„Echte Nachhaltigkeit braucht mehr als nur neue Vorschriften“
Im Gespräch: Luisa Dany
„Echte Nachhaltigkeit braucht mehr als neue Vorschriften“
ESG-Expertin von Mayer Brown: EU-Ratingverordnung fördert Transparenz auf dem Markt – Hoher Anpassungsdruck für Ratinganbieter
wbr Frankfurt
Die Europäische Union bereitet weitreichende Neuerungen im Bereich der ESG-Ratings vor. Mit der Verordnung soll künftig mehr Transparenz geschaffen werden, um Anlegern eine sichere Investitionsentscheidung zu ermöglichen. Die Reform kommt zu einer Zeit, in der der Markt für nachhaltige Finanzprodukte zunehmend in einen kritischen Fokus rückt.
Die EU hat mit der Ratingverordnung einen wichtigen Schritt unternommen, um Vergleichbarkeit bei ESG-Ratings zu fördern. Künftig müssen in der EU niedergelassene ESG-Ratinganbieter von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zugelassen und beaufsichtigt werden. Die Vorschriften verpflichten die Anbieter dazu, ihre Methodiken und Informationsquellen offenzulegen und gleichzeitig eine Trennung zwischen den Geschäftsfeldern vorzunehmen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Regelungen treten zwar erst 2026 in Kraft, doch schon jetzt bereiten sich die Ratingagenturen darauf vor.
Fehler in Ratings erkennen
Luisa Dany von Mayer Brown betont: „ESG-Ratings spielen eine entscheidende Rolle, um den Anlegern eine sichere und korrekte Investitionsentscheidung zu ermöglichen.“ Dabei verweist sie auch darauf, dass Emittenten durch die Verordnung "Werkzeuge erhalten, um Fehler in ESG-Ratings rechtzeitig zu identifizieren und zu korrigieren“. Gleichzeitig wies Dany darauf hin, dass „die ESG-Ratingverordnung Ordnung in den Markt bringen soll, doch bis alle Anbieter ihre Methoden angepasst haben, bleibt die Unsicherheit bestehen“. Die Prospektverordnung könnte zudem ESG-Ratings verpflichtend machen, was bei Emittenten Sorgen auslösen könnte, da sie keine Verantwortung für unregulierte Ratings übernehmen wollen, so Dany.
Ein großes Problem sei die „mangelnde Vergleichbarkeit der Ratings aufgrund sehr abweichender Methodiken der Anbieter“. Auch der Anbieter ISS Stoxx, eine Tochter der Deutschen Börse, geht auf dieses Thema ein. „Die Vergleichbarkeit der ESG-Ratings ist auf die zugrundeliegenden Methoden zurückzuführen, die per Definition vielfältig sind, da die Methoden den unterschiedlichen Forschungs- und Analysebedürfnissen der Anleger Rechnung tragen. Diese Vielfalt gibt den Anlegern die Wahl und die Freiheit, ESG-Ratings und die zugrundeliegende Forschung so zu nutzen, wie sie es für richtig halten“, so ein Sprecher. Dies zeigt, dass die Vielfalt der Bewertungsmethoden auch als Chance gesehen werden kann.
Akteure unter Druck
Die Fristen der neuen Verordnung setzen die Akteure unter Druck. So wird darauf hingewiesen, dass „die Fristen ambitioniert sind: Ab Sommer 2026 müssen ESG-Ratinganbieter alle Anforderungen erfüllen, um weiterhin in der EU tätig zu sein.“ In der Zwischenzeit stehen die Agenturen vor der Herausforderung, bestehende Methodiken anzupassen. Dabei bleibt auch das Ziel, den Datenfluss zu optimieren: Durch die Offenlegungspflichten sollen sowohl Emittenten als auch Investoren einfacher auf relevante Daten zugreifen können.
Neben den regulatorischen Neuerungen spielt auch der Paradigmenwechsel im Finanzsektor eine zentrale Rolle. Nachhaltige Finanzprodukte seien schon lange mehr als nur ein Trend. Dennoch warnt Dany: „Die Regulierung nimmt zu, die Anforderungen steigen – doch echte Nachhaltigkeit braucht mehr als nur neue Vorschriften.“ Diese Differenzierung werde auch bei den Produkten sichtbar, etwa bei Green Bonds und Social Bonds. „Green Bonds und Social Bonds sind und bleiben vielversprechend – doch eine zunehmende qualitative Differenzierung würde das Ambitionsniveau weiter erhöhen.“
Der Hintergrund der ESG-Rating-Reform zeigt, dass die EU bestrebt ist, Kapitalströme gezielt in die Nachhaltigkeit zu lenken und so einen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten. Ohne einheitliche Standards blieben nachhaltige Kapitalanlagen jedoch letztlich eine Vertrauenssache. Bereits in den vergangenen Jahren haben viele Ratingagenturen interne Anpassungen vorgenommen, um ESG- und Kreditanalysen voneinander zu trennen.
Die EU stellt mit der neuen ESG-Ratingverordnung die Weichen für mehr Vergleichbarkeit und Transparenz. Die Reform erhöht jedoch auch den Druck auf Ratinganbieter, regulatorische Anforderungen zu erfüllen. ESG-Expertin Luisa Dany der Kanzlei Mayer Brown betont, dass Regulierung notwendig sei, um nachhaltige Finanzmärkte zu stärken.