GastbeitragRückkehr des Ausfallrisikos

Sechs Thesen zum Kreditgeschäft

Das Kreditgeschäft befindet sich in einer Phase der Neuausrichtung. Die ist aber anspruchsvoll, da sich die Branche in einem Umfeld zunehmender Unsicherheit bewegt.

Sechs Thesen zum Kreditgeschäft

Gastbeitrag: Tomas Rederer, Partner, PwC

Sechs Thesen zum Kreditgeschäft

Von der Rückkehr von Ausfallrisken bis zu skalierbaren KI-Lösungen

Das Kreditgeschäft befindet sich nach einer langen Phase, in der Zinsen und Risiken niedrig waren und eher klassische Optimierung im Vordergrund standen, jetzt in einer Phase der Neuausrichtung und zunehmenden Unsicherheit. Sechs Faktoren definieren dieses Umfeld:

Return of Risk: Nach einer sehr langen Phase sehr überschaubarer Ausfallrisiken bringt eine Reihe von Faktoren das Risiko wieder in den Blick. Das geringe Wachstum in Deutschland, Konsumzurückhaltung und drastische Einbrüche in Märkten wie China, aber auch strukturelle Probleme, nicht nur in der Automobilindustrie, erzeugen reale Ausfallrisiken in den bestehenden Portfolien. Dazu kommt eine verstärkte Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Entwicklung vor allem durch den „Trump-Faktor“, aber auch die Sanktionseffekte im Kontext des Konflikts in der Ukraine und gegebenenfalls in Israel.

Die Zukunft ist völlig unklar

Ende der Zins-Bonanza: Die Zeit großzügiger Zins-Spreads hat länger angehalten als anfangs befürchtet und insbesondere rückläufige Volumina gut kompensiert. Aber diese Zeit ist zunehmend vorbei. Die Herausforderung ist die völlig unklare Zukunftsperspektive: Sinkende Zinsen, wie sie in den vergangenen Monaten erwartet und teilweise auch umgesetzt wurden, um der schwächelnden Konjunktur zu helfen, oder steigende Zinsen mit Blick auf zu erwartende inflationäre Tendenzen, insbesondere aus den USA? Die Unsicherheit erfordert eine äußert flexible Strategie.

Tomas Rederer ist Head of Financial Services Management Consulting bei PWC Germany

Vertrieb startet früher: Die Zeiten des Wartens auf den Kundenanruf sind endgültig vorbei. Lahmende Nachfrage, höhere Unsicherheit und komplexere Bedarfslagen erfordern, dass Banken deutlich vor dem Kaufmoment des Bankprodukts beim Kunden präsent sind. Im Immobiliensektor haben sie diese Position bereits weitgehend an Spezialisten verloren. Die gute Nachricht: Mit Themen wie energetischer Sanierung gibt es aktuelle Bedarfsfelder, in denen Banken noch eine Chance haben, den eigentlichen Kundenbedarf zu adressieren. Das Geld ist immer nur Mittel zum Zweck. Erste Häuser gehen bereits diesen Weg.

Anspruchsvollere Kunden

Der Kunde steht endlich öfter im Mittelpunkt: Nach Jahrzehnten des Angebotsmarktes und einer ähnlich langen Periode des nach innen gerichteten Optimierens von Risiko und Compliance geht ein Ruck durch viele Banken: Produkte und Prozesse müssen vom Kunden her gedacht werden, andere Faktoren sind zu erfüllende Nebenbedingungen. Ohne effizientes KYC und Co kein effizientes Geschäft – aber ohne die zunehmend anspruchsvollen, wechselwilligen und prozess-ungeduldigen Kunden gar kein Geschäft, das setzt sich in vielen Köpfen langsam durch.

Komplexität verringern

Industrialisierung geht in die nächste Stufe: Die seit Jahren diskutierten notwendigen Prozessanpassungen finden endlich den Weg in die Praxis. Von Instant Mortgage bis zu umfassenden Workflows im Firmenkundengeschäft – viele Banken gehen endlich radikaler an die Komplexität des Geschäfts heran, reduzieren Produktvarianten, standardisieren Prozesse und adaptieren moderne modulare IT-Architekturen. Industrialisierung wird zu einem stärkeren Wettbewerbsfaktor.

Schwerpunkt Skalierung und infrastrukturelle Grundlagen

KI kann ein Game Changer sein – aber nur richtig angewendet: Weder die Werbebotschaften unlimitierter Möglichkeiten noch die skeptischen Rufe gegen die überzogenen Hoffnungen werden den Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und vor allem GenAI gerecht. Die Branche hat viel ausprobiert und in Dutzenden Anwendungsfällen drei Dinge gelernt: Ohne Grundlagenarbeit an Cloud und Daten keine skalierbaren KI-Lösungen, ein cooler Use Case macht noch keinen guten Business Case, und in einem doppelt regulierten Umfeld liegen Erfolg und Risiken dicht beieinander. Der Schwerpunkt muss nun auf Skalierung und den infrastrukturellen Grundlagen dafür liegen. Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Baustein im Industrialisierungsbaukasten, aber eben nur einer.

Entscheidend für Banken ist in Summe nun ein proaktives Adressieren dieser Faktoren. Eine bewusste Adjustierung der Strategie kombiniert mit struktureller Optimierung unter Nutzung der technischen Möglichkeiten und radikales Reduzieren der Komplexität ist der beste Weg, um auf die nachhaltige Unsicherheit im Markt zu reagieren.

Head of
Financial Services
Management Consulting PwC Germany

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