Kriterien sind noch nicht festgezurrt

Soziale Ziele gewinnen bei Immobilien an Bedeutung

Bei Immobilien steht die soziale Komponente (S) von ESG oft im Schatten der Umweltziele (E). Das beginnt sich langsam zu ändern. Knackpunkte sind die schwierige Messbarkeit, aber auch mögliche Zielkonflikte.

Soziale Ziele gewinnen bei Immobilien an Bedeutung

Soziale Ziele bei Immobilien im Blick

„S“ aus ESG schwer messbar – Häufiger Konflikt zwischen „S“ und „E“

tl Frankfurt

Sollten soziale Kriterien bei Immobilieninvestitionen berücksichtigt werden? Geht das (heute) überhaupt schon? Sprich: Lassen sich soziale Kriterien messen? Auf einer Veranstaltung der Rechtsanwaltssozietät GSK Stockmann und des Datenanalysten Bulwiengesa herrschte einerseits die Meinung vor, dass soziale Kriterien bei Investitionsentscheidungen durchaus eine Rolle spielen sollten. Allerdings gibt es bisher keinen festen Kriterienkatalog für solche Kriterien (wie dies bei der EU-Taxonomie für „E“ der Fall ist). Ein erster Vorschlag der EU-Kommission für eine soziale Taxonomie wurde verworfen. Rechtsanwältin Lisa Watermann von GSK Stockmann wies aber darauf hin, dass die europäischen Aufsichtsbehörden erst am 18. Juni in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Offenlegungsverordnung SFDR empfohlen haben, die „Taxonomie zu vervollständigen und auf soziale Nachhaltigkeit auszuweiten“.

Schwer messbare Einzelpunkte

Doch auch bei einem solchen Kriterienkatalog sind die Einzelpunkte nur schwer messbar. Schließlich gaben die Experten auch zu bedenken, dass das Erreichen von Umweltzielen aus „E“ soziale Ziele gefährden kann. Dominik Barton, CEO des Family Office Barton Group, verwies auf eigene Wohnungsbestände mit 8 bis 10 Euro Miete pro Quadratmeter. „Wenn wir jetzt den Bestand auf E-Konformität bringen, müssten wir auf Neubaustandard gehen. Wir liegen dann bei 16 bis 18 Euro. Die Mieter, die dort wohnen, können das nicht bezahlen.“

Dreiviertel der deutschen Bürobestände außerhalb der A-Städte

Ähnliche Kostenbelastungen gibt es bei Büros. Bulwiengesa-Vorstand Sven Carstensen wies darauf hin, dass etwa 75% der deutschen Bürobestände außerhalb der A-Städte liegen. Große Teile dieser Bestände müssten energetisch saniert werden, um bis 2045 klimaneutral zu sein. „Nach internen Untersuchungen sind dafür 1.000 bis 1.500 Euro pro Quadratmeter aufzuwenden.“ Um diese Kosten reinzuholen, müsste die Miete teilweise verdoppelt oder gar verdreifacht werden, gab Carstensen zu bedenken.

Nachhaltigkeitsrichtlinie noch nicht in deutsches Recht überführt

Über soziale Kriterien müssen Firmen in der EU künftig im Rahmen der Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD berichten. Diese sei zwar bisher nicht in deutsches Recht umgesetzt worden, sagte Watermann. Allerdings sind seit Jahresanfang die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) anzuwenden. Zu den themenspezifischen Standards im Bereich „S“ gehören die eigene Belegschaft, Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinschaften sowie Verbraucher und Endnutzer. „Ab 2026 wird es auch noch sektorspezifische Standards unter anderem für Immobilien geben.“

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