Taxonomie birgt Herausforderungen und Chancen für Immobilieninvestments
Mit der Taxonomie hat die EU ein Klassifikationssystem geschaffen, damit Anleger nachhaltige Investments erkennen können. Die Verordnung bringt Transparenz und Klarheit darüber, was genau ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten sind.
So weit, so gut. Allerdings ist die Auslegung der Verordnung noch in der Umsetzung und deshalb gibt es noch viele offene Fragen in der praktischen Umsetzung. Es fehlen noch immer einheitliche Standards und Regulierungen aus einem Guss. Beispielsweise sind die Beschaffung und Auswertung der für nachhaltige Immobilieninvestments erforderlichen Daten – länderübergreifend, auf Objektebene und über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie hinweg – noch in der Entwicklung. Vieles muss sich in der Immobilienbranche noch bewegen, um die ambitionierten Vorgaben zu erreichen.
Zu welchem Preisaufschlag?
Das birgt Herausforderungen, aber auch Chancen für Transformation und Innovation. Mit Sicherheit wird die Nachfrage nach dem derzeit noch knappen Gut „nachhaltige Immobilie“ steigen – und damit auch die Preise. Vorstellbar sind temporär auch Übertreibungen am Markt. Die Frage ist, bis zu welchem Preisaufschlag Investoren mitzugehen bereit sind oder sich dies leisten können. Würden sie für die Nachhaltigkeit sogar eine Nullrendite akzeptieren? Das wird eine ernsthafte Frage spätestens bei Social-Impact-Investments, denn Nachhaltigkeit ist nicht nur Ökologie.
Welche Bedeutung Nachhaltigkeit und Klimaschutz für die Europäische Union haben, wurde spätestens mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem „Green Deal“ deutlich. So will die EU bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral werden. Deutschland hat sogar noch ambitioniertere Ziele und will bereits bis 2045 die Treibhausgasneutralität erreichen. Die Immobilienbranche hat eine große Verantwortung zum Erreichen dieser Ziele: In der EU entfallen auf Gebäude 36% der Treibhausgasemissionen und 40% des Energieverbrauchs.
Die Taxonomieanforderungen sind sehr umfangreich. Als Maßstab für die Beurteilung von technischen Bewertungskriterien für Investitionen in taxonomiekonforme Immobilien soll die Performance der 15% leistungsstärksten Immobilien des jeweiligen lokalen Markts herangezogen werden. Aber das ist ein Problem, weil die Vergleichsdaten nicht verfügbar sind. Bis das möglich ist, werden „Energy Performance Certificate“-Ratings (EPC) eingesetzt. Objekte mit einem EPC-Rating von „A“ gelten dann als nachhaltig. Die Herausforderung ist also, die Kriterien auch über die Tiefe der Wertschöpfungskette – Mieter, Facility-, Property-, Asset- und Fondsmanager – zu messen.
Die Umsetzung der Anforderungen verlangt viel Know-how und bedeutet Mehraufwand bei Dokumentationen und Objektprüfungen. Es steigt der Anspruch an die Due Diligence in Bezug auf Energieverbrauch und zu eruierende Einsparpotenziale über die Gebäudeoptimierung, aber auch an die objektindividuelle Bewertung von Umweltrisiken und abzuleitenden Gegenmaßnahmen.
Da Investitionen in Immobilien langfristige Projekte sind, wird quasi auf ein bewegliches Ziel hingearbeitet. Denn die Taxonomieanforderungen werden sich perspektivisch weiterentwickeln und tendenziell steigen. Wenn man diesen Maßstab anlegt, dann kann man bereits heute Gebäude identifizieren, die diesen Weg auf Dauer nicht mitgehen können.
Der gesamte Lebenszyklus
Momentan liegt der Taxonomiefokus auf der Energieeffizienz in der Betriebskostenphase und auf dem Klimarisikomanagement. Das ist zwar richtig und wichtig, aber bedeutsam wäre, perspektivisch die Begrenzung von Treibhausgasemissionen im gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu betrachten – von Herstellung, Betrieb und Lieferketten bis hin zu einem Rückbau. Nur so kann im Immobilienbereich das volle Potenzial bei der Bekämpfung des Klimawandels und zur Schonung natürlicher Ressourcen gehoben werden.
Der Neubau eines Gebäudes setzt große Mengen an Energie und CO2 frei, sodass alternative emissionsarme und klimafreundliche Werkstoffe und Herstellungsprozesse notwendig sind. Hier ist die Bauwirtschaft gefragt. Aber gerade beim Gebäudebestand besteht viel Nachholbedarf für ressourceneffiziente Klimaschutzmaßnahmen. Dem Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle zufolge sind von 22 Millionen Gebäuden in Deutschland rund 60% aus energetischer Sicht als unzureichend einzustufen.
Problematisch bei Renovierungen ist, dass selbst umfangreiche Maßnahmen nicht unbedingt die gesamte Immobilie taxonomiekonform machen. Gemäß der Taxonomievorgaben erfolgt eine Qualifizierung lediglich für die investierten Capex (Ausgaben für die jeweiligen Maßnahmen), jedoch nicht für das gesamte Objekt wie bei Neubauten.
Es ist davon auszugehen, dass die Attraktivität von zertifizierten Core-Produkten auf dem Immobilienmarkt steigt und vermehrt auf Nachhaltigkeitszertifikate wie DGNB, LEED und BREEAM geschaut wird. Sicherlich sind unabhängige Zertifizierungen Signalgeber für Investoren und Nutzer. Eine Schwierigkeit ist die fehlende Vergleichbarkeit der Zertifikate, was ein Benchmarking von Immobilien verhindert. Es muss das Ziel der Immobilienwirtschaft sein, einen ganzheitlichen Ansatz zu erreichen. Mit dem „ESG Circle of Real Estate“ (kurz ECORE) zum Beispiel befindet sich ein neuer europäischer Branchenstandard in der Pilotierungsphase zur Messung der Nachhaltigkeitsperformance von Immobilien und Portfolios.
Stärkere Zielvorgaben
Manager von Fonds werden sich stärkere Zielvorgaben für den Anteil taxonomiekonformer Investments setzen. Allerdings werden sie nicht sofort komplett auf Taxonomiekonformität einschwenken, so lange die Taxonomie noch in der Entwicklung ist und beispielsweise die Komponente der sozial nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten noch auf ein Mindestniveau reduziert ist.
Bei Investments werden standortabhängige Klimarisiken zunehmend den Suchradius für Investitionen beeinflussen. Das wird tendenziell zu einem Nachfragerückgang in negativ exponierten Lagen führen und Risikoprämien für Immobilien in besonders stark vom Klimawandel betroffenen Regionen werden ansteigen. Darüber hinaus werden sich Anpassungen an den Klimawandel und Energieeffizienzmaßnahmen sowie Nachhaltigkeitsrisiken zunehmend in höheren Kaufpreisen von Immobilien widerspiegeln. Gleichzeitig dürften sich taxonomiekonforme Bauten sowie nachhaltige Baustoffe weiter verteuern aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit. Perspektivisch wird auch das Core-Segment von Immobilien kleiner, weil neben der Lage zusätzliche Kriterien hinzukommen dürften.
Einheitlichkeit vonnöten
Die EU-Taxonomie schafft wichtige Anreize, Kapitalflüsse nachhaltiger zu gestalten, wird sich aber weiterentwickeln müssen. Es bedarf einheitlicher Regulierungen auf Ebene der EU, der Länder und Aufsichten, aber auch kluger Strategien für Anpassungen der Portfolios und Bestände, um nicht in einen Engpass hineinzulaufen. Denn die Angebotsstruktur ändert sich nicht von heute auf morgen. Der Immobiliensektor braucht Zeit, um mit neuen einsetzbaren Technologien in die Nachhaltigkeit hineinzuwachsen.
Kurzfristig dürfte die Renditekompression weiter zunehmen – besonders bei nachhaltigen Immobilien. Die Frage müsste also lauten: Wie soll man heute investieren, um Nachhaltigkeit und eine vernünftige Rendite zu verbinden? Darauf eine Antwort zu finden, und diese vor allem umzusetzen, wird die große Herausforderung sein, der man sich stellen muss. Das gesamte Thema der Dekarbonisierung und insgesamt der Nachhaltigkeit wird unsere Wirtschaft und Gesellschaft nennenswert verändern und insbesondere Innovationen sowie neue Denkweisen benötigen, um zum Ziel zu kommen.