Fünf Fragen anMartin Schirdewan

„`Privat statt Staat´ ist abenteuerlich“

"Mindestens eine weitere Reform der Schuldenregeln", fordert der EU-Abgeordnete Martin Schirdewan. Der Linken-Politiker beäugt zudem die Vorschläge für die Kapitalmarktunion skeptisch.

„`Privat statt Staat´ ist abenteuerlich“

Fünf Fragen an Martin Schirdewan

„´Privat statt Staat` ist abenteuerlich“

Der Europaabgeordnete der Linken über Schuldenregeln und Kapitalmarktunion

fed Brüssel

Sie werden in den nächsten fünf Jahren dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments angehören. Was sind die zentralen Themen, über die Sie dort diskutieren werden?

Erstes großes Streitthema werden die Schuldenregeln sein. Ich finde es völlig unzufriedenstellend, dass diese Regeln nun wieder in Kraft gesetzt worden sind. Die Auflagen für die Staatshaushalte sind massiv. Wir brauchen daher mindestens eine weitere Reform der Schuldenregeln, um Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen. Zweites Streitthema ist die Kapitalmarktunion – und damit verbunden auch die Bankenunion.

Eine große Zahl von Abgeordneten spricht sich dafür aus, bei der Kapitalmarktunion endlich mit konkreten Schritten voranzukommen, um mehr privates Kapital zu mobilisieren?

Ich bin da dezidiert anderer Ansicht. Die durch die strikten Schuldenregeln verursachte Flucht weg aus öffentlichen Investitionen hin zu privaten Investitionen birgt unglaubliche Risiken, die wir ja schon 2008 gesehen haben. Die Auswirkungen waren eine ganze Reihe schwerer Krisen.

Heißt das, Sie sprechen sich beispielsweise auch gegen regulatorische Erleichterungen aus, die den Verbriefungsmarkt wiederbeleben sollen?

Die Debatte über die Wiederbelebung von hochriskanten Kapitalmarktprodukten wie etwa immobilienbesicherter Verbriefungen, die ja der Auslöser der Finanzkrise waren, erscheint mir verrückt. „Privat statt Staat“ ist abenteuerlich, insbesondere angesichts des langjährigen Versagens von Märkten. Es muss vielmehr darum gehen, das Risiko wieder aus den Instrumenten herauszunehmen.

Sie hatten das Stichwort Bankenunion genannt: Wie will die Linke Europas Bankenmarkt stärken?

Wir müssen überlegen, wie wir vor allem regionale Kreisläufe und mittelständische Firmen stärken. Die Geschäftsmodelle von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken müssen verteidigt werden – etwa in Zusammenhang mit den geplanten Regeln zu Krisenmanagement und Einlagensicherung. Wir werden sehr genau darauf achten, dass die Struktur regionaler Banken durch die Irrungen und Wirrungen der nächsten Zeit kommt. Und wir müssen außerdem darüber nachdenken, wie wir Investmentbanking und Retailbanking in den Instituten trennen können.

Genau das haben die EU-Gesetzgeber ja bereits einmal versucht – und das Gesetzesvorhaben ist seinerzeit ausgerechnet im EU-Parlament gescheitert.

Ja, ich war damals sogar als Schattenberichterstatter an den Beratungen beteiligt. Ich sehe natürlich, dass es angesichts der Zusammensetzung des ECON schwierig werden dürfte, für einen neuen Anlauf in Sachen Trennbanken eine Mehrheit zu gewinnen. Aber es wird in unseren Diskussionen rund um Banken- und Kapitalmarktunion eine Rolle spielen. Und an diesen Stellen wird die Linke entsprechende Änderungsanträge einbringen, um das Thema eines sicheren Bankensystems zu forcieren.

Das Interview führte Detlef Fechtner.