Der Omnibus zu mehr Wettbewerbsfähigkeit
Der Omnibus zu mehr Wettbewerbsfähigkeit
EU-Kommission um Bürokratieabbau und Innovationsförderung bemüht − Kritik aus der Wirtschaft wird in Brüssel gehört
Von Anahita Thoms *)
Auf der Suche nach einem Ausgleich zwischen europäischer Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeitszielen hat die Europäische Kommission (EU-Kommission) am 26. Februar 2025 die Omnibus-I-Richtlinie präsentiert. Ziel ist es, Verpflichtungen aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und der Taxonomie-Verordnung (Taxonomie-VO) zu vereinfachen.
Im Herbst 2024 hatte der „Draghi-Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU“ festgestellt, dass ein Kraftakt – inklusive weniger kleinteiliger Regulierung – notwendig sei, um europäische Unternehmen wieder wettbewerbsfähiger zu machen.
Abwanderung befürchtet
Es sei bedenklich, dass in der EU in den letzten Jahrzehnten keine Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 100 Mrd. Euro gegründet wurden. Im Bereich der fortschrittlichen Technologien sei die Innovationslücke zu Wettbewerbern in den USA und China immer größer geworden. Umso wichtiger sei es daher, zu verhindern, dass junge EU-Unternehmen etwa in die USA abwandern, um dort mit Wagniskapital und in einem weniger streng regulierten Geschäftsumfeld ihr Potential zu entfalten.
Auch für den Wettbewerb mit China, das umweltfreundliche Technologien massiv industriepolitisch fördert, sei es wichtig, EU-Unternehmen, die die Dekarbonisierung vorantreiben, nicht unnötig zu belasten.
Spagat der EU-Kommission
In diesem Sinne wurde im Januar 2025 die Omnibus-Initiative im „Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der EU“ angekündigt: Bürokratische Lasten für Unternehmen sollten verringert und Innovation gefördert werden. Nun werden Stimmen laut, die vor einer Entkernung der Nachhaltigkeitsstandards und Deregulierung warnen. Andere kritisieren, die Änderungen gingen nicht weit genug. Was genau sieht der Entwurf vor? Und wie gelingt der Spagat, die Nachhaltigkeitsziele zu bewahren und gleichzeitig Unternehmen zu entlasten?
Die Kommission hat detaillierte Vorschläge vorgelegt, wie sie durch die Omnibus-I-Richtlinie die CSRD, die CSDDD und die delegierten Rechtsakte zur Taxonomie-VO vereinfachen will.
Umfangreiches ESG-Reporting
Durch die – bisher nicht in allen Mitgliedstaaten umgesetzte – CSRD legt die Kommission Unternehmen umfangreiche Nachhaltigkeitsberichtspflichten auf. Nach dem neuen Vorschlag sollen nun nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter und entweder einem Jahresumsatz von über 50 Mill. Euro oder einer Bilanzsumme von über 25 Mill. Euro erfasst werden. So fallen laut EU-Kommission rund 80% der Unternehmen aus dem Anwendungsbereich. Doch wahrscheinlich werden einige der Gesellschaften, die einer Nachhaltigkeitsberichtspflicht formal nicht mehr unterliegen, Gegenstand freiwillig konsolidierter Nachhaltigkeitsberichte von ihren Mutter- oder Konzernobergesellschaften sein. Unternehmen, die für das Geschäftsjahr 2025 erstmals berichtspflichtig wären, würden dies nun erst zwei Jahre später.
Wertschöpfungsketten-Limit
Die EU-Kommission führt ein „Wertschöpfungsketten-Limit“ ein, um einen „Dominoeffekt“ zu verhindern. Dadurch können Unternehmen außerhalb des CSRD-Anwendungsbereichs als Teil der Wertschöpfungskette großer Unternehmen nur bestimmten Nachfragen ausgesetzt werden, die in einem zu entwickelnden Voluntary Reporting Standard festgelegt werden.
Auch den sachlichen Umfang der Nachhaltigkeitsberichtserstattung will die Kommission reduzieren. Sie schlägt vor, die noch nicht verabschiedeten sektorspezifischen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu streichen, die für bestimmte Industrien die Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte und dort anzugebende Informationen festlegen sollten. Außerdem möchte die Kommission den Umfang an Datenpunkten der sektorübergreifenden ESRS erheblich reduzieren.
Mehr Zeit für die Umsetzung
Die CSDDD sieht Sorgfaltspflichten vor, um Menschenrechte und Umweltstandards in den Wertschöpfungsketten zu wahren. Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten, die im Sommer 2026 enden sollte, und der Beginn der Anwendbarkeit sollen um jeweils ein Jahr auf den 26. Juli 2027 bzw. 2028 verschoben werden.
Die Bewertung von nachteiligen Auswirkungen wird auf direkte Geschäftspartner begrenzt. Für indirekte Geschäftspartner ist nur ausnahmsweise eine eingehende Bewertung nötig, wenn eine direkte Geschäftsbeziehung künstlich umgangen wird oder plausible Informationen für negative Auswirkungen vorliegen, etwa aufgrund von Medienberichten. Das ähnelt der Struktur des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), nach dem Unternehmen weitere Sorgfaltspflichten bei missbräuchlicher Vertragsgestaltung und substantiierter Kenntnis von Risiken bei mittelbaren Zulieferern treffen.
Die Kommission bezieht sich hier explizit auf die Rechtslage nach dem deutschen LkSG. Der Kreis der zu beteiligenden Stakeholder wird auf direkt betroffene Parteien beschränkt. Bei negativen Auswirkungen auf Menschenrechte sollen Unternehmen nach dem Änderungsvorschlag die Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern nicht als ultima ratio beenden müssen.
Außerdem würde die jährliche Frequenz der Bewertung der Geschäftstätigkeiten und Maßnahmen von Geschäftspartnern auf alle fünf Jahre sinken, eventuell ergänzt um Ad-hoc-Bewertungen.
Haftung angepasst
Zudem schlägt die EU-Kommission vor, das bislang vorgesehene zivilrechtliche Haftungsregime zu streichen. Das bedeutet, dass sich eine zivilrechtliche Haftung nur nach dem Recht der EU-Mitgliedstaaten ergeben würde. Schließlich stellt der Änderungsvorschlag der EU-Kommission klar: Der zu entwickelnde Plan, die Folgen des Klimawandels zu mindern, muss zwar auch Umsetzungsmaßnahmen abbilden, aber auf Basis der CSDDD nicht umgesetzt werden.
Die Taxonomie-VO definiert nachhaltige Investitionen und verpflichtet Finanzmarktteilnehmer, über den Anteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen in ihrem Portfolio zu berichten. Durch Änderungen an der CSRD wäre die Taxonomieberichterstattung für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern und weniger als 450 Mill. Euro Umsatz nicht mehr verpflichtend, ebenso für Unternehmen mit weniger als 450 Millionen Euro Umsatz und mehr als 1.000 Mitarbeitern. Wenn zweitere berichten, müssen sie jedoch ihren Umsatz- und Capex-KPI vorlegen.
Die geplanten Änderungen der Taxonomy Disclosures, Climate und Environmental Delegated Acts sind ohne Zustimmung weiterer EU-Institutionen möglich. Geplant ist, die Datenpunkte in den Berichts-Templates um fast 70% zu reduzieren und auch die Main Key Performance Indikatoren für Finanzinstitutionen zu ändern, um etwa die Green Asset Ratio für Banken zu verbessern. Schließlich wird es eine finanzielle Wesentlichkeitsschwelle geben, wonach nur Unternehmen berichten müssen, deren taxonomiefähigen Tätigkeiten mehr als 10 Prozent ihres Geschäfts ausmachen.
Kettensäge oder Gartenschere?
Die vorgeschlagenen Änderungen gehen über das hinaus, was vor der Veröffentlichung des Omnibus-I-Pakets diskutiert wurde. Daher kritisieren Umweltverbände und Menschenrechts-NGOs, dass die angestrebte Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau einerseits und Nachhaltigkeitszielen andererseits gefährdet sei. Bemängelt wird auch, dass Vertrauen seitens der Unternehmen verloren geht, die sich rechtzeitig auf die Sorgfalts- und Berichtspflichten eingestellt haben und für die Planungssicherheit ein wichtiges Gut ist.
Die Industrie nimmt die Vorschläge größtenteils als wichtigen ersten Schritt wahr. Die Belastungen durch Berichtspflichten blieben aber für große Unternehmen sehr hoch. Entscheidende Bedeutung habe daher die Änderung der ESRS.
Rechtssicherheit unerlässlich
Die Kommission demonstriert mit ihrem Vorschlag, dass sie es mit dem Bürokratieabbau ernst meint. Kritik aus der Wirtschaft wurde offensichtlich gehört. Im weiteren Gesetzgebungsprozess werden nun das Europäische Parlament und der Rat auf den Inhalt des Pakets Einfluss nehmen. Daneben muss die Kommission die noch ausstehenden delegierten Rechtsakte ausgestalten. Mit einem baldigen Abschluss des Verfahrens ist zu rechnen. Dies ist zu begrüßen, denn für das erklärte Ziel – die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit – ist auch Rechts- und Planungssicherheit unerlässlich.
*) Anahita Thoms ist Partnerin und Leiterin des Außenwirtschaftsrechts von Baker McKenzie Deutschland.