Nachhaltigkeit wird der neue Standard
Serie: Kein Stein bleibt auf dem anderen (4)
Nachhaltigkeit wird der neue Standard
Klimaschutz, ESG-Kriterien und politische Vorgaben prägen die Märkte – Investoren sind gefordert
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Immobilien und Infrastruktur stehen im Fokus der Klimapolitik – Strengere Vorgaben und ESG-Kriterien zwingen Investoren, ihre Portfolios anzupassen – Wie gelingt der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit?
Der Markt für Immobilien- und Infrastrukturinvestitionen steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Klimaschutz und ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) treiben die Transformation und zwingen sowohl Investoren als auch Politik, neue Prioritäten zu setzen. Während die Regulierung immer strengere Vorgaben macht, suchen Investoren nach Wegen, ihre Portfolios zukunftssicher und nachhaltig zu gestalten.
Die politische Dimension: Immobilien als Schlüssel zu Klimazielen
Immobilien spielen eine zentrale Rolle bei der Erreichung globaler Klimaziele. Rund 40% der weltweiten CO2-Emissionen entfallen auf den Gebäudesektor. Strengere gesetzliche Vorgaben wie die EU-Mindestenergieleistungsstandards und nationale Initiativen wie die „Building Performance Standards“ in den USA verdeutlichen, dass die Politik den Gebäudesektor als Schlüsselbereich für die Energiewende betrachtet.
„Die Umwandlung ist in jeder Hinsicht deutlich klimafreundlicher als der Neubau“, betont Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei Union Investment Real Estate. Dennoch klafft eine erhebliche Lücke zwischen politischen Ambitionen und der Realität auf den Märkten. Laut einer Analyse von JLL könnten bis 2030 bis zu 70% der benötigten ESG-konformen Büroflächen fehlen. Insbesondere in den USA und asiatisch-pazifischen Metropolen ist das Defizit enorm.
Herausforderungen für Investoren: Kosten, Daten und Strategien
Investoren stehen vor der Aufgabe, ihre Portfolios an die neuen Anforderungen anzupassen. Union Investment verfolgt eine „Manage-to-Green“-Strategie, um den eigenen Bestand bis 2050 klimaneutral zu machen. „Keine Frage, die nachhaltige Transformation kostet Geld, muss aber auch nicht immer teuer sein“, erklärt von Mallinckrodt. Mit einfachen Maßnahmen wie der Umstellung auf LED-Beleuchtung oder einer besseren Anpassung der Gebäudetechnik an die Nutzungszeiten können bereits signifikante Einsparungen erzielt werden.
Dennoch bleibt die Sanierung von Bestandsimmobilien eine finanzielle Herausforderung. Viele Investoren schrecken vor hohen Anfangsinvestitionen zurück, obwohl nachhaltige Gebäude langfristig wertstabiler sind. Dirk Rathlev, Partner bei EY Real Estate, sieht in der „flexiblen Anpassung an regulatorische Anforderungen und die Nutzung bewährter Standards“ den Schlüssel, um Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Dabei betont er: „Manage-to-Green wird sich langfristig als Geschäftsmodell etablieren.“
Mangel an Transparenz
Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an verlässlichen ESG-Daten. Laut JLL gehören Nachhaltigkeitskennzahlen weltweit zu den am wenigsten transparenten Datenpunkten. Diese Intransparenz erschwert nicht nur die Bewertung von Investitionen, sondern hemmt auch die Entscheidungsfindung von Investoren. „Ohne klare Bewertungsmodelle bleibt die Umsetzung von ESG-Strategien oft Stückwerk“, so Rathlev.
Union Investment Real Estate hat mit der Plattform ImmoSustain ein Tool entwickelt, das alle Gebäude- und Verbrauchsdaten zentral bündelt und mit dem sogenannten CRREM-Pfad (Carbon Risk Real Estate Monitor) abgleicht. Solche Lösungen sind essenziell, um frühzeitig Maßnahmen zur Einhaltung der Klimapfade zu identifizieren und umzusetzen.
Nachhaltigkeit als Marktgebot: Chancen und Risiken
Der Markt belohnt nachhaltige Investments zunehmend. „Erste Banken geben bei der Immobilienfinanzierung bereits ein ´green premium´ – also günstigere Konditionen für ESG-konforme Immobilien“, erklärt Rathlev. Gleichzeitig drohen „brown discounts“: Immobilien, die nicht ESG-konform sind, verlieren an Wert oder werden schwieriger finanzierbar. Am Transaktionsmarkt zeigt sich bereits, dass energetisch schlechte Objekte nur schwer Käufer finden.
Die Nachfrage nach grünen Büroflächen wächst rasant, da Unternehmen zunehmend auf ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele achten. Die „Science Based Targets Initiative“ (SBTI), der sich viele Unternehmen angeschlossen haben, verpflichtet sie, Scope-1- und Scope-2-Emissionen zu reduzieren. Dies beeinflusst direkt die Anforderungen an Büroflächen, wie von JLL analysiert wurde.
Infrastrukturinvestitionen: Der Aufstieg der Energiewende
Parallel zum Immobiliensektor erlebt auch der Infrastrukturbereich eine durch Nachhaltigkeit und ESG getriebene Transformation. Laut einer Umfrage von Patrizia planen 70% der Investoren, ihre Infrastrukturquote zu erhöhen, wobei der Fokus auf Projekten liegt, die die Energiewende und Digitalisierung vorantreiben. Deutschland liege bei Infrastrukturinvestitionen weit zurück, private Mittel seien unverzichtbar, um Modernisierungsprojekte umzusetzen.
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