Geldpolitik

EZB zwischen Pandemie und Inflation

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich alle Mühe gegeben, die Erwartungen an die Zinssitzung des EZB-Rats am Donnerstag herunterzuschrauben. Aber die Spannung unter Marktteilnehmern und Volkswirten ist groß.

EZB zwischen Pandemie und Inflation

Von Mark Schrörs, Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich alle Mühe gegeben, die Erwartungen an die Zinssitzung des EZB-Rats am Donnerstag, 10. Juni, herunterzuschrauben. Es sei „viel zu früh und eigentlich unnötig, über längerfristige Fragen zu diskutieren“, sagte die Französin unlängst mit Blick auf die Sitzung und insbesondere auf die Debatte über ein mögliches Auslaufen des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP. Trotzdem ist die Spannung unter Marktteilnehmern und Volkswirten vor der Sitzung groß – und das hat gleich eine Reihe von Gründen.

Zuvorderst ist da die Tatsache, dass der EZB-Rat – wenn man den Worten Lagardes Glauben schenkt – zwar wohl kaum große Diskussionen über die längerfristige Zukunft von PEPP führen wird. Die Notenbanker müssen aber sehr wohl entscheiden, wie es kurzfristig mit dem Kauftempo im Zuge des 1,85-Bill.-Euro-Programms weitergeht. Für das zweite Quartal hatte das Eurosystem das Tempo vorübergehend hochgefahren. Die jüngsten Wortmeldungen legen nahe, dass es zumindest vorerst bei dem erhöhten Tempo bleibt. Aber es könnte durchaus zu kontroversen Debatten kommen. Einige Notenbanker hatten zwischenzeitlich mit einer Drosselung ab dem dritten Quartal geliebäugelt.

Hintergrund dafür – und das ist ein zweiter Grund für die Spannung – ist der aktuelle Ausblick für Wachstum und Inflation in Euroland. Mit dem Abflauen des Infektionsgeschehens und den zunehmenden Lockdown-Lockerungen nimmt die Euro-Wirtschaft bereits Fahrt auf, und auch die Inflation zieht kräftig und stärker als erwartet an. Im Mai übertraf sie nun mit 2,0% sogar schon das EZB-Inflationsziel von unter, aber nahe 2%. Das schürt die Debatte, ob die ultraexpansive Geldpolitik aus der Hochzeit der Coronakrise noch angemessen ist. Die Euro-Hüter betrachten den Inflationsanstieg als temporär und sehen deshalb keinen Grund für einen Kurswechsel. Die Zweifel und die Kritik an dieser Position nehmen aber zu. Bei der Sitzung legen die EZB-Volkswirte ihrerseits neue Projektionen vor – auch das ist neue Nahrung für die Diskussion.

Zusätzliche Brisanz und Spannung erhält die Sitzung zudem dadurch, dass sich in der US-Notenbank Fed wegen der stark gestiegenen Inflation eine Debatte über eine Drosselung der beispiellosen Anleihekäufe („Tapering“) abzeichnet. Im April ist die US-Inflation auf 4,2% hochgeschnellt. Viele Experten sehen die Debatte in den USA als Vorgeschmack darauf, was künftig im Euroraum bevorsteht. Lagarde will bislang nichts wissen von irgendwelchen Tapering-Diskussionen. Aber die Frage ist, wie lange sie das noch durchhalten kann. Einen ersten Eindruck davon gibt es am Donnerstag.