Versicherungskunden

Wegen Krisen verliert Nachhaltigkeit an Bedeutung

Angesichts der aktuellen Krisen hat Nachhaltigkeit für Versicherungskunden eine geringere Bedeutung als Ende 2021, zeigt eine Umfrage. Doch noch immer ist fast die Hälfte bereit, mehr für ESG-konforme Produkte zu bezahlen.

Wegen Krisen verliert Nachhaltigkeit an Bedeutung

Anhaltender Krieg in der Ukraine, Teuerungsraten auf Rekordniveau und Sorgen um eine Energiekrise – diese Krisenthemen führen offenbar dazu, dass das Thema ESG für Versicherungskunden derzeit einen geringeren Stellenwert hat als Ende des vergangenen Jahres. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Simon-Kucher zum Themenkomplex ESG, also den Bereichen Environmental, Social und Governance – auf Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Dabei wurden rund 1000 Frauen und Männer in Deutschland im Alter zwischen 18 und 70 Jahren befragt.

Weniger Zahlungsbereitschaft

Eine von vielen interessanten Erkenntnissen: 50% der Befragten ist es, wenn sie in Zukunft eine Versicherung abschließen, wichtig, dass das jeweilige Versicherungsprodukt ESG-konform ist. Seit der letzten ESG-Umfrage von Simon-Kucher im November 2021 ist der Wert damit um knapp 8 Prozentpunkte gesunken. Auch die Bereitschaft, mehr Geld für ESG-konforme Versicherungsprodukte zu zahlen, ist in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Sie sank um 5 Prozentpunkte auf 47%.

Unter dem Strich bedeutet das aber auch, dass ESG für jeden zweiten Versicherungskunden beim Vertragsabschluss wichtig bleibt und knapp die Hälfte der Versicherungskunden bereit ist, für ESG-konforme Versicherungsprodukte mehr Geld auszugeben. Interessanterweise ist die Zahlungsbereitschaft bei denjenigen, die jünger sind als 30 Jahre, höher als bei der Gesamtheit der Befragten. 67% der unter 30-Jährigen sind gewillt, mehr für Versicherungsprodukte zu bezahlen, die ESG-konform sind. Versicherer können es sich deshalb nichtleisten, das Thema ESG zu vernach­lässigen – im Gegenteil.

Kunden mit ESG binden

Auch wenn der Megatrend infolge der aktuellen Krisen in der Wahrnehmung der Menschen einen Dämpfer bekommen hat, bietet die Fokussierung auf dieses Thema für Versicherer nach vor die Möglichkeit, Kunden, denen ESG wichtig ist, an sich zu binden. Die Ansätze, dieses Potenzial für das eigene Unternehmen zu heben, reichen dabei von ESG-konformen Versicherungsprodukten über nachhaltige Vertriebsmodelle bis hin zu Partnern für die Schadensregulierung, die nach ESG-Kriterien verifiziert sind.

Die Sensibilität für das Thema Nachhaltigkeit ist jedenfalls immer noch hoch. 36% der Versicherungskunden gaben bei der ESG-Umfrage von Simon-Kucher an, dass die zunehmende Zahl an Naturkatastrophen – wie die Überflutungen im Ahrtal im vergangenen Jahr – dazu geführt hat, dass sie sich jetzt stärker mit dem Thema ESG beschäftigen.

Für die meisten haben die drei Faktoren von ESG dabei den gleichen Stellenwert: 61% der Befragten empfinden alle ESG-Dimensionen als gleich wichtig. 17% sprechen dem Faktor „Social“ mehr Bedeutung zu, und für jeweils 11% der Befragten haben die Dimensionen „Environmental“ und „Governance“ eine höhere Priorität.

Die hohe Sensibilität in puncto ESG äußert sich aber auch noch in einem anderen Wert: 71% der Befragten ist es wichtig, dass die Versicherer die erhaltenen Prämien nachhaltig investieren.

Wollen Versicherer die Gruppe der ESG-interessierten Versicherungskunden an sich binden, ist Greenwashing allerdings unter allen Umständen zu vermeiden. Zumal die Umfrage zeigt, dass Versicherer ein Imageproblem im Bereich ESG haben, wenn auch nur ein kleines. Tendenziell sind Kunden bei Versicherern misstrauischer in puncto Nachhaltigkeit. Unternehmen außerhalb der Versicherungsbranche hingegen genießen ein größeres Wohlwollen, wenn es darum geht, dass Verbraucher von ihrer ESG-Konformität überzeugt sein sollen.

Kommunikation entscheidend

Was bedeutet das für Versicherer? Für nachhaltige Versicherungsprodukte und auch Services wie die Zusammenarbeit mit nachhaltig arbeitenden Partnern – zum Beispiel mit ESG-konformen Werkstätten – sind extensive Kommunikationsbemühungen und Maßnahmen erforderlich, damit diese als ESG-konform wahrgenommen werden. Dazu eine weitere Zahl aus der ESG-Umfrage: 78% der Befragten glauben Versicherern, dass sie ESG-konform sind, wenn die ESG-Faktoren von ihnen konsequent kommuniziert und dokumentiert werden. Hier transparent und glaubhaft zu sein, ist für Versicherer deshalb besonders wichtig.

Kanalübergreifender Kontakt

Um Kunden von ihren ESG-konformen Versicherungsprodukten zu überzeugen, ist ein kanalübergreifendes Konzept die unabdingbare Basis für den Erfolg. Die Zeiten sind vorbei, in denen es genügte, dass Versicherungsagenten oder Call-Center-Mitarbeiter die Versicherungskunden von den Vorteilen des Produktes überzeugten. Der Umfrage zufolge reichen 89% der Versicherungskunden persönliche oder telefonische Aussagen zur Unterstützung der Informationsbeschaffung nicht aus. Der Anteil derjenigen, denen das nicht mehr genügt, ist damit seit November des vergangenen Jahres um 6 Prozentpunkte gestiegen.

Entscheidungshilfen

Die Customer Journey des Kunden hat sich verändert – und diese Entwicklung hat sich während der Corona-Pandemie beschleunigt. Dem sollten die Versicherer Rechnung tragen. So gaben 52% der Befragten in der ESG-Umfrage von Simon-Kucher an, dass ihnen eine Homepage mit Informationen bei der Entscheidungsfindung helfen würde – ein Plus von 4 Prozentpunkten im Vergleich zum November vergangenen Jahres. 37% empfinden Bilder und Statements im Prospekt als unterstützend – ein Zuwachs von 6 Prozentpunkten. Und 22% der Befragten schätzen Videos als hilfreich ein, was ein Plus von 3 Prozentpunkten ausmacht.

Auf die Probe gestellt

Fazit: Durch die aktuellen Krisen wird der Trend zu Nachhaltigkeit zwar auf die Probe gestellt. Nach wir vor ist das Thema ESG aber für einen großen Teil der Versicherungskunden wichtig. Diese können Versicherer nur für sich gewinnen, wenn sie ausreichende Kommunikationsmaßnahmen ergreifen, damit ihre Versicherungsprodukte und Services als ESG-konform wahrgenommen werden.

Eine kanalübergreifende Ansprache ist dabei wichtiger denn je. Denn Kunden legen mehr Wert auf eine Pluralität der Kommunikationsmöglichkeiten. Beachten Versicherer diese geänderten Bedürfnisse der Kunden, haben sie die Chance, nachhaltig am Wachstumspotenzial des Trends Nachhaltigkeit zu partizipieren.