„Das Problem der Bundesfinanzen ist die strukturelle Unwucht“
BZ: Herr Dr. Bury, der Bundestag berät in dieser Woche den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 und den Nachtragsetat 2024. Kurz vor der Sommerpause hat die Bundesregierung eine Einigung für die milliardenschwere Haushaltslücke präsentiert. Sind die Schecks noch immer ungedeckt?
Das sind sie. Neben der bekannten Lücke von 12,5 Mrd. Euro klaffen in den Haushalten der einzelnen Ministerien und in den Sondervermögen weitere Lücken. Hinzu kommt, dass die Ampel konjunkturbedingte Mehreinnahmen einrechnet, von denen heute keiner weiß, ob es sie wirklich geben wird. Nimmt man das alles zusammen, landen wir bei einer Lücke von mehr als 50 Mrd. Euro nur für das Jahr 2025. In der Finanzplanung bis 2028 kommt noch ein Fehlbetrag von über 70 Mrd. Euro hinzu.
BZ: Eine Lockerung der Schuldenbremse ist für viele in der Ampel-Koalition eine Option. Auch Ministerpräsidenten der CDU sind dafür. Bleibt die Unionsfraktion im Bundestag bei der Ablehnung?
Die Haushaltsvolumina in 2024 und 2025 liegen mit 488 Mrd. Euro im Bundeshaushalt und mehr als 550 Mrd. Euro, wenn man alle Sondervermögen einrechnet, über denen der Corona-Krisenhaushalte. Das Problem der Bundesfinanzen ist die strukturelle Unwucht. Es sind nicht die mangelnden Mittel. Die Unwucht entsteht unter anderem daraus, dass unsere Sozialsysteme nicht ausreichend demographiefest sind. Dieses Problem müssen wir lösen. Diejenigen, die einfach die Schuldenbremse lockern wollen, wollen sich genau davor drücken. Darum ja: Die Unionsfraktion steht zur Schuldenbremse in ihrer heutigen Form.
BZ: Wie stehen Sie zu neuen kreditfinanzierten Sondervermögen? In der SPD gibt es Stimmen für ein Sondervermögen für Sicherheit. Industrie und Gewerkschaften fordern im Schulterschluss ein Sondervermögen zur Infrastrukturfinanzierung.
Aus seinen laufenden Einnahmen muss ein Staat zuallererst seine Kernaufgaben auskömmlich finanzieren – und wenn ein Staat eine Kernaufgabe hat, dann ist es, die äußere und innere Sicherheit zu gewährleisten. Alles andere kommt danach. Immer mehr Kernaufgaben mit Schulden außerhalb des eigentlichen Haushaltes finanzieren zu wollen ist der Offenbarungseid dafür, dass man unfähig ist, im Haushalt Prioritäten zu setzen. Investitionen scheitern übrigens meist an den langwierigen Genehmigungsverfahren und nicht an mangelnder Finanzierung, das zeigen alleine die Mittel, die etwa das Verkehrsministerium jedes Jahr zur Verfügung hat, aber nicht verausgabt bekommt.
BZ: Die europäischen Fiskalregeln sind reformiert und scheinen strenger als erwartet. Die EU-Kommission muss demnach einige Defizitverfahren anstrengen, Deutschland weitere Konsolidierungsschritte gehen. Welche Erwartungen haben Sie an die EU-Kommission?
Das neue Regelwerk steht und fällt damit, dass die EU-Kommission die stärkere Rolle und Verantwortung, die sie jetzt für die haushaltspolitische Stabilität in der EU hat, auch ausfüllt – und zwar unabhängig davon, welchen Mitgliedsstaat es betrifft. Ursula von der Leyen hat deutlich gemacht, dass die EU-Kommission dieser Verantwortung nachkommt.
BZ: Konsolidierungsvorgaben aus Brüssel müssen in Deutschland vom Gesamtstaat getragen werden. Es gibt kein Verfahren zwischen Bund und Ländern, wer welche Lasten trägt. Wie eilig ist eine Regelung und wie müsste es aussehen?
Wir haben ein Verfahren. Die Schuldenbremse ist in ihrer jetzigen Form so ausgestaltet, dass die europäischen Vorgaben gesamtstaatlich eingehalten werden. Das setzt aber voraus, dass der Bund die Schuldenbremse auch tatsächlich einhält und nicht mit allerlei Tricks umgeht. Auch deshalb ist es höchste Zeit, den Bundeshaushalt wieder in geregelte Bahnen zu lenken.