„ESG-Investments überleben, weil sie finanziell Sinn ergeben“
Im Interview: Eric Pedersen
„ESG-Investments überleben, weil sie finanziell Sinn ergeben“
Auch wenn die Debatte über nachhaltige Investments die USA spaltet, bleibt ESG aus Sicht von Nordea attraktiv
In den USA wird ESG zunehmend politisiert – einige Staaten blockieren nachhaltige Investments, während andere weiter darauf setzen. Eric Pedersen, Head of Responsible Investment bei Nordea, erklärt im Interview, warum ESG nicht tot ist, sondern sich verändert – und was Europa daraus lernen kann.
Herr Pedersen, in den USA ziehen sich Banken aus der Net-Zero-Allianz zurück. Ist das der Anfang vom Ende nachhaltiger Investments dort?
Nein, aber es zeigt die tiefen Gräben in den USA. Die aktuelle ESG-Debatte dort ist nicht nur eine Frage der Unternehmensstrategie, sondern ein hoch politisiertes Thema. In konservativen Bundesstaaten wie Texas oder Florida gibt es starken Gegenwind gegen Klimainvestments. Dort argumentieren Politiker, dass ESG-Anlagen ideologisch seien und Anlegern schaden. Einige Staaten haben sogar Gesetze erlassen, die bestimmte nachhaltige Investmentstrategien erschweren oder Banken und Assetmanager für ihre ESG-Strategie bestrafen.
Das klingt nicht freundlich für einen ESG-Chef …
… stimmt, aber gleichzeitig gibt es die andere Seite: Die sogenannten „Blue States“ wie Kalifornien und New York halten an ESG-Investments fest. Öffentliche Pensionsfonds dort setzen weiterhin massiv auf nachhaltige Anlagen. Bloomberg hatte vor einiger Zeit berichtet, dass ein großer amerikanischer Investor aufgrund der politischen Entwicklungen Milliarden aus den Fonds ESG-kritischer Assetmanager abzuziehen droht und in nachhaltigere Alternativen umschichten will.
State Street hat wegen des Austritts aus der Net-Zero Initiative ein 20-Mrd.-Pfund-Mandat von The People’s Pension an Amundi und Invesco verloren.
Das stimmt und zeigt: Während einige ESG für tot erklären, investieren andere gezielt weiter.
Also ist ESG in den USA doch nicht auf dem Rückzug?
Nein, im Gegenteil. Der Markt ist nur stärker polarisiert. Unternehmen und Investoren müssen sich entscheiden, wo sie stehen. Wer beispielsweise in Texas oder Florida groß im Geschäft sein will, wird möglicherweise vorsichtiger mit ESG-Positionierungen umgehen. Gleichzeitig gibt es einen gewaltigen Markt für nachhaltige Investments, der weiter wächst.
Was dazu führt, dass Ihr Haus zum Beispiel ein großes Mandat von CalSTRS bekommt …
Richtig. Und dann gibt es noch den wirtschaftlichen Faktor: Unternehmen investieren in nachhaltige Technologien, weil sie rentabel sind. Texas ist das beste Beispiel. Der Staat ist tief republikanisch und politisch eher gegen ESG eingestellt, aber gleichzeitig der führende Produzent von erneuerbarer Energie in den USA. Warum? Weil es sich finanziell lohnt. Wind und Solar sind schlichtweg die günstigsten Energiequellen.
Das klingt verrückt. Texas blockiert ESG auf der politischen Ebene, investiert aber stark in erneuerbare Energien?
Genau. Die Regierung dort hat zwar regulatorische Hürden geschaffen, aber Unternehmen ziehen sich trotzdem nicht aus erneuerbaren Energien zurück. In Texas wurde sogar versucht, neue Subventionen für Gaskraftwerke einzuführen, um die erneuerbare Energiewende zu bremsen. Doch selbst große Energiekonzerne haben sich aus diesen Plänen zurückgezogen – weil es schlicht nicht wirtschaftlich ist. Das zeigt: ESG-Investments überleben nicht wegen politischer Überzeugungen, sondern weil sie finanziell Sinn ergeben.
Kommen wir nach Europa. Hier schien alles besser, aber kürzlich hat der deutsche Fondsverband BVI berichtet, dass das Interesse an ESG-Investments im vergangenen Jahr deutlich nachgelassen hat. Spüren Sie das auch?
Im Privatkundengeschäft ja, bei institutionellen Investoren nein. Viele Pensionsfonds müssen ihren Kunden jetzt konkret liefern, was sie vor Jahren versprochen haben. Dabei helfen wir gerne – oft endet das in Mandaten für uns, wie zuletzt ein nachhaltiges Aktienmandat in Höhe von 1,25 Milliarden Euro bei der VBL. Aber die Dynamik hat sich geändert: Vor ein paar Jahren ging es um Absichtserklärungen, heute erwarten Regulierer und Stakeholder konkrete Ergebnisse.
Nachhaltigkeitsfonds hatten nach dem Ukraine-Krieg schlechtere Renditen, weil sie zum Beispiel Öl- und Gaswerte ausgeschlossen haben. Hat das Anleger abgeschreckt?
Teilweise. Zehn Jahre lang war der Ausschluss von Öl und Gas ein Renditevorteil. Dann drehte sich der Markt. Aber nachhaltige Investments sind langfristig ausgelegt – kurzfristige Schwankungen gehören dazu. Die entscheidende Frage ist: Glauben Investoren an die langfristige Transformation der Wirtschaft? Wer das bejaht, bleibt ESG-Anlagen treu.
Stichwort Rüstungsaktien: Können die nachhaltig sein?
Bislang haben wir vor allem Waffenhersteller ausgeschlossen, die in Atomwaffen involviert sind. Das sind allerdings die meisten von den großen Namen. Jetzt überdenken wir unseren Ansatz grundlegend. Die geopolitische Lage hat sich geändert. Die Verteidigung Europas muss finanziert werden. Es gibt Anleger, die sagen: Ohne Sicherheit keine Nachhaltigkeit. Deshalb diskutieren wir, ob bestimmte Rüstungsunternehmen in nachhaltige Portfolios integriert werden können.
Das könnte aber ESG-Kriterien widersprechen. Wie lösen Sie diesen Konflikt?
Es hängt vom Ansatz ab. Manche nachhaltigen Fonds setzen auf Ausschlüsse, andere haben flexiblere Kriterien. Wir prüfen, ob Unternehmen lediglich defensive Rüstungsgüter herstellen oder auch fragwürdige Geschäftspraktiken haben. Am Ende müssen wir mit unseren Kunden klären, welche Lösungen sie wollen.
ESG-Daten sind oft schwer vergleichbar. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben ein Team von 30 Leuten und damit große Ressourcen, Daten zu prüfen. ESG-Ratings unterscheiden sich je nach Anbieter stark. Wir verlassen uns nicht blind darauf, sondern bewerten Unternehmen selbst. Ein großes Problem ist, dass viele Daten auf Schätzungen beruhen. ESG-Berichterstattung ist noch nicht so standardisiert wie Finanzberichte. Das ändert sich zwar mit der Regulierung, aber es bleibt eine Herausforderung.
Ist Greenwashing ein Thema für Sie?
Kritik von NGOs gibt es immer. Nachhaltigkeit ist Definitionssache. Aber echtes Greenwashing ist für mich, wenn man wissentlich falsche Versprechen macht – das tun wir nicht. Trotzdem müssen wir transparent kommunizieren. Wir haben schon erlebt, dass Unternehmen sich nachhaltiger darstellen, als sie sind. Da ist es unsere Aufgabe als Assetmanager, genau hinzusehen.
Das Interview führte Wolf Brandes.