Japans Wohnimmobilien locken mit Aufschlag

Auf unerwartete Weise hat die Corona-Pandemie den japanischen Immobilienmarkt in Bewegung gebracht: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sehen sich die Eisenbahnbetreiber gezwungen, in größerem Umfang Immobilien zu verkaufen, weil die Passagierzahlen...

Japans Wohnimmobilien locken mit Aufschlag

Von Martin Fritz, Tokio

Auf unerwartete Weise hat die Corona-Pandemie den japanischen Immobilienmarkt in Bewegung gebracht: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sehen sich die Eisenbahnbetreiber gezwungen, in größerem Umfang Immobilien zu verkaufen, weil die Passagierzahlen durch Covid-19 eingebrochen sind. Die Spannweite der angebotenen Objekte reicht von Büros und Lagerhallen über Hotels bis zu Golfplätzen und Skiresorts.

Bahnen unter den Größten

Die Bahngesellschaften gehören zu den großen Grundstücksbesitzern unter den japanischen Unternehmen. Allein drei der sieben Schwesterunternehmen der privaten Japan Railways-Gruppe wollen Immobilien versilbern. Die westjapanische Gruppe Kintetsu verkaufte im Frühjahr acht Hotels in Osaka und Kyoto für 60 Mrd. Yen (465 Mill. Euro) an den US-Finanzinvestor Blackstone. Im Juli stellte Seibu Holdings zahlreiche Hotels der bekannten Prince-Kette mit einem Buchwert von 100 Mrd. Yen (775Mill. Euro) zum Verkauf.

Als Erste haben Ausländer die Chancen erkannt, die durch die Pandemie in Japan entstanden sind. Laut Daten von Jones Lang LaSalle investierten solche Anleger im vergangenen Jahr 1,5 Bill. Yen (11,6 Mrd. Euro). Dadurch stieg ihr Anteil am jährlichen Transaktionswert mit über 30% auf den höchsten Stand seit der kleinen Immobilienblase, die das Land 2007 vor der Finanzkrise durchlebte.

Besonders ambitioniert tritt Goldman Sachs auf. Laut einem Bericht der Finanzzeitung Nikkei stockt die US-Investmentbank ihren Fonds für Immobilienkäufe in Japan auf 250 Mrd. Yen (knapp 2 Mrd. Euro) auf und richtet ihr Augenmerk dabei vor allem auf Logistik- und Datenzentren. Beide Segmente wachsen stark, seitdem das japanische E-Commerce-Geschäft durch die Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten hat.

Preise gehen zurück

Allerdings hat Covid-19 dem japanischen Immobilienmarkt durchaus einen Dämpfer verpasst. Die Grundstückspreise gingen 2020 zum ersten Mal seit sechs Jahren zurück; im Schnitt um 0,5%. Zum ersten Mal seit 2015 fielen sogar die Preise für Wohnimmobilien, um 0,4%. Gewerbeimmobilien verloren 0,8% – der erste Wertrückgang seit sieben Jahren. Sogar der einzelne Quadratmeter von Japans teuerster Lage – ein Grundstück mit einem Geschäft für Musikinstrumente im Tokioter Einkaufsviertel Ginza – verbilligte sich um 7,1% auf 53,6 Mill. Yen (415000 Euro). „Die geschrumpften Umsätze im Einzelhandel und Hotels drückten den Wert von Gewerbeimmobilien, während gesunkene Löhne und gestiegene Arbeitslosigkeit die Wohnimmobilien belasteten“, fasste das Ministerium für Boden, Infrastruktur, Transport und Tourismus seine Analyse von landesweit 26000 Immobilien zusammen.

Doch schon für das laufende Jahr zeichnet sich ab, dass es in zentralen Metropolregionen, die für Anleger am wichtigsten sind, bei einer vorübergehenden Delle bleiben könnte. In diesen Zentren belastete die Pandemie vor allem den Dienstleistungssektor, da Bars und Restaurants um 20 Uhr schließen mussten und der Einzelhandel sich daran anpasste. Doch staatliche Finanzhilfen ermöglichen es den meisten Betrieben, die Durststrecke durchzustehen.

Auch der Ausblick für Büroimmobilien fällt heller aus als befürchtet. Zwar führten viele Firmen für einen Teil ihrer Mitarbeiter die Arbeit im Homeoffice ein. Aufgrund vielfacher positiver Erfahrungen mit diesem neuen Arbeitsstil verkleinern daher einige Konzerne wie Fujitsu und Mitsubishi Chemical ihre Büroflächen. Dieser Trend weckte zunächst die Sorge bei Investoren, dass die Büromieten fallen und der Wert der Gebäude sinken würde.

Doch Analysten erwarten eine Differenzierung. „Büros in zentralen Lagen werden als Standorte für alle Tätigkeiten mit persönlichen Kontakten wie Beratungen, Verhandlungen, Besprechungen und Schulungen weiter gefragt sein“, meint Leonard Meyer zu Brickwedde, Gründer und CEO des Immobilieninvestors Kensho Investment mit Büros in Tokio und München. Dagegen würden Standorte außerhalb der Zentren, die häufig als Backoffice dienten, unter dem Trend zum Homeoffice leiden.

Rückkehr ins Büro

Nach Ansicht von Naoki Kamiyama, Chefstratege der Vermögensverwaltung Nikko AM, wird die Nachfrage nach Büroräumen nicht besonders sinken. „Ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer dürfte in die Büros zurückkehren, sobald sich die Wirtschaft normalisiert“, meint Kamiyama. Für börsennotierte Immobilienfonds, die J-Reits, werde diese Trendwende unterstützend wirken. Außerdem entstanden während der Pandemie sogenannte Satellitenbüros auf halbem Wege zwischen den Vororten und den Metropolenzentren. „Die Möglichkeiten für aktive Büro-Investments sind dadurch sogar gestiegen“, so der Chefstratege von Nikko AM.

Anders als im Bürobereich konnten Investoren von Wohnimmobilien in guten Lagen während der Pandemie entspannt bleiben. Der Wiederverkaufspreis einer 70-Quadratmeter-Wohnung im Großraum Tokio erreichte im Juni auf das historische Hoch von 41,14 Mill. Yen (319000 Euro). Auch hieran profitierten viele Ausländer, da ihr Anteil an Wohn-Transaktionen seit 2012 von null auf fast 40% im Jahr 2020 geklettert ist. „Anders als in Deutschland zahlen Wohnimmobilien den Investoren immer noch mehr als Büros“, erläutert Investor Meyer zu Brickwedde, der im Juli 2017 den ersten deutschen Fonds für japanische Wohnimmobilien lancierte.

Allerdings sei der Aufschlag zu­letzt gesunken. Die Renditen für Wohnimmobilien in Tokio lägen derzeit zwischen 3,0 und 3,5% und damit 0,5 Prozentpunkte über den Büro-Renditen. Vor zwei Jahren betrug die Prämie noch 1,0 Prozentpunkte. Daher weichen die Investoren vermehrt auf Osaka aus, so dass die Renditedifferenz zu Tokio von 0,75 auf 0,25 Prozentpunkte zurückging. „Auch Vororte von Tokio sind jetzt bei Investoren beliebt“, berichtet Meyer zu Brickwedde. Der Nachteil des Wohnbereiches bestehe darin, dass die Einzelobjekte überwiegend 10 bis 20 Mill. Euro kosten. „Im Vergleich zu Büros ist es also schwieriger, größere Volumina in eine Transaktion zu investieren“, erläutert der deutsche Investor.