ihrer Versicherungssparte Crédit Agricole Assurances. Ende 2021 beliefen sie sich auf 15,8 Mrd. Euro. Die Risikovorsorge französischer Banken bleibe relativ niedrig und läge deutlich unter dem Niveau während der Coronakrise, urteilt die Ratingagentur DBRS Morningstar. Sie bleibe jedoch im Rahmen der Vorhersagen für dieses Jahr. DBRS Morningstar glaubt, dass Frankreichs Banken dank ihrer Diversifizierung durchaus in der Lage sind, das herausfordernde Umfeld zu bewältigen.
Bisher erschienen:
Dollar-Stärke belastet Japans Banken (12. Oktober)
Italiens Banken sind heute sicherer (8. Oktober)
Einleitung: Krise, welche Krise? (7. Oktober)