Schieflage mit Ansage
lee Frankfurt
Die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) hat weltweit zu einem Beben der Bankaktien geführt, mit Blick auf eine neue globale Finanzkrise geben die meisten Experten jedoch Entwarnung. „Ich glaube nicht daran, dass es zu einer Ansteckung des europäischen Bankensektors kommt“, sagt Sascha Steffen, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.
Im Gegensatz zu den US-Aufsichtsbehörden, die sich mit Blick auf Ausnahmen und Sonderregeln nicht nur bei der SVB recht großzügig gezeigt hätten, pochten ihre europäischen Pendants auf hohe Regulierungstreue, sagt der Finanzwissenschaftler, der gegenwärtig zu Forschungszwecken in New York weilt. „Es zahlt sich aus, dass die Baseler Richtlinien zu den Liquiditätsvorgaben in Europa ernst genommen werden“, unterstreicht er.
Steffen zufolge kam die Bankenpleite keineswegs überraschend. Bereits im vergangenen Jahr hatte er mit Viral V. Acharya von der NYU Stern School of Business und anderen Finanzwissenschaftlern auf die Risiken hingewiesen, die mit dem plötzlichen geldpolitischen Kurswechsel in den USA einhergegangen sind.
Nicht einfach reversibel
Die Wissenschaftler waren der Frage nachgegangen, ob man die Liquiditätszuführungen und -abführungen durch die Notenbanken als spiegelbildliche Maßnahmen ansehen kamen. Kurz gefasst lautete ihre Antwort: Nein. Tatsächlich seien die Bilanzausweitungen wegen des damit einhergehenden Anstiegs der Forderungen der Geschäftsbanken nicht einfach reversibel.
Das liegt daran, dass die Geschäftsbanken auf die ultralockere Geldpolitik reagieren, indem sie sich zwecks Refinanzierung mit Kundeneinlagen vollsaugen, ihre durchschnittliche Laufzeiten verkürzen und Kreditlinien an Unternehmen vergeben. Das geht so lange gut, wie Liquiditätsschwemme herrscht. Wird diese zurückgeführt und kommen – wie im Fall der SVB – Zweifel an der Liquiditätssituation auf, kann es schnell heikel werden. „Die Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken ist eine Frage des Geschäftsmodells und manche (gerade US) Banken) sind in den vergangen Jahren mehr Risiken eingegangen um sinkende Zinsmargen auszugleichen“, konstatiert Steffen.
In den Jahren der ultralockeren Geldpolitik hätten die Banken eine regelrechte Abhängigkeit von der Liquidität der Notenbanken entwickelt, heißt es in dem Arbeitspapier, das die Forscher im vergangenen Jahr beim Jahrestreffen der Federal Reserve von Kansas City in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming vorgestellt haben.
Wenn die Notenbanken beginnen, ihre Bilanzen zu verkleinern, führe dies nicht dazu, dass die Forderungen der Banken im selben Tempo sänken. Das habe sich nicht erst im vergangenen Jahr gezeigt, wie die Finanzwissenschaftler herausarbeiten. Sichtbar sei dies bereits gewesen, als die US-Notenbank 2014 begann, zunächst die Bilanzausweitung zu stoppen und von 2017 an sogar rückgängig zu machen.
„Die relativ hohen Forderungen machten den US-Finanzsektor und insbesondere die weniger stark kapitalisierten Banken schon damals anfälliger für potenzielle Liquiditätsschocks“, sagt Steffen und erinnert an die Liquiditätsspritzen, zu denen sich die Fed im September 2019 und erneut im März 2020 genötigt sah. Die Ausweitung und Schrumpfung der Zentralbankbilanzen sei daher auch eine Frage der Finanzstabilität.