Aktien und Anleihen 2023 mit Ertragspotenzial
Nach einem enttäuschenden Jahr 2022 bietet das Jahr 2023 aus unserer Sicht Ertragspotenzial in den wichtigsten Assetklassen – bei wohl niedrigerer Volatilität. Auch wenn Aktien von abebbenden Inflationsrisiken mehr profitieren dürften als Anleihen, sehen wir zu Jahresbeginn von einem Übergewicht bei Aktien ab. Denn die Kursbelastungen durch Gewinnrevisionen sind noch nicht ausgestanden.
Gleichzeitig sind Anleihen bereits jetzt deutlich attraktiver geworden. Unterm Strich erwarten wir für beide Assetklassen positive Erträge im Jahr 2023. Für die Aktienmärkte wird der weitere Verlauf der Inflationsraten und vor allem die Einschätzung der Marktteilnehmer mit Blick auf die Inflationsrisiken von großer Bedeutung sein. Schwinden die Inflationssorgen, dürfte es auf der Bewertungsseite weitere Entspannung geben. Für einen nachhaltigen Aufwärtstrend bilden jedoch die Gewinne der Unternehmen das Fundament. Entscheidend für die Aktienkurse sind unseres Erachtens hier insbesondere die Erwartungen an die zukünftigen Gewinne sein. Angesichts der verhaltenen Wachstumsaussichten dürften die Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monaten an den Märkten weiter erodieren.
Für Europa prognostiziert der Konsens der von Bloomberg befragten Analysten für 2023 ein Gewinnplus von 2,0 %. Auf Basis unserer BIP-Prognosen rechnen wir jedoch damit, dass die Gewinne der im Stoxx 600 gelisteten Unternehmen 2023 um 6 bis 8% zurückgehen werden. Denn angesichts sinkender realer Einkommen dürften die Unternehmen 2023 enorme Schwierigkeiten haben, Kostensteigerungen weiterzugeben, wodurch die Margen unter Druck geraten dürften. Auch die hohen Lagerbestände – insbesondere in den USA – werden wohl die Verkaufspreise und damit die Gewinne belasten. Die schlechteren fundamentalen Unternehmensdaten werden vor allem in der ersten Jahreshälfte belasten. Dank aufkommender Konjunkturhoffnungen sehen wir für die Aktienmärkte dann aber bis zum Jahresende 2023 eine nachhaltige Erholung. Die Bewertung profitiert dabei von etwas niedrigeren Staatsanleiherenditen nach dem Ende des Zinserhöhungszyklus, nachlassendem Preisdruck und einer höheren Risikobereitschaft der Investoren.
Anleihen wieder attraktiver
Das Anleiheuniversum bietet nach dem Zinsanstieg inzwischen ein Ertragspotenzial wie seit langer Zeit nicht mehr. Inwiefern die Kurse – wie zuletzt – nochmals stärker unter Druck kommen, hängt insbesondere vom Inflationsverlauf und von den Notenbanken ab. Insbesondere im Falle eines nochmaligen Renditeanstiegs sollte erwogen werden, die Duration in den Rentenportfolios moderat und schrittweise zu erhöhen. So kann von einer möglichen Rezession, verbunden mit Zins- und Renditerückgängen, profitiert werden. Trotz wirtschaftlichem Abschwung und steigender Verschuldung im Euroraum rechnen wir nicht mit einer wesentlichen Verschlechterung der Bonität bei europäischen Staatsanleihen. Allenfalls für Italien besteht aufgrund der politischen Unsicherheit ein erhöhtes Risiko einer Ratingverschlechterung. Zugleich dürfte die Euro-Peripherie grundsätzlich ein volatiles Pflaster bleiben. Dafür sprechen die Inflationsdynamik, die geopolitische Lage sowie die Absicht der EZB, im noch jungen Jahr ihre Bilanz zu schrumpfen.
Investoren können im Rahmen taktischer Engagements von Spread-Einengungen profitieren. Wir haben die Chancen, die sich derzeit bei Staatsanleihen der Euro-Peripherie bieten, im Blick. Wir bleiben aber zunächst vorsichtig positioniert. Gleichzeitig sind die Risikoaufschläge (Credit Spreads) für Unternehmensanleihen deutlich angestiegen und bieten nunmehr eine attraktive Kompensation für gestiegene Ausfall- und Zinsrisiken. Allerdings gilt bis in das erste Halbjahr 2023 auch hier das Prinzip Vorsicht. Dies trifft ebenso für qualitativ hochwertige Investment-Grade-Titel zu. Denn in der ersten Jahreshälfte 2023 ist temporär und je nach Ausprägung der möglichen Rezession von hohen Volatilitäten im Renten-Universum auszugehen.
Das vergangene Jahr war von Krisen heimgesucht. Trotzdem konnte die vermeintliche „Krisenwährung“ Gold davon nicht wirklich profitieren. Dass der Goldpreis nicht die 2000er-Marke erklommen hat, dürfte dem rekordverdächtigen Zinsanstieg zuzuschreiben sein, der zinstragende Vermögenstitel attraktiver gemacht hat. Die Opportunitätskosten der Goldhaltung – Gold trägt keinen Kupon – wurden geringer. Im Jahr 2023 dürften sich die Konstellationen aber zum Vorteil von Gold ändern. Erstens: Der Hochpunkt bei den Zinsen dürfte allmählich überschritten werden. Das stützt für sich genommen den Goldpreis. Zweitens verbleibt genügend geopolitische und wirtschaftliche Unsicherheit, die stützend für den Goldpreis wirkt. Und schließlich scheinen sich drittens die Notenbanken weltweit darin einig zu sein, ihre Goldreserven weiter aufzustocken. Daher bleiben wir in Gold (mindestens) neutral gewichtet. Unsere Preisspanne für 2023 liegt zwischen 1600 bis 2000 Dollar pro Unze.
Moderater Dämpfer
Erst wenn klar ist, wie stark die Gewinne aufgrund niedrigerer Margen und eines geringeren Umsatzwachstums tatsächlich unter Druck geraten, ist der Boden für höhere Aktiengewichtungen gelegt. Die am meisten erwartete (US-)Rezession in der Geschichte könnte am Ende sehr milde respektive ganz ausfallen. Diesseits des Atlantiks dürfte der Konjunkturdämpfer gleichfalls deutlich moderater verlaufen, als vor wenigen Monaten noch erwartet. Den europäischen – zyklischeren – Markt werden wir perspektivisch gegenüber dem US-amerikanischen präferieren. Die Rentenmärkte werden die Aktienmärkte 2023 wohl nicht erneut nach unten ziehen. Vielmehr bietet das Anleiheuniversum ebenfalls lukrative Chancen. Das Jahr 2023 dürfte einige „Performance-Wunden“ aus 2022 heilen.