Finanzvertrieb

Eine Chance namens Nachhaltigkeit

Persönliche Finanzbera­tung ist prädes­tiniert, Anlegern zu hel­fen, ihr indivi­­duell pas­sendes Format der nach­­haltigen Geld­anlage zu finden.

Eine Chance namens Nachhaltigkeit

Die Einen klagen: Brüssel hat der Kreditwirtschaft mit der seit gut zwei Monaten obligatorischen Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen einen Tort angetan. Denn seither müssen Bankberater und Vermögensverwalter eine Menge erklären. Etwa, was Taxonomiekonformität ist. Oder was das „Do-not-significant-harm“-Prinzip bedeutet. Oder worin der Unterschied zwischen Art.-8- und Art.-9-Fonds besteht. Oder was sich hinter den Kürzeln PAI, SFDR oder CSRD und den vielen anderen Akronymen der Nachhaltigkeits-Buchstabensuppe versteckt. Und das, obwohl Brüssel andererseits noch nicht einmal richtig geklärt hat, wann nun eigentlich genau das „E“ von ESG erfüllt ist, geschweige denn das „S“ und das „G“. Mancher Kunde, so berichten Banker, habe bereits Beratungsgespräche abgebrochen, weil ihm das alles zu hoch war.

Die Anderen sagen: Brüssel hat der Finanzbranche mit der Pflicht zur Ansprache der Privatkunden auf Nachhaltigkeitspräferenzen eine Steilvorlage gegeben. Denn viel zu lange war Green and Sustainable Finance nur ein Thema institutioneller Investoren. Nun aber sind Banken, Sparkassen und Fonds geradezu gezwungen, die Kundschaft mit Fragen über Umwelt, Soziales und Governance zu konfrontieren und damit Beratungsbedarf auszulösen, den Roboter oder passive Manager gerade nicht befriedigen können. Das Thema Nachhaltigkeit liefert damit allen, die persönliche Beratung des Kunden und aktive Auswahl der Investments anbieten und dafür auch teurer sind als die Billiger-Jakob-Lösungen und Plattformen, ein paar sehr gute Argumente. Denn in einer Zeit, in der die Kundschaft bei finanzstrategischen Entscheidungen digital affiner und selbstbewusster agiert als früher, dürften den Beratern langsam die Begründungen dafür ausgehen, warum sich Kunden an sie wenden sollen, statt ihre Finanzgeschäfte via ETFs oder Robo-Advisor zu erledigen.

Angesichts der vielen Fragen rund um E und S und G sind die Dienstleistungen von Banken, Sparkassen und aktiven Investmentfonds gefragt. Schließlich ist der persönliche Beratungsansatz prädestiniert, Anlegern zu helfen, ihr individuell passendes Format der nachhaltigen Geldanlage zu finden. Sei es die bloße Anwendung von Ausschlusskriterien, damit der Retail-Investor sicher sein kann, dass sein Geld nicht mehr in klimaschädigende oder unethische Unternehmungen fließt. Sei es die Kombination von Ausschlusskriterien und einem Best-in-Class-Ansatz, so dass das Geld des Anlegers nur in Unternehmen gesteckt wird, die den Klimaschutz ernster nehmen als ihre Konkurrenten. Oder sei es die Anwendung eines wirkungsbezogenen Ansatzes, der sicherstellt, dass die investierten Mittel tatsächlich einen „Impact“ haben – also dafür sorgen, dass der Schadstoffausstoß tatsächlich reduziert wird und sich Firmen von braun in Richtung grün transformieren.

Auch können Kreditinstitute und Vermögensverwalter damit glänzen, dass sie dem orientierungssuchenden Kunden Anlageempfehlungen geben, auf die er selbst nur nach längerem Studium kommen würde. Etwa, dass Klimaschutz und Energiewende eine ganze Reihe von Investments wirtschaftlich attraktiv macht, die zugleich die Transformation der Wirtschaft beschleunigen, beispielsweise in bestimmte Mineralien, die in batteriebezogenen Fahrzeugen ge­braucht werden, oder in Edelmetalle, die unter Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards geschürft wurden. Oder in innovative Technologien, die eine klimaschonen­dere Produktion ermöglichen.

Ganz nebenbei bietet Nachhaltigkeit natürlich auch die Chance, dass die Kreditwirtschaft Reputation und Respekt beim Kunden gewinnt. Weil sie ihm mehr zu bieten hat als nur die Aussicht auf Rendite – vielmehr ein Engagement in eine Wirtschaft, die Wert schafft.

Bekanntermaßen bedeutet – in Umkehr einer unternehmerischen Binsenweisheit – jede Chance aber auch immer ein Risiko. Eine qualifizierte Beratung der privaten Kundschaft über nachhaltige Geldanlagen setzt natürlich voraus, dass sich Banken und Fonds viel Arbeit machen: Informationen sammeln, Daten analysieren, Gesetzeskonformität prüfen, Geschäftsmodelle bewerten – also viel mehr als nur Finanzprodukte verkaufen. Wer Zweifel daran lässt, dass er tatsächlich hält, was er verspricht, dem droht umgehend der Vorwurf des Greenwashing – ein Verdacht, den Banken und Fonds nur schwer wieder loswerden. Leichtfertige Lippenbekenntnisse der Marke, Nachhaltigkeit gehöre seit jeher zur DNA des eigenen Hauses, und allzu selbstbewusste Sonntagsreden über die eigene nachhaltige Aufstellung sind daher mit Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.