Vom Risikomanager zum Portfoliostrategen
Vom Risikomanager zum Portfoliostrategen
Helaba-Vorständin Weiss stellt Paradigmenwechsel im Kreditgeschäft fest – Konzentration auf Einzelengagement erweist sich als unzureichend
Die Zeiten, in denen sich die Arbeit des Risikomanagers in der Prüfung des Einzelkredits erschöpfte, gehören nach Überzeugung von Helaba-Vorstandsmitglied Tamara Weiss der Vergangenheit an. Vielmehr gehe es darum, als Risikomanager ein ganzes Potpourri von Faktoren und Risiken im Blick zu halten.
fed Frankfurt
Für Risikomanager sei der Blick auf das einzelne Engagement auch in Zukunft zwar nicht überflüssig, aber eben auch nicht hinreichend – davon zeigte sich Tamara Weiss, seit einem Jahr Chief Risk Officer der Landesbank Hessen-Thüringen, anlässlich des Symposiums „Kreditgeschäft der Zukunft“ von Börsen-Zeitung und PwC in Frankfurt überzeugt. Denn im Risikomanagement habe sich in den Jahren seit der Finanzkrise, die in besonderer Weise von geopolitischen Krisen und globalen Problemen geprägt waren, ein Paradigmenwechsel vollzogen.
Ständige Umbrüche
Weiss verwies auf ständige Umbrüche und kritische Situationen – von schnell steigenden Flüchtlingszahlen Mitte des vergangenen Jahrzehnts über den Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union bis hin zur Corona-Pandemie. Eine „simple Buy-and-hold-Strategie“ sei weder eine Antwort auf diese disruptiven Momente noch auf kontinuierliche Entwicklungen wie Digitalisierung oder auch Klimawandel, die eine ständige Überprüfung des eigenen Portfolios erforderlich machten.
Weiss zufolge müsse ein Risikomanager auch berücksichtigen, dass sich regulatorische Anforderungen heute viel rascher verändern als in früheren Zeiten. „Früher galten Vorgaben für viele Jahre, heute ist das nicht mehr so“, argumentierte die Vorständin. Und seit der Reform der Kapitalanforderungen mit der Einführung des Output-Floors müssten Risikomanager zudem stärker darauf achten, welche Assets mit wie viel Eigenkapital unterlegt werden müssten.
Mehr als nur finanzielle Risiken
Last but not least sei das finanzielle Risiko, das mit einem Engagement einhergehe, nur noch eines von vielen, die volle Aufmerksamkeit erforderten. Daneben trete – gerade in einer digitalen Medienlandschaft – das Reputationsrisiko, das Compliance-Risiko, das Risiko von Cyber-Attacken, das Risiko einer im Belastungsfall doch nicht robusten Informationstechnik und mittlerweile sogar die mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz verbundenen Gefahren. Das alles seien zwingende Gründe, um den traditionellen Risikomanagement-Ansatz zu überdenken und anzupassen.
Vom Risikomanager zum Strategen
Im Firmenkundengeschäft beispielsweise müssten Kreditgeber einkalkulieren, dass die Transformation von Kreditkunden sehr kapitalintensiv werden könne. Es sei entscheidend, Transformationspfade konsequent im Portfoliomanagement zu verankern – und zugleich die Mitarbeiter in den Kreditabteilungen bei der Neuaufstellung des Risikomanagements mitzunehmen. Um den Blick für die viel breitere Palette an Risiken zu behalten, müssten sich Risikomanager zu umfassend gebildeten Strategen entwickeln, für die statt des Einzelkredits das Portfoliomanagement im Zentrum stehe.
Künstliche Intelligenz, so die Einschätzung von Weiss, könne dazu beitragen, Prozesse effizienter zu gestalten. Aber selbst bei der Kreditbearbeitung stoße KI nach ihrer Überzeugung an Grenzen. "Der Faktor Mensch bleibt wichtig“, unterstrich die Landesbankerin, die vor ihrem Wechsel zur Helaba mehr als 20 Jahre in Diensten der LBBW stand. Deshalb stehe sie auch der Idee, Künstliche Intelligenz flächendeckend einsetzen zu wollen, bislang noch kritisch gegenüber.