Der EZB fehlt es noch an ausreichender Zuversicht
11. April
EZB fehlt es noch an Zuversicht
Für eine Zinssenkung im April ist der Europäischen Zentralbank (EZB) der Inflationsdruck noch zu hoch. Ohne böse Überraschungen, etwa bei der Lohnentwicklung im Euroraum, dürfte die Zinswende jedoch im Juni starten. Umstritten ist unter Notenbankern, wie der weitere Kurs nach der ersten Lockerung aussehen sollte.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei ihrer viel beachteten Rede auf der Konferenz „The ECB and its Watchers“ Anfang März in Frankfurt.
Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) am 11. April für ihren nächsten Zinsentscheid zusammenkommt, wird die Debatte über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung nochmal hochkochen. Sehr viel spricht dafür, dass sich diejenigen im EZB-Rat, die in der Öffentlichkeit lautstark eine Lockerung bereits im April fordern, mit ihrem Ansinnen nicht werden durchsetzen können.
„Zuversicht in den vor uns liegenden Weg aufbauen“, lautete der Titel einer viel beachteten Rede der EZB-Präsidentin Anfang März. Die EZB sei noch nicht ausreichend sicher, dass die Inflation bis spätestens 2025 auf das Inflationsziel von 2,0% falle, sagte Christine Lagarde. Nichts spricht dafür, dass sich diese Einschätzung seitdem geändert hat.
Drei Aspekte im Fokus
Besonders die Lohnentwicklung hat der EZB-Rat derzeit im Blick. Sie gilt aktuell als Hauptrisiko für den disinflationären Trend in der Eurozone. Die höhere Kaufkraft der Verbraucher könnte den Inflationsdruck wieder verstärken. Gleiches gilt, falls Unternehmen die höheren Arbeitskosten in großem Stil über steigende Preise an ihre Kunden weitergeben würden. Zudem betonte Lagarde die Bedeutung der Produktivitätsentwicklung.
Mehr Klarheit über die Lohnentwicklung gewinnt die EZB erst am 23. Mai, wenn die Daten für das erste Quartal vorliegen. Schon alleine aus diesem Grund gilt eine Zinssenkung bereits in der kommenden Woche als praktisch ausgeschlossen.
EZB-Chefökonom optimistisch
Auf der darauffolgenden Zinssitzung Anfang Juni dürfte es dann jedoch so weit sein mit der Zinswende im Euroraum. Zumindest, insofern die Lohndaten die Prognosen der EZB nicht konterkarieren. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane bezeichnete in einem Podcast der Notenbank die hohen Lohnsteigerungen angesichts der vorherigen Reallohnverluste als „Normalisierungsprozess“. Er ergänzte: „Ich würde sagen, wir sind zuversichtlich, dass dieser sich auf dem richtigen Weg befindet“. Sollte sich dies bestätigen, sei die Zeit gekommen, um „uns genauer mit der Rücknahme einiger unserer Zinserhöhungen zu beschäftigen“.
Weiterer Kurs umstritten
Wie es nach der ersten Zinssenkung weitergeht, ist unter den EZB-Ratsmitgliedern umstritten. Während einige nach der ersten direkt eine zweite folgen lassen wollen, mahnen andere zur Vorsicht. Für Lagarde ist völlig offen, wie viele Zinssenkungen in 2024 anstehen werden. Es gebe keinen vorbestimmten Pfad, und die EZB müsse weiter datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entscheiden, betonte sie.
Bei einer Reuters-Umfrage unter Ökonomen gab eine hauchdünne Mehrheit an, dass sie vier Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte in diesem Jahr erwartet. Der Rest prognostiziert drei oder weniger Zinsschritte der EZB. Eine deutlich lockere Geldpolitik sagen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland in ihrem Frühjahrsgutachten voraus. Laut ihrer Prognose halbiert sich der Einlagensatz in der Eurozone bis zum Frühjahr 2025. Bei einem aktuellen Satz von 4% wären das insgesamt Zinssenkungen um 200 Basispunkte.