Klimawandel

So wird grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig

Der Umbau in eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050 hat begonnen. Grüner Wasserstoff wird wichtig sein, wenn wir dem Klimawandel als Gesellschaft gemeinsam begegnen wollen – ein Gastbeitrag.

So wird grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig

Maßnahmen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft konzen­trieren sich bislang auf Strom aus regenerativen Quellen. Aber wichtige Branchen wie die Stahlindustrie und die Seeschifffahrt lassen sich nicht auf Strom umstellen, sei er nun grün oder nicht. Der Schlüssel für die Dekarbonisierung dieser Bereiche ist Wasserstoff. In der Stahlherstellung dient er als Reduktionsmittel, das sonst die Kohle liefert, und in großen Schiffen löst er das Problem der Energiespeicherung, das sich mit Batterien kaum handhaben lässt. Dabei verbrennt H2 „sauber“, denn es entsteht ausschließlich Wasserdampf.

„Grüner“ Wasserstoff

Bei der Herstellung von Wasserstoff auf Basis von fossilen Energieträgern (v.a. Erdgas) allerdings entsteht durchaus CO2. Nur bei der Erzeugung mittels Elektrolyse und unter Einsatz von regenerativen Energien darf sich auch der produzierte Wasserstoff „grün“ nennen. Um die Weltwirtschaft klimaneutral zu machen, müsste die Elektrolysekapazität von derzeit etwa einem halben Gigawatt bis 2030 auf rund 850 Gigawatt ausgebaut werden. Ein gewaltiges Potenzial, das Wasserstoffinfrastruktur auch zu einem hochinteressanten Investmentthema macht. Vor allem aufgrund der noch geringen Produktionskapazitäten und entsprechend geringer Skaleneffekte ist grüner Wasserstoff gegenüber fossilen Energieträgern derzeit noch nicht wettbewerbsfähig. Um der Technologie schneller zum Durchbruch zu verhelfen, haben die wichtigsten Industrieländer, die EU und die Vereinten Nationen bereits eine Reihe regulatorischer Maßnahmen auf den Weg gebracht und weitere sind in Vorbereitung. Mehr als 20 Staaten haben bislang, allerdings nicht rechtsverbindliche Wasserstoffstrategien formuliert oder arbeiten aktiv daran, da­runter Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA, Kanada und Japan. Ein verlässlicher Rechtsrahmen für Investoren erfordert Durchführungsrechtsakte, die Förderinstrumente auf den Weg bringen.

Angebotsorientierte Instrumente wie Subventionen oder Zuschüsse senken die Produktionskosten von grünem Wasserstoff. Beschleunigte Steuerabschreibungsregelungen für Investitionsausgaben verringern die Steuerlast für die Projektunternehmen in den ersten Betriebsjahren. Diesen Ansatz verfolgt zum Beispiel die IPCEI-Regelung der EU.

An der Nachfrageseite setzen CO2-Preise und -Steuern an. Sie belasten die Emittenten von Treibhausgas und verteuern so die Nutzung fossiler Brennstoffe. Den Einsatz von grünem Wasserstoff macht das relativ gesehen attraktiver. Der EU-Emissionsrechtehandel geht in diese Richtung.

Ebenfalls auf die Nachfrageseite zielen Klimaschutzdifferenzverträge (Carbon Contracts for Difference, CCfDs) ab. Dabei vereinbart – vereinfacht gesagt – eine staatliche Agentur mit Unternehmen, die ansonsten CO2-Emissionszertifikate erwerben müssten, die Nutzung von grünem Wasserstoff zu einem festgelegten Preis. Fällt der Preis für die Zertifikate darunter, zahlt der Staat die Differenz an das Unternehmen. Im umgekehrten Fall führt das Unternehmen die Differenz an den Staat ab. So wird grüner Wasserstoff genauso günstig wie fossile Brennstoffe, und es finden keine Mitnahmeeffekte statt. Bislang werden CCfDs noch nicht für die Wasserstoffwirtschaft eingesetzt. Die europäischen und nationalen Gesetzgeber dürften entsprechende Bestimmungen aber auf den Weg bringen.

Zunehmende Anreize

Gesetzliche Auflagen und Verbote können in besonders CO2-intensiven Bereichen wie der Kraftstoff-, Stahl- und Chemieindustrie einen bestimmten anteiligen Einsatz von umweltfreundlicheren Energieträgern vorschreiben. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II der EU verfolgt diese Stoßrichtung im Verkehrssektor. RED II ist Teil des umfangreichen Gesetzespakets „Fit for 55“ zur Klimapolitik, mit zahlreichen Richtlinien und Verordnungen, die auch die Wasserstoffstrategie betreffen.

Die aktuelle Fassung von RED II legt fest, dass erneuerbare Energien in der EU bis 2030 einen Anteil an der Stromnutzung von 32% haben sollen. Für den Verkehrssektor legt sie einen Zielwert von 14% fest, und sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dies in ihren Gebieten bis 2030 für den Straßen- und Schienentransport sicherzustellen. Die Richtlinie be­stimmt auch Kriterien für Kraftstoffe, die zur Erreichung des Ziels eingesetzt werden können – da­runter grüner Wasserstoff oder Derivate daraus, sogenannte E-Fuels.

Eine verschärfte Neufassung, die vermutlich noch in diesem Jahr in Kraft treten wird, sieht höhere Erneuerbare-Energien-Anteile vor. Weitere, darunter steuerliche, Regelungen erhöhen den Anreiz für Investitionen in sogenannte erneuerbare Kraftstoffe nichtbiologischen Ursprungs, wo­zu auch grüner Wasserstoff zählt. Allerdings sind auch Regelungen geplant, die die Kriterien verschärfen sollen, nach denen Wasserstoff als „grün“ gilt. Werden diese umgesetzt, würden Projekte mit ab 2027 abgeschlossenen Stromlieferverträgen weniger günstige Konditionen aufweisen. Insgesamt aber fördern die bestehenden und geplanten Regelungen die langfristige Entwicklung eines Marktes für grünen Wasserstoff.

Deutschland setzt die EU-Richtlinien im Bundesimmissionsschutzgesetz um. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen aus der Öl- und Gas-Industrie, die CO2-Emissionen ihrer Kraftstoffe schrittweise zu reduzieren, etwa durch Beimischung von Biokraftstoffen oder auch E-Fuels aus grünem Wasserstoff.

Der zeitnahe Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft weckt zunehmend das Interesse institutioneller Anleger. Energiekrise und Klimawandel geben der Nachfrage nach entsprechenden Anlageopportunitäten zusätzlichen Schub. Dabei werden illiquide Investments erheblich an Bedeutung gewinnen, da sie un­verzichtbar für die Finanzierung der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft sind.

Hohes Maß an Commitment

Der bestehende und geplante regulatorische Rahmen zeigt ein hohes Maß an Commitment der staatlichen Akteure, der Wasserstoffwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Finanzinvestoren, die vom enormen Wachstumspotenzial der Technologie profitieren wollen, gibt das ein gewisses Maß an Sicherheit. Gleichwohl müssen sie die weitere regulatorische Entwicklung genau im Auge behalten, da Änderungen im Förderregime die Wirtschaftlichkeit einzelner Projekte signifikant beeinflussen können. Der Umbau in eine CO2-neutrale Wirtschaft bis zum Jahr 2050 hat begonnen. Grüner Wasserstoff wird ein wichtiger Bestandteil hierfür sein, wenn wir dem Klimawandel als Gesellschaft gemeinsam begegnen wollen.