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Macht der ESG-Daten im Spannungsfeld von Regulierung und Innovation

ESG-Daten werden 2025 immer wichtiger. Sie sind unverzichtbar für nachhaltige Unternehmensführung und Kreditentscheidungen in der Finanzbranche.

Macht der ESG-Daten im Spannungsfeld von Regulierung und Innovation

Macht der ESG-Daten im Spannungsfeld von Regulierung und Innovation

Das Thema ESG-Daten prägt zunehmend die Finanzwelt. Banken, Investoren und Unternehmen stehen vor der Herausforderung, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und Nachhaltigkeit in ihre Strategien zu integrieren. Doch wie gestalten sich die aktuellen Entwicklungen, Chancen und Hürden?

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Unternehmen kommen ohne ESG-Daten nicht mehr aus. Aus Verantwortung gegenüber der Umwelt, oder um eine faire Unternehmensführung zu demonstrieren. Dabei geht es aber nicht um abstrakte Fragen, sondern ganz konkrete Daten. Beispielsweise, wenn sich ein Automobilhersteller verpflichtet, seine CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis 2030 um 50% zu reduzieren. Oder ein Technologieunternehmen kann Diversität und Inklusion in den Mittelpunkt seiner Unternehmenskultur stellen und will den Anteil von Frauen in Führungspositionen innerhalb von fünf Jahren von 20% auf 40% steigern. Im Bereich Governance könnte es um ein Whistleblowing-System gehen, um ethisches Verhalten und darum, Datenschutz zu gewährleisten.

Immer mehr Anforderungen

Das Thema ESG-Daten (Environmental, Social, Governance) gewinnt aber zunehmend an Bedeutung für Banken, Investoren und Unternehmen. Angesichts der steigenden regulatorischen Anforderungen, der Erwartung von Stakeholdern und der notwendigen Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft bleibt der Umgang mit ESG-Daten jedoch eine Herausforderung. Ein aktueller Ausblick bis 2025 zeigt, wie Banken, Datenanbieter und Regulierungsbehörden die Entwicklung gestalten können und welche Anpassungen notwendig sind.

Die Umfrage „ESG-Daten Monitor“, durchgeführt von open ESG und der Frankfurt School of Finance, zeigt die zunehmende Integration von ESG-Daten in die Kreditvergabe. Befragt wurden 139 Teilnehmer aus verschiedenen Bankensäulen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ESG-Daten mittlerweile Standard in der Finanzierung großer, berichtspflichtiger Unternehmen sind. Hier beeinflussen ESG-Risiken rund 40% der Kreditentscheidungen. Im KMU-Segment sind es lediglich 25%, was vor allem an fehlenden standardisierten Daten und der Nutzung von Schätzungen liegt. Die Teilnehmer erwarten jedoch einen signifikanten Anstieg der Datennutzung über alle Segmente hinweg.

Stimmung ist gespalten

Die Stimmung zur nachhaltigen Finanzierung ist gespalten. Während 56% der Banken ESG-Daten als Geschäftschance sehen, betrachten 44% die zunehmende Regulierung als zusätzliche Belastung. Besonders kleine Banken haben Schwierigkeiten, die komplexen Anforderungen zu erfüllen.

Torsten Jäger, Leiter Sustainable Finance beim Bankenverband, beschreibt die derzeitige Lage als „riesiges Regulierungsrahmenwerk“, das jedoch oft nicht zielführend sei. „Es fehlt häufig die direkte Verbindung zwischen Anforderungen und Steuerung. Das führt zu hohen Kosten ohne entsprechenden Nutzen“, so Jäger. Adrian Schwantes, ESG-Experte beim Bankenverband, betont, dass viele Standards wie die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) bereits hunderte Datenpunkte enthalten: „Es ist wichtig, Erfahrungen mit diesen Prozessen zu sammeln, anstatt während der Implementierung neue Anforderungen hinzuzufügen.“

Große Datenlücken

Ein zentrales Problem bleibt die Verfügbarkeit und Qualität der Daten. „Datenlücken sind eine ständige Herausforderung. Wir lernen laufend, wo Daten fehlen, und was in der Praxis nicht umsetzbar ist“, so Jäger. Schwantes hebt die Bedeutung des Kundendialogs hervor, insbesondere mit KMU, die oft nicht berichtspflichtig sind: „Das Gespräch hilft enorm, die Ambitionen und Maßnahmen von Unternehmen zu verstehen.“ Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) unterstützt diesen Ansatz durch gezielte Tools: „Instrumente wie der S-ESG-Score helfen, ESG-Daten systematisch und strukturiert zu erfassen und zu bewerten. Gleichzeitig unterstützt die Nachhaltigkeitsmanagementsoftware nawisio Unternehmen dabei, ihre Nachhaltigkeitsdaten nach standardisierten Methoden zu erheben und zu reporten“, sagt Karolin Schriever, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV.

Datenanbieter mit Schlüsselrolle

Anbieter wie Bloomberg spielen eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung standardisierter und vergleichbarer ESG-Daten. Bloomberg deckt mehr als 16.000 Unternehmen weltweit ab und bietet umfassende Daten zu Umwelt, sozialen Aspekten und Unternehmensführung. Mit standardisierten Methoden und strengen Qualitätskontrollen erleichtert Bloomberg Investoren und Unternehmen die Integration von ESG-Kriterien.

Thomson Reuters bietet ebenfalls umfangreiche ESG-Daten und nutzt seine Expertise bei Finanzinformationen, um Einblicke in Nachhaltigkeitsstrategien und Risiken zu liefern. MSCI, ein weiterer wichtiger Akteur, bewertet ESG-Risiken und Chancen von Unternehmen und stellt detaillierte Ratings bereit, die sowohl von Investoren als auch von Unternehmen genutzt werden.

Die zunehmenden Berichtspflichten stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Die Europäische Kommission plant daher mit der Omnibus-Verordnung eine Vereinfachung der ESG-Regulierung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, die Berichtspflichten um mindestens 25% zu reduzieren. Im Kern sollen jedoch alle Inhalte der bestehenden Richtlinien, wie der CSRD, der EU-Taxonomie und der CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), erhalten bleiben.

Der Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) begrüßt die Idee. Die Omnibus-Initiative biete die Chance, die Anliegen des Mittelstands besser zu berücksichtigen. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen müssten die Anforderungen verhältnismäßig gestaltet werden.

Gesetze verzögern sich

Allerdings erschweren politische Unsicherheiten in Deutschland die Umsetzung. Nach dem Scheitern der Ampelkoalition ist unklar, wann das Gesetzespaket verabschiedet wird. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie vorerst die bisherigen Berichtspflichten einhalten müssen.

Nachhaltigkeit ist für Banken und Unternehmen keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Adrian Schwantes: „Nachhaltigkeit ist erforderlich, um ordentliches Geschäft zu machen.“ Große Banken haben bereits Net Zero Commitments und Transitionspläne entwickelt, während kleinere Institute noch mit der Komplexität der Anforderungen kämpfen. Auch aus Sicht der Sparkassen helfen ESG-Daten, potenzielle Risiken aufgrund des Klimawandels und der wirtschaftlichen Transformation auf lokaler Ebene noch besser zu erkennen und zu steuern. „Das erhält langfristig die Stabilität und Rentabilität des Geschäftsmodells sowie der Kundenbeziehung“, sagt Schriever.

Bis 2025 erwarten Banken, dass ESG-Daten in allen Bereichen der Kreditvergabe und des Risikomanagements eine zentrale Rolle spielen. Um die Herausforderungen zu bewältigen, sind jedoch weitere Anpassungen notwendig. „Wir wünschen uns von den Regulierungsbehörden mehr Flexibilität bei der Datenerhebung und eine bessere Berücksichtigung der Proportionalität, vor allem bei kleineren Banken“, so Jäger vom Bankenverband. „Darüber hinaus können Sparkassen und Landesbanken ESG-Daten nutzen, um nachhaltig orientierte Geschäftsfelder zu erschließen“, sagt Schriever.

Omnibus macht Hoffnung

Die geplante Omnibus-Initiative, die Bemühungen der ESG-Datenanbieter und die wachsende Bedeutung von ESG-Kriterien könnten entscheidend dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Verpflichtung bleibt, sondern auch ein Treiber für wirtschaftliches Wachstum wird. Entscheidend wird sein, wie schnell und effektiv die verschiedenen Akteure die nötigen Anpassungen umsetzen können.


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