Orcel spielt auf Zeit

Unicredit rechnet mit zähem Ringen um die Commerzbank

Unicredit-Chef Andrea Orcel spielt im Übernahmepoker der Commerzbank auf Zeit und bekräftigte am Mittwoch, dass er die Beteiligung zunächst als reines Investment sieht. Für die Entscheidung über eine mögliche Fusion der beiden Großbanken will er sich bis zu 12 Monate Zeit nehmen.

Unicredit rechnet mit zähem Ringen um die Commerzbank

Commerzbank muss weiter bangen

Unicredit will sich für die Entscheidung über eine Fusion Zeit lassen – Weiteres Investorengespräch in Kürze geplant

Der deutsch-italienische Übernahmekrimi wird in Zeitlupe gedreht. Unicredit-Chef Andrea Orcel bekräftigte am Mittwoch, dass er die Commerzbank-Beteiligung zunächst als reines Investment sieht. Für die Entscheidung über eine mögliche Fusion der beiden Großbanken will er sich bis zu 12 Monate Zeit nehmen.

Von Gerhard Bläske, Mailand und Anna Sleegers, Frankfurt

Aktionäre, Kunden und Belegschaft der vom italienischen Wettbewerber Unicredit bedrängten Commerzbank müssen sich auf eine Hängepartie einstellen. Die Hoffnung, dass es anlässlich der Vorstellung der Quartalszahlen der beiden Institute am Mittwoch mehr Klarheit geben würde, erstickte Andrea Orcel im Keim. Der Unicredit-Chef ließ offen, ob es „möglicherweise“ zu einem vollständigen Zusammenschluss kommt. Es werde Zeit brauchen und viele Diskussionen, bis es zu einer endgültigen Entscheidung komme, sagte Orcel und ergänzte, dass dies bis zu einem Jahr dauern könne.

Unicredit stellt Komplementarität der beiden Institute heraus

„Unsere tägliche Priorität bleibt unser Engagement, unsere unangefochtene Führungsposition in diesem Sektor auszubauen und unsere Ambitionen für organisches Wachstums zu verwirklichen“, so der Unicredit-Chef. In einer anlässlich der Zahlen erstellten Präsentation rührt das Institut jedoch kräftig die Werbetrommel für das Vorhaben. So hebt die betreffende Passage die „Komplementarität“ und den ähnlichen Ansatz beider Institute heraus.

Zugleich zielt die Unicredit offenbar darauf ab, Bedenken auf der deutschen Seite auszuräumen. Das Projekt sei strategisch und finanziell gerechtfertigt und trage zu einer Beschleunigung des Wachstums bei, heißt es in der Unicredit-Präsentation. Das habe das Beispiel der HVB demonstriert. Die HVB sei deutlich wachstums- und ertragsstärker als die Commerzbank. Das Engagement der Unicredit in italienischen Staatsanleihen sei mit etwa 5% aller Assets bei einer Fälligkeit von durchschnittlich vier Jahren gering. Außerdem wird auf das jüngst erfolgte Upgrade der Ratingagentur Fitch sowohl für die Unicredit als auch für die HVB (von „BBB+“ auf „A−“) hingewiesen.

Orcel verspricht konstruktiven Umgang mit Arbeitnehmervertretern

Orcel räumte ein, dass eine Übernahme der Commerzbank personalpolitisch „einige schwierige Entscheidungen notwendig“ machen würde. Die Unicredit sei jedoch bekannt dafür, diese in konstruktiver Weise mit den Arbeitnehmervertretern zu lösen. Die Mitarbeiterzahl bei der HVB ist seit deren Übernahme durch die Unicredit 2005 auf unter 10.000 und damit etwa auf ein Drittel der damaligen Zahl reduziert worden. Doch auch die Commerzbank hat in dieser Zeit im großen Stile Stellen gestrichen.

Der Unicredit-Chef unterstrich, dass die Investition in die Commerzbank „Optionen“ biete und abgesichert sei. Bis auf Weiteres sieht Orcel die Beteiligung als reines Investment. Laut Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp hat der neue Großaktionär um ein weiteres Investorengespräch gebeten, in das auch die Ergebnisse des dritten Quartals einfließen sollen. Diesem Wunsch werde sie selbstverständlich nachkommen.

Aktienkurse unter Druck

Während Unicredit nach einem neuerlichen Rekordergebnis im dritten Quartal die Prognosen erhöhte, bewegte sich die Geschäftsentwicklung bei der Commerzbank im Rahmen der Erwartungen. An der Börse gehörten beide Titel zu den Verlierern. Mit nur noch 16,10 Euro entfernt sich die Commerzbank zusehends von dem Kursniveau von 19 bis 20 Euro, auf dem sie nach Einschätzungen von Analysten zu teuer wäre, um als Übernahmekandidat für die Unicredit attraktiv zu sein.

Orlopp bekräftigte am Mittwoch, dass sie die Avancen aus Italien als unfreundlich einstuft. „Wer eine freundliche Übernahme anstrebt, würde sich zunächst mit dem Wunschpartner an einen Tisch setzen und die Pläne besprechen“, so die Commerzbank-Chefin. Dies habe die Unicredit jedoch unterlassen, als sich das Institut im Zuge des Anteilsverkaufs durch den Bund im September de facto an die Commerzbank herangeschlichen hat.

Mehr Zeit für die Kurspflege

Für die um Eigenständigkeit bemühte Commerzbank muss es nicht von Nachteil sein, wenn Orcel die Entscheidung vor sich herschiebt. Der effektivste Weg, die Offerte abzuwehren, wäre eine signifikante Steigerung der Börsenbewertung, die aktuell deutlich unter Buchwert liegt. Dem will das Institut durch eine betont investorenfreundliche Kapitalrückgabepolitik begegnen. So soll am bereits am Donnerstag der Rückkauf eigener Aktien im Wert von 600 Mill. Euro beginnen. Der Antrag auf einen weiteren Rückkauf im Volumen von 400 Mill. Euro sei bei der EZB beantragt.