„Noch nicht einmal aus Diversifikationsgründen“
Andreas Hippin.
Herr Hense, was macht digitale Zentralbankwährungen für Notenbanker so attraktiv?
Digitale Zentralbankwährungen würden Zentralbanken nahe der Zinsuntergrenze helfen. Sie würden die Zinsuntergrenze sogar senken, weil man negative Zinsen viel leichter an die Einlagenbesitzer durchreichen könnte. Das würde den geldpolitischen Transmissionsmechanismus befördern und die Kunden aus den Einlagen treiben, ohne dass man dabei einen Bank Run fürchten müsste.
Stehen also auch in Großbritannien schon bald Negativzinsen auf der Tagesordnung?
Digitale Zentralbankwährungen würden den Werkzeugkasten der Notenbank erweitern. In der nächsten Rezession könnte ein digitales Pfund Sterling der Bank of England das Unterschreiten der Nulllinie erleichtern. Die Vorbereitungen dazu laufen schon.
Was bedeutet das für die Banken?
Für Banken wären Negativzinsen in einem solchen Umfeld nicht so problematisch, weil sie den Einlagenbesitzern von den Zentralbanken abverlangt würden. Die Institute müssten nicht mehr im gleichen Maße wie jetzt miteinander um Einlagen konkurrieren. Die Zinsergebnisse wurden dadurch niedriger und niedriger, dass man den Kunden positive Zinsen oder Nullzinsen zahlte, während man für die eigenen Reserven bei der Zentralbank Strafzinsen entrichten musste.
Was spräche noch für digitale Zentralbankwährungen?
Banken wären weniger systemrelevant, da der Transmissionsmechanismus weniger vom Bankensektor abhängig wäre. Zudem würden die Transaktionskosten weiter fallen. Die Energieeffizienz ist höher, der Energieverbrauch geringer als bei derzeitigen Zahlungssystemen. Das schwedische Modell, bei dem jeder Bürger ein Konto bei der Zentralbank haben wird, ist für größere Volkswirtschaften jedoch schwierig.
Wird es weiterhin Bargeld geben?
Das Bargeld-Vermögen wird aller Voraussicht nach deutlich sinken, vor allem weil es praktisch ist, einfach mit dem Handy oder der Uhr zu bezahlen, was schon jetzige Technologien ermöglichen. Dieser Trend würde noch unterstützt.
Was halten Sie von Privatgeld wie Bitcoin, der Facebook-Währung Diem und ähnlichen Projekten?
Nichtstaatliche Kryptowährungen sind vor allem eines: Spekulationsobjekte. Sie haben keinen intrinsischen Wert. Dass Zentralbanken und Aufseher nicht forscher gegen den sich etablierenden Trend vorgegangen sind, liegt einerseits daran, dass die zugrundeliegende Technologie interessant ist und daher unterstützungswürdig. Anderseits hätte die Mehrheit der Bürger eine frühzeitige Intervention von staatlicher Seite nicht begrüßt, sondern als Einschränkung empfunden. Dass Kryptoportale „Zinsen“ für Einlagen bis zu 8 % angeboten haben, ist vergleichbar mit Geldgeschenken, wenn man ein Kasino betritt. Die meisten verspielen am Ende mehr, als ihnen die Lockangebote bringen. Das Kasino gewinnt.
Würden Sie in Kryptoassets investieren?
Ich bin schon mal ins Kasino gegangen und habe alles auf Rot gesetzt. Insgesamt war das eher ein Verlustgeschäft, obwohl ich versucht habe, mich an Spielstrategien zu halten. Am Ende war dann doch der Spaß am Spiel größer als die Disziplin! Als institutioneller Investor erkenne ich Kryptowährungen ohne einen zugrundeliegenden Cash-flow noch nicht einmal aus Diversifikationsgründen als investierbare Assetklasse an.
Das Interview führte