EZB warnt Banken vor steigenden Risiken
fir Frankfurt
Die Risiken für das Finanzsystem steigen nach Ansicht der Europäischen Zentralbank (EZB) an. Die Bedingungen im Euroraum haben sich im vergangenen halben Jahr unter anderem angesichts steigender Inflation und Zinsen, schwächerer Wachstumsaussichten, der Folgen des Ukraine-Krieges und einer Neubewertung von Assets weiter verschlechtert, wie die Notenbank am Mittwoch im Finanzstabilitätsbericht festhielt. „Nach unserer Einschätzung haben die Risiken für die Finanzstabilität zugenommen, und eine technische Rezession im Euroraum ist wahrscheinlicher geworden“, erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. Der Bericht erscheint zweimal im Jahr.
Die verschiedenen negativen Faktoren beeinflussten sich gegenseitig und erhöhten das Risiko unkontrollierter Anpassungen an den Finanzmärkten, steigerten den Druck auf Schattenbanken (Non-Bank Financial Institutions) und säten Zweifel an der Schuldentragfähigkeit von höher verschuldeten Privathaushalten, Unternehmen und Staaten. „Diese Schwachstellen könnten gleichzeitig auftreten und sich möglicherweise gegenseitig verstärken, wodurch sich die Risiken für die Finanzstabilität im Euroraum erhöhen“, heißt es in dem Bericht.
Zugleich betont die EZB, dass die Banken im Euroraum in der Lage seien, die Probleme zu meistern und vielerlei Risiken standzuhalten. Der Bericht führt das unter anderem auf die Regulierungs- und Aufsichtsreformen der vergangenen Jahre zurück sowie auf die Unterstützung durch die Politik. Der aktuellen Krise begegne die Kreditwirtschaft daher mit gestärkten Bilanzen und Kapitalpuffern.
Die EZB gibt dennoch zu bedenken, dass die hohe Staatsverschuldung infolge der Ausgabeprogramme in der Pandemie den Spielraum für künftige fiskalische Hilfen einschränkten. Die Notenbank plädiert daher für gezielte makroprudenzielle Maßnahmen wie den Aufbau von Kapitalpuffern, um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems insgesamt zu stärken.
Rentabilität nimmt zu
Die Finanzinstitute des Euroraums profitieren der EZB zufolge von steigende Zinseinnahmen in Folge der Zinswende, was die kurzfristigen Rentabilitätsaussichten stärke (siehe Grafik). Im ersten Halbjahr hat sich die Rentabilität demnach durch ausgeweitete Kreditmargen und -volumina leicht verbessert, zusätzlich gestützt durch geringere Betriebskosten und weiterhin niedrige Kreditrisikovorsorge. Bankanalysten hätten entsprechend ihre Prognosen für die Eigenkapitalrendite börsennotierter Banken im Euroraum für 2023 auf rund 8% angehoben.
Anzeichen für eine schwerwiegende Verschlechterung der Kreditqualität hat die EZB nach eigenen Angaben im ersten Halbjahr ungeachtet des wirtschaftlichen Ausblicks nicht ausgemacht. Gleichwohl könnten Banken mittelfristig mit höheren Kreditausfällen konfrontiert werden, da es manchen Firmen und Privathaushalten zunehmend schwerfalle, ihre Schulden zu bedienen. Mit weiter steigenden Zinsen dürften die Institute mit höheren Kreditrisiken, die aus ihren Engagements in anfälligen Sektoren resultieren, konfrontiert werden, so auch im Wohnimmobilienmarkt. Und seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar unterlägen Kredite an energieintensive Unternehmen einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit. Gestiegene Ausgaben für Energie und Rohstoffe sowie steigende Finanzierungskosten dürften Unternehmensgewinne sinken lassen, lautet die Prognose der EZB.
Die Risikokosten, gemessen als Verhältnis von Kreditwertberichtigungen zum Kreditvolumen, lägen aktuell zwar auf dem Tiefstand vor Ausbruch der Pandemie, könnten aber künftig wieder steigen, wie der Bericht warnt. Dafür sprächen konjunkturbedingt zum einen potenziell nötige Vorkehrungen für Kreditausfälle und zum anderen eine wahrscheinliche Abschwächung des Wachstums der Kreditausreichungen. Zugleich haben sich den Angaben zufolge die Finanzierungskosten der Banken erhöht. Steigende Zinssätze für neue Einlagen und auslaufende gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO III) mit der EZB bescherten Banken höhere Aufwendungen, was die zusätzlichen Einnahmen aus höheren Zinssätzen wieder schmälere.
Vorsicht bei Schattenbanken
Schattenbanken haben laut EZB auf Zinswende und verschlechterte wirtschaftliche Prognosen reagiert, indem sie Unternehmens- und Staatsanleihen mit niedrigeren Ratings abstoßen. Zudem hätten sie Kreditportfolien abgebaut. Dennoch siedelt die Zentralbank das Kreditrisiko im Schattenbankensektor insgesamt als nach wie vor hoch an. Die Gesellschaften seien „dem Risiko erheblicher Kreditverluste ausgesetzt“, sollten sich die Bedingungen der Unternehmen verschlechtern. „Dies deutet auf eine Umkehrung der während des lange anhaltenden Niedrigzinsumfelds beobachteten Suche nach Rendite hin“, resümiert die EZB.