InterviewEvelyn Regner, SPÖ

Fünf Fragen an Evelyn Regner

Die EU-Parlamentarierin Evelyn Regner beurteilt den geplanten „Omnibus“-Vorstoß der EU-Kommission sehr kritisch. Was die EU-Behörde als Bürokratieabbau bezeichne, sei eine Flucht aus Verantwortung.

Fünf Fragen an Evelyn Regner

INTERVIEW: Evelyn Regner

„Eine Ohrfeige für das Parlament"

Die SPÖ-Europaabgeordnete über das geplante „Omnibus“-Paket zum Abbau von Bürokratie

Die österreichische EU-Parlamentarierin Evelyn Regner beurteilt den in den nächsten Tagen geplanten „Omnibus“-Vorstoß der EU-Kommission sehr kritisch. Was die EU-Behörde als Bürokratieabbau bezeichne, sei eine Flucht aus Verantwortung. Regner hält den Vorschlag auch für wirtschaftlich schädlich.

In wenigen Tagen präsentiert die EU-Kommission ein „Omnibus“-Paket zum Bürokratieabbau. Was halten Sie davon?

Ich kann „Omnibus“ nichts Gutes abgewinnen. Natürlich kann vernünftigerweise niemand gegen den Abbau von unnötiger Bürokratie sein, denn wer möchte schon ein kompliziertes Leben haben. Aber das, was die EU-Kommission als Bürokratieabbau bezeichnet, ist die Flucht aus Verantwortung.

Inwiefern?

Die EU-Kommission nimmt sich zunächst einmal drei Gesetze vor: das EU-Lieferkettengesetz CSDDD, die Nachhaltigkeit-Reporting-Regeln CSRD und die Taxonomie. Es geht dabei um unternehmerische Verantwortung. Schließlich ist der Kern dieser Vorgaben und insbesondere des Lieferkettengesetzes – das ich im Sozialausschuss mitverhandelt habe –, dass Unternehmen Verantwortung wahrnehmen für das, was sie produzieren. Nun soll dieses beschlossene Recht nicht umgesetzt, sondern quasi weggekippt werden.

Das ärgert Sie?

Ich fühle mich als EU-Parlamentarierin verhöhnt. Demokratie heißt, dass die Hüterin der Verfassung, die EU-Kommission, Vorschläge unterbreitet und wir als Rat und Parlament daraus ein Gesetz machen. Nun soll ein Ergebnis, das einigen wenigen nicht passt, einfach gekippt werden. Diesen Vorgang Bürokratieabbau zu nennen, ist eine Farce. „Omnibus“ ist eine Ohrfeige für das EU-Parlament. Und übrigens: Ich halte den Vorstoß der EU-Kommission auch für wirtschaftlich schädlich.

Wieso?

Die EU steht weltweit immer für Qualität. Verbraucher:innen haben Vertrauen in EU-Produkte. Dieses Vertrauen schädigen wir nachhaltig, wenn wir hier die Axt anlegen. Also auch aus unternehmerischer Sicht ist das „Omnibus“-Vorhaben nachteilig. Unternehmen, die vorbildlich bereits angefangen haben, ihre Aktivitäten an die neuen Gesetze anzupassen, werden jetzt dafür bestraft. Dabei sollten wir doch genau diese Unternehmen mit Rechtssicherheit für ihr Verantwortungsbewusstsein belohnen. Zudem schwindet die Planungssicherheit für die Unternehmen, wenn vieles wieder verändert wird.

Eines Ihrer Schwerpunktthemen ist Steuergerechtigkeit. Die bisherige EU-Kommissarin Margrethe Vestager ist mit den Instrumenten des Wettbewerbsrecht aktiv gegen aggressive Steuervermeidung vorgegangen. Was erwarten Sie von der neuen EU-Kommission?

Für Wettbewerb ist nun Teresa Ribera zuständig. Und ich bin überzeugt, dass auch sie sehr engagiert den Kampf gegen aggressive Steuervermeidung führen wird. Natürlich ist das internationale Umfeld – Stichwort: Trumps Ausstieg aus der globalen Mindeststeuer – besorgniserregend. Zudem bin ich nicht naiv und muss damit leben, dass in der EU in Steuerfragen noch immer Einstimmigkeit erforderlich ist. Trotzdem werde ich mich auch in Zukunft in der EU für die Initiativen einsetzen, die für mehr Steuergerechtigkeit sorgen können, wie etwa eine Übergewinnsteuer oder BEFIT, der europäische Rechtsrahmen für die Unternehmensbesteuerung. Wir bleiben da dran.

Das Interview führte Detlef Fechtner.