Versicherer

Wachsender Widerstand gegen Bain Capital

Bain hat mit ihrem Angebot für LV= in ein Hornissennest gestochen. Britische Politiker jeglicher Couleur zeigten sich besorgt über die drohende Umwandlung des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit.

Wachsender Widerstand gegen Bain Capital

hip London

– Spätestens mit dem Einstieg von Michael Heseltine hat der Streit um den 530 Mill. Pfund schweren Kauf des Versicherers LV= (zuvor: Liverpool Victoria) durch Bain Capital die große Politik er­reicht. Der US-Finanzinvestor bietet den rund 1,2 Millionen Mitgliedern des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit – also Kunden, die Lebensversicherungen oder andere Produkte erworben haben, – 100 Pfund pro Nase. Die knapp 300000 Mitglieder, deren Policen eine Gewinnbeteiligung vorsehen, sollen mehr erhalten. Mit seinen 5700 Mitarbeitern und mehr als 5 Millionen Kunden gilt LV= als einer der größten Versicherer Großbritanniens.

„Wir können nicht mit Sicherheit sagen, was die Absichten von Bain Capital sind“, schrieb Margaret Thatchers­ Verteidigungsminister in einem Gastbeitrag für die „Daily Mail“. „Aber wir wissen, dass sie nicht gemeinnützig sein werden.“ Er sprach von „30 Silberlingen“, einem „beleidigenden und unehrenhaften“ Angebot für eine Gesellschaft, die Teil des kulturellen Erbes des Landes sei. Auch Margaret Hodge (Labour) und die Tory-Oberhausabgeordnete Ros Altmann äußerten sich besorgt. Die Finanzaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) hatte bereits signalisiert, dass sie keine Einwände gegen den Deal habe. Das Management argumentiert, dass sich das Unternehmen nicht weiter verschulden und deshalb nicht ausreichend in das Geschäft investieren könne, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bliebe alles so, wie es ist, müssten die Mitglieder niedrigere Renditen in Kauf nehmen. Deshalb sei ein Verkauf an den höchsten Bieter die beste Option.

Der Labour-Unterhausabgeordnete Gareth Thomas, der einer überparteilichen Parlamentariergruppe vorsitzt, die sich mit genossenschaftlichen Unternehmen beschäftigt, forderte die Offenlegung von Details der Übernahmeverhandlungen. Medienberichten zufolge soll Royal London, ebenfalls ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, 10 Mill. Pfund mehr geboten haben als Bain. Die Aufsicht müsse auch transparent machen, ob CEO Mark Hartigan und Chairman Alan Cook profitieren würden, wenn sich Bain durchsetzt. Solange den Mitgliedern die Einzelheiten nicht bekannt seien, könnten sie keine informierte Entscheidung über das Angebot treffen. Bis zum 10. Dezember müssen sie ihre Stimme abgeben. Der Satzung zufolge müssen 50% an der Abstimmung teilnehmen. Drei Viertel von ihnen müssten sich für die Umwandlung aussprechen, um sie durchführen zu können. Eines der Mitglieder, Duncan McGibbon, ein Lehrer im Ruhestand, hat bei Change.org eine Petition gestartet, in der die FCA und die Bankenaufsicht PRA (Prudential Regulation Authority) dazu aufgefordert werden, den Verkauf an Bain zu stoppen. Bislang gibt es allerdings erst 714 Unterzeichner, obwohl der „Guardian“ wohlwollend darüber berichtet hatte.

Start mit „Penny Policies“

Liverpool Victoria wurde 1843 eingerichtet und bot „Penny Policies“ für Arbeiterhaushalte und die untere Mittelschicht der britischen Hafenstadt. Versicherungsvertreter gingen regelmäßig von Tür zu Tür und sammelten die Beiträge ein. Oft sparte man für eine ordentliche Be­stattung, um ein Armenbegräbnis zu vermeiden. „Am meisten zählte, dass es kein Geschäft war, das ausschließlich dazu betrieben wurde, Gewinn zu erwirtschaften“, schrieb Heseltine. „Die arbeitenden Armen kümmerten sich um sich selbst, statt zuzulassen, dass sie ausgebeutet werden.“