FOKUS EU-Parlament: Sorgen vor einer aktiven Rolle von Rechts-Außen
Unter den bürgerlichen Parteien im EU-Parlament geht die Sorge um, dass sich die Abgeordneten der Rechts-Außen-Parteien im EU-Parlament in der neuen Legislaturperiode offensiver um aktive Rollen in Gesetzgebungsverfahren bemühen werden. So mutmaßen Abgeordnete der Parteien der Mitte, die mehrfache französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen werde darauf dringen, dass sich die künftig 30 Europaabgeordneten ihrer Partei, des Rassemblement National, deutlich stärker als bislang als Berichterstatter oder mindestens als Schattenberichterstatter engagieren sollen, um die rechtsextreme Partei als mitgestaltende, bürgerliche politische Kraft zu profilieren – und das Image der bloßen Protestpartei abzulegen. Le Pens maßgebliche Rolle beim Ausschluss der deutschen AfD aus der rechtsextremen Parteienfamilie ID (Identität und Demokratie) wegen der den Nationalsozialismus verharmlosenden Äußerungen von AfD-Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah und des mehr als zweifelhaften Standpunkts der AfD in der Debatte über „Remigration“ hat diese Spekulationen ebenso befeuert wie die jüngsten Bemühungen um einen Schulterschluss zwischen dem Rassemblement National und Les Republicains in Frankreich.
Bisher so gut wie nie Berichterstatter
In der zurückliegenden Legislaturperiode haben Abgeordnete des ID-Parteienbündnisses fast in keinem Dossier der Gesetzgebung federführende Aufgaben übernommen. So haben die Rechts-Außen-Parteien so gut wie keine Berichterstattung übernommen – einerseits weil die bürgerlichen Parteien dies im Sinne der Abgrenzung gegen rechts („cordon sanitaire“) verhindert haben, andererseits weil die rechten Parteien gar kein Interesse daran angemeldet haben. So berichten Vertreter bürgerlicher Parteien, dass Mitglieder der ID-Familie selten als Schattenberichterstatter an den Absprachen mit den Vertretern anderer Parteien teilgenommen haben und sogar den Runden der Koordinatoren öfter ferngeblieben sind.
Zu den ganz wenigen Ausnahmen zählen weitgehend technische Vereinbarungen, etwa im Zusammenhang mit dem Datenaustausch im Zuge des europäisch-japanischen Handelsabkommens: in diesem Fall war Danilo Oscar Lancini Berichterstatter. Lancini ist Europaabgeordneter der italienischen Lega, die gemeinsam mit dem Rassemblement National, der österreichischen FPÖ, dem belgischen Vlaams Belang sowie jeweils einem Vertreter von Rechtsparteien in Dänemark, Estland und Tschechien das Parteienbündnis ID bilden. Mit dazu gehört auch die niederländische Partij voor de vrijheid des Europakritikers und Islamgegners Geert Wilders, die in der zurückliegenden Legislatur keinen Sitz im EU-Parlament hatte, die aber bei den Europawahlen 2024 sechs Sitze erringen konnte.
Ungewissheit über rechte Bündnisse
Noch ist unklar, wie sich Europas Rechte im neuen EU-Parlament formieren wird. Wie schon häufiger in der Vergangenheit gibt es auch nach dieser Europawahl Aufrufe, ein großes Bündnis rechts der Mitte zu schmieden – und auch in der vergangenen Woche liefen wieder Nachrichten über Zusammenkünfte zwischen Spitzenvertretern rechter Parteien um. So berichtete der Online-Dienst „Politico“ über ein mehrstündiges Treffen in Brüssel, an dem Le Pen (Rassemblement National), Matteo Salvini (Lega) und Wilders (Partij voor de vrijheid) sowie Vertreter aus Dänemark, Portugal, Belgien, Tschechien und Österreich teilgenommen haben sollen.
Von den 720 Sitzen im EU-Parlament haben der Rassemblement National 30, die Brüder Italiens von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni 24 und die polnische PiS 20 Sitze errungen. Die AfD bringt es auf 15 Sitze, die ungarische Fidesz von Premier Viktor Orbán auf 11. Daneben zählen die italienische Lega (8), die niederländische Partij voor de Vrijheid (6), die österreichische FPÖ (6) und die spanische Vox (6) zum Rechtsaußen-Block. Bislang waren einige davon in der Parteienfamilie EKR (Europäische Konservative und Reformer), andere in der ID (Identität und Demokratie) und wieder andere überhaupt nicht verbündet. Die AfD bemüht sich aktuell, durch den Rauswurf von Spitzenkandidat Maximilian Krah wieder Anschluss an die ID zu finden.