Tausende Stellen in Gefahr
Von Andreas Hippin, London
Wie viele Stellen die Zwangsheirat von UBS und Credit Suisse in der City kosten wird, ist noch nicht klar. Doch die Stimmung vor dem Bürohochhaus am Cabot Square im Londoner Bankenviertel Canary Wharf ist gedrückt. Rund 5 000 Mitarbeiter hat Credit Suisse in Großbritannien. Viele von ihnen arbeiten hier. Manche machen am Montagmorgen ihrer Verunsicherung im Gespräch mit Medienvertretern Luft. Die UBS beschäftigt in Großbritannien 6 000 Menschen. Der Großteil von ihnen ist in der City tätig. Der City-Veteran David Buik, derzeit für den Börsenbetreiber Aquis Exchange tätig, schätzt, dass 2 000 Stellen gestrichen werden. Douglas McWilliams, der stellvertretende Chairman des Centre für Economics & Business Research (CEBR), fürchtet, dass es mehr werden könnten. Nicht nur bei der Credit Suisse: Die letzte Krise sei von einem scharfen Rückgang der Beschäftigung bei den Banken begleitet gewesen, sagte er der Börsen-Zeitung.
„Es ist unvermeidlich, dass ein Merger dieser Art zu weiteren Stellenverlusten führt“, sagte Mark Yallop, der ehemalige Chef der UBS in Großbritannien, der BBC. Er könne sich vorstellen, dass sie sich auf das „riskante Investment-Banking-Geschäft, das zum Teil Ursache der Probleme ist, mit denen das Institut zu tun hat“, sowie auf Back Office, Middle Office, Technologie und andere operative Rollen konzentrieren. Credit Suisse hatte den Mitarbeitern in einer von der „Financial Times“ zitierten Hausmitteilung versichert, Gehälter und ausstehende Boni wie vereinbart zu zahlen. „Wir sind bestrebt, alle Mitarbeiter fair zu behandeln“, heißt es dort. „Jeder Boni-Plan wird sowohl auf der geschäftlichen als auch auf der individuellen Performance basieren.“ Allerdings könne der Schweizer Bundesrat die Zahlungen begrenzen oder anpassen.
„Sicher und solide“
Das Schweizer Vorgehen, die Aktionäre noch zu bedenken, die Eigentümer von AT1-Papieren aber leer ausgehen zu lassen, veranlasste die Bank of England im Tagesverlauf zu einer Klarstellung, was im Falle einer Bankenabwicklung oder -insolvenz in Großbritannien geschehen würde. Es gebe eine „klare gesetzlich festgelegte Reihenfolge“, in der Aktionäre und Anleihengläubiger Verluste übernehmen müssen. Bei der Abwicklung der Silicon Valley Bank UK wurden die AT1- und T2-Instrumente des Instituts komplett abgeschrieben und das Eigenkapital zum symbolischen Preis von einem Pfund an die HSBC übertragen. „AT1-Instrumente rangieren in der Hierarchie vor Kernkapital (CET1) und hinter T2“, heißt es in der Mitteilung der Notenbank. „Die Besitzer solcher Instrumente sollten bei einer Abwicklung oder Insolvenz damit rechnen, entsprechend ihrer Positionen in dieser Hierarchie Verlusten ausgesetzt zu sein.“ Schon vor Markteröffnung hatte die Zentralbank am Montag versichert, das britische Bankensystem verfüge über eine gute Kapitalausstattung, sei gut finanziert und bleibe „sicher und solide“.
Trotzdem gerieten die Aktien britischer Großbanken im frühen Handel teils erheblich unter Druck. „Alle sind nervös,“ sagt McWilliams. „Keiner weiß, wo das nächste Problem auftauchen wird. Die Nervosität ist das Problem.“ Die Aktivität im Bankensektor werde nachlassen, weil die Institute aus aufsichtsrechtlichen Gründen mehr Kapital halten und weniger Kredite vergeben werden. Es werde nicht nur Arbeitsplatzverluste geben, viele City-Mitarbeiter dürften auch keine Boni erhalten. Aus seiner Sicht wird es ein paar Wochen dauern, acht in seinem Basisszenario, bis der Markt wieder liquider wird. „Es bedarf einer ziemlich aktiven Intervention der Notenbanken, um die nötige Zuversicht wiederherzustellen“, sagt McWilliams. Möglich sei, dass kleinere Institute den Schutz größerer suchen, was zu einer weiteren Zunahme der Konzentration im Bankgeschäft führen könnte.
Die von den Zentralbanken zur Verfügung gestellte zusätzliche Dollarliquidität wurde bei der Bank of England nicht abgerufen. Es habe kein Gebot für das Repogeschäft mit siebentägiger Laufzeit gegeben, bestätigte die Bank of England auf Anfrage. Die Turbulenzen um Credit Suisse wirkten sich auf die Zinserwartungen aus. Einer Refinitiv-Umfrage zufolge rechnet die Hälfte der Befragten damit, dass die Bank of England den Leitzins am Donnerstag nicht weiter anheben wird. Anfang des Monats war lediglich ein Zehntel dieser Meinung.