Zeit noch nicht reif für baldige Zinssenkung der EZB
25. Januar
Noch keine Zinssenkung in Sicht
An den Finanzmärkten wird seit einer Weile auf eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) bis spätestens April spekuliert. Äußerungen von Ratsmitgliedern deuten jedoch darauf hin, dass eine Lockerung vor Juni unwahrscheinlich ist. Denn die Notenbanker wollen erst die Entwicklung der Lohndaten abwarten.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Am Donnerstag schauen Anleger gespannt darauf, welche Signale die Europäische Zentralbank (EZB) für ihren weiteren geldpolitischen Kurs aussendet. Eine dritte Zinspause in Folge im Januar ist ausgemachte Sache. Offen ist jedoch, wann die Notenbank die erste Zinssenkung verkünden wird.
Die Inflation in der Eurozone ist zwar zum Jahresende wegen Basiseffekten bei Energiepreisen auf 2,9% gestiegen. Doch hält die Notenbank genauso wie Volkswirte den grundsätzlichen disinflationären Trend für ungebrochen – auch wenn der Rückgang der Inflation sich deutlich verlangsamen dürfte.
Märkte kontra EZB
In den Terminkontrakten an den Geldmärkten sind schon seit längerem eine erste Zinssenkung bis spätestens April sowie fünf bis sechs Lockerungen um je 25 Basispunkte für das gesamte Jahr 2024 eingepreist. Prognosen, die nicht im Einklang stehen mit diversen Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern.
Lohndaten im Fokus
So betonten jüngst unter anderem EZB-Chefvolkswirt Philip Lane, Bundesbankpräsident Joachim Nagel und Kroatiens Zentralbankchef Boris Vujcic die Bedeutung der Lohnentwicklung für das weitere Inflationsgeschehen. Sie sprachen sich dafür aus, die Vorlage der Daten erst abzuwarten, ehe über eine Zinssenkung debattiert wird. Diese Informationen werden jedoch erst bis zur Juni-Sitzung der EZB vorliegen. Demnach ist eine Zinssenkung vor Juni für die drei kein Thema.
Ähnlich lassen sich auch Äußerungen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde interpretieren. Sie wolle erst die Sicherheit haben, dass die Inflation auf das Notenbankziel von 2,0% sinken werde, ehe Zinssenkungen auf der Tagesordnung stehen. Sollte die erste Zinssenkung tatsächlich im Juni erfolgen, wäre damit auch die Wette an den Finanzmärkten auf sechs Lockerungen im Jahr 2024 automatisch hinfällig. Den inklusive der Juni-Sitzung sind es ab diesem Zeitpunkt nur noch fünf Zinssitzungen bis zum Jahresende.
Ökonomen erwarten 2024 vier Zinssenkungen der EZB
Von Bloomberg befragte Ökonomen rechnen derzeit mit besagter erster Zinssenkung der EZB im Juni. Auf eine Zinspause im Juli folgen dann der Prognose zufolge drei weitere Zinssenkungen bis Dezember. Unter dem Strich würde der Einlagensatz gemäß dieser Vorhersage im laufenden Jahr von 4 auf 3% sinken.
Die Tauben im EZB-Rat, also die Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik, können sich mehrere Zinssenkungen 2024 gut vorstellen. „Sobald die EZB mit der Senkung der Zinssätze beginnt, würde dies nicht durch eine einzelne Zinssenkungsentscheidung geschehen, sondern höchstwahrscheinlich würde es eine Folge von Zinssenkungen geben“, sagte etwa EZB-Chefvolkswirt Lane.
Inflationsrisiko durch Huthi-Rebellen
Die Anhänger einer restriktiven Geldpolitik, die Falken, mahnen hingegen zur Vorsicht. Es gebe einige Aufwärtsrisiken für die Inflation. Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer haben laut Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann das Potenzial, die Inflation länger hoch zu halten. Dies könne im Extremfall dazu führen, dass die EZB die Zinsen 2024 überhaupt nicht senkt.