Im GesprächBasu Choudhury, Osttra

„Settlement-Wechsel auf T+1 zieht steigende Kosten nach sich“

Durch die Verkürzung des Settlement-Zyklus für Wertpapiergeschäfte in den USA kommen enorme Herausforderungen auf Europas Assetmanager zu. S&P Global und die CME Group wollen davon nun mit ihrem Joint Venture Osttra profitieren.

„Settlement-Wechsel auf T+1 zieht steigende Kosten nach sich“

Im Gespräch: Basu Choudhury

„Wechsel auf T+1 zieht steigende Kosten nach sich“

Der Osttra-Manager sieht durch die Verkürzung des US-Settlement-Zyklus enorme Herausforderungen für Europas Assetmanager

Von Alex Wehnert, New York

Die Finanzmärkte stehen vor einem Einschnitt: In den USA, Kanada und Mexiko erfolgt die Abwicklung von Trades ab dem 28. Mai statt wie bisher nach zwei nach nur noch einem Tag. Die Umstellung stimmt die Marktteilnehmer nervös. „Assetmanager in Europa und Asien werden sich an eine Verkürzung des amerikanischen Settlement-Zyklus von T+2 auf T+1 anpassen müssen – ein enormes Projekt“, sagt Basu Choudhury, Leiter strategische Initiativen bei Osttra, dem Post-Trade-Joint-Venture von S&P Global und der Terminbörse CME, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Diese Marktteilnehmer werden im neuen Regime nur noch extrem begrenzten Zugang zu Continuous Linked Settlements (CLS) haben.“

Milliarden-Trades auf dem Spiel

Das übergeordnete Abrechnungs- und Abwicklungssystem für globale Finanzinstitute entstand 1997, die führenden Devisenhandelsbanken glaubten Erfüllungsrisiken dadurch überwunden. Doch die European Fund and Asset Management Association (Efama) hat zuletzt bereits davor gewarnt, dass durch die Umstellung des Settlement-Zyklus täglich Dollar-Trades europäischer Marktteilnehmer im Wert von 50 bis 70 Mrd. Dollar auf dem Spiel stehen könnten. Schließlich komme ein signifikanter Teil des Handels zum New Yorker Börsenschluss um 16 Uhr zustande, bei der CLS ende die Einreichungsfrist aber bereits um 18 Uhr Ostküstenzeit – also 24 Uhr in Frankfurt.

Solange die USA wie Europa auf ein T+2-Settlement gesetzt hätten, sei dies kein Problem gewesen. Schließlich habe immer ein weiterer Tag zur Verfügung gestanden, um Fremdwährungstransaktionen zur genetteten Abwicklung via CLS abzugeben. Nun stehe aber für bis zu 40% der Trades europäischer Assetmanager in Dollar-Währungspaaren nicht mehr genügend Zeit zur Verfügung, wie Efama-Umfragen in der Branche zeigten. 

Steigender Zeitdruck

Nun rücken die Abgabefristen laut Choudhury aber wieder wesentlich stärker in den Fokus. „Während europäische und asiatische Marktteilnehmer heute Aktien in Cash über Börsen erwerben und veräußern, werden sie in der Zukunft in der Folge deutlich größerem Ausmaß den Markt für synthetische Wertpapiere anzapfen – sich also über Aktien- oder Total Return Swaps und sogar Differenzkontrakte absichern“, prognostiziert der Osttra-Manager.

In Situation, in denen Investmentmanager keine synthetischen Wertpapiere halten können, werden sie laut Choudhury aber die Aktie in Cash handeln und aufgrund des engen Settlement-Zeitrahmen unter dem T+1-Regime auf die bilaterale Abwicklung zurückgreifen, wie sie vor der CLS-Ära üblich war. „Wer strukturelle Veränderungen an einem Marktsegment vornimmt, löst damit Anstoßeffekte in anderen aus“, betont der Osttra-Manager. Eine weitere Möglichkeit für internationale Marktteilnehmer, ihre großen Dollar-Transaktionen zu besichern – nämlich indem sie in hohem Umfang Reserven im Greenback vorhalten – sehen Marktteilnehmer als ineffizienten Kapitaleinsatz. „Ich glaube nicht, dass wir nun große Defaults oder Erfüllungsrisiken sehen, aber durchaus steigende Kosten für Buyside-Kunden“, unterstreicht Choudhury.

Neuer Service soll Risiken reduzieren

Um die Kosten und die andernfalls anfallenden Kontrahentenrisiken zu mindern, bringt Osttra nun einen neuen Abwicklungsservice für den Devisenhandel nach dem Prinzip „Zahlung gegen Zahlung“ (PvP) an den Start. Die Plattform soll über Distributed-Ledger-Technologie des Fintech Baton Systems laufen und zum Settlement von Kapitalflüssen genutzt werden, die derzeit nicht über CLS abgewickelt werden oder abgewickelt werden können – darunter im Offshore-Renminbi. Osttra will Banken und Intermediäre ohne Einlagengeschäft über den neuen Service zudem eine größere Flexibilität beim Intraday-Settlement bieten und somit die Abhängigkeit von den CLS-Einreichungsfristen für Trades reduzieren.

„CLS ist äußerst robust und verarbeitet einen großen Teil des Marktes extrem gut“, sagt Choudhury. Allerdings sei das System nicht für ausgeweitete Problematiken im T+1-Regime oder spezifische Anwendungsfälle wie Schwellenländer-Währungen aufgelegt. „CLS stellt heute bedeutende Liquiditäts-Backstops für Banken bereit – in jedwedem multilateralen Modell muss mindestens eine Partei die Verantwortung für diese Risiken übernehmen.“

Konkurrenzkampf bahnt sich an

Choudhury räumt ein, dass auch andere große Marktbetreiber wie die Deutsche Börse oder die London Stock Exchange mit eigenen Plattformen aktiv werden könnten. „Die Frage ist aber, ob sie die notwendigen Systeme selbst aufbauen wollen, mit einem Fintech kooperieren oder über den Kauf eines Startups in den Markt vordringen“, sagt der Stratege.

Osttra sei im Konkurrenzkampf gut aufgestellt, da sie bereits über eigene erprobte Order-Matching, -Bestätigungs- und -Verarbeitungssysteme verfüge. „Das macht es für uns einfacher, den Handel anzuzapfen und einen Golden Record zu schaffen“, betont Choudhury. Eine solche „goldene“ Datensammlung gilt als besonders wichtig, um Banken von der Leistungsfähigkeit von Post-Trade-Plattformen zu überzeugen.

Trading Floor der Chicago Mercantile Exchange: Die weltgrößte Terminbörse will mit ihrem Joint Venture Osttra im Post-Trade-Markt den Ton angeben. Foto: picture alliance/dpa | Tannen Maury.

Die Pläne zu einem neuen PvP-Abwicklungsservice für den Devisenhandel fasste Osttra schon vor der Entscheidung der US-Börsenaufsicht SEC, den Settlement-Zyklus auf T+1 zu verkürzen. „Das ist für uns mindestens eine drei- bis vierjährige Reise gewesen, vor einem Jahr haben wir mit einer gründlichen Marktüberprüfung und Due Diligence begonnen", sagt Choudhury. Osttra habe Baton als Partner ausgewählt, weil der DLT-Anbieter täglich bereits Zahlungen im Milliardenwert abwickle, bisher belaufe sich der Gesamtwert der gesettelten Trades auf über 8,1 Bill. Dollar.

Distributed Ledger als Schlüssel

„Distributed Ledger ist dabei ein Schlüsselaspekt für uns, HSBC und Wells Fargo nutzen dies schon seit Jahren für Live-Settlements“, sagt Choudhury. „Für Baton war die Partnerschaft mit uns interessant, um die Plattform skalieren zu können.“ Dabei sei es besonders wichtig, weitere große Banken an den Settlement-Service anzuschließen. „Die Integration eines solchen Dienstes bedeutet für die Institute eine gewisse Verpflichtung – große Häuser wie die Deutsche Bank und Commerzbank müssen darauf vertrauen können, dass es die Unternehmen, mit denen sie arbeiten, in fünf bis zehn Jahren noch gibt.“

Gewundener Weg zu T+0

Die Verkürzung auf T+1 in den USA stelle indes nur den ersten Schritt einer breiteren globalen Entwicklung dar. „Die EU wird nachziehen und den Settlement-Zyklus verkürzen, langfristig ist sogar T+0 unausweichlich“, betont Choudhury – also die taggleiche Abwicklung von Trades. „Der springende Punkt ist, wie der Markt zu „Atomic Settlements“ gelangt – denn diese sind ohne eine tokenisierte oder synthetische Zentralbankwährung unmöglich.“ Der Weg zu T+0 werde daher noch zahlreiche Wendungen aufweisen.

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