Assetmanager sieht stärkere Rezessionssorgen
kjo Frankfurt
Angesichts der bevorstehenden Straffung der Geldpolitik besteht erhebliche Unsicherheit da-rüber, wie die Realwirtschaft mit deutlich höheren Zinssätzen zurechtkommen wird. Die angedeutete Verringerung der geldpolitischen Ak-kommodation könnte Short-Wetten auf Anleihen schnell in Frage stellen, weshalb eine Erhöhung der Duration (Kapitalbindungsdauer) zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll erscheint. Diese Einschätzung vertritt der Assetmanager T. Rowe Price.
„Wir haben vor kurzem die Duration von Kernmärkten innerhalb der Strategie erhöht – darunter US-Treasuries, Gilts und Bundesanleihen. Unsere Gesamt-Duration ist nun neutral gegenüber der Benchmark. Allerdings sind wir in den Peripherieländern der Eurozone weiterhin untergewichtet, da sich die Spreads in Ländern wie Italien mit der Rücknahme der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank ausweiten dürften“, sagt Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager bei T. Rowe Price. Man halte weiterhin ein beträchtliches Engagement außerhalb der Benchmark in inflationsgebundenen Anleihen.
Nach dem starken Abwärtsdruck im bisherigen Jahresverlauf stelle sich Anlegern in festverzinslichen Wertpapieren zunehmend die Frage, ob jetzt der richtige Zeitpunkt sei, um davon zu profitieren. Es gebe Anzeichen dafür, dass man den Höhepunkt des steigenden Inflationsdrucks und der Inflationserwartungen überschritten haben könnte. „Während wir davon ausgehen, dass die Preise in den kommenden Monaten hoch bleiben werden, deutete US-Finanzministerin Janet Yellen an, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Weil die Märkte eine weitere geldpolitische Straffung der Federal Reserve aggressiv einpreisen, deutet Yellens Aussage darauf hin, dass der globale Anleihemarkt wieder in Schwung kommen könnte“, sagt Fitzsimmons. Er sieht fünf Gründe, die dafür sprechen, dass der Ausverkauf an den Anleihemärkten an Fahrt zu verlieren scheint.
Der Markt habe eine geldpolitische Straffung aggressiv eingepreist. Die Anleger würden nun mit neun Zinserhöhungen der Fed um 25 Basispunkte im Jahr 2022 rechnen, was auf einen impliziten Zinssatz von mehr als 2,75% zum Jahresende hindeute – der höchste Wert seit dem Crash von 2008. Damit liege die Messlatte für die Fed sehr hoch, und jeder ‚dovishe‘ Ton könnte die Renditen zurückgehen lassen. Während einige politische Entscheidungsträger Ende vorigen Jahres darauf bestanden hätten, dass die EZB die Zinsen im Jahr 2022 nicht anheben werde, sei jetzt von einer Anhebung bereits im Juli die Rede.
Anhaltende TINA-Phase
Die realen Zinssätze würden sich dem positiven Bereich nähern. Die Diskussion über die Bewertungen an den Anleihemärkten werde auch durch das Niveau der Realzinsen untermauert. Der aggressive Zinserhöhungskurs der Fed habe die Inflationserwartungen vorübergehend in den Schatten gestellt und die zehnjährigen Realrenditen zum ersten Mal seit Anfang 2020 in den positiven Bereich getrieben. „Die Aussicht auf positive Realrenditen dürfte die Anleger wieder in festverzinsliche Anlagen locken. Nach einer anhaltenden TINA-Phase – there is no alternative – ist es verständlich, wenn Anleger von einer Anlageklasse angezogen werden, die in diesem Umfeld hoher Inflation reale Renditen bietet“, so der Experte.
Der Portfolioschutz werde immer wichtiger. Da die Rezessionssorgen weiter zunehmen würden, sei dies typischerweise ein Umfeld, in dem hochwertige festverzinsliche Wertpapiere besser abschneiden würden. „In Anbetracht der derzeitigen turbulenten globalen Lage bleibt der Portfolioschutz mit hochwertigen Vermögenswerten von entscheidender Bedeutung. Es besteht auch das Risiko, dass Europas Energieversorgung drastischer als derzeit erwartet unterbrochen wird, was Deutschland und Europa in eine Rezession treiben würde. Sollten die Rezessionsrisiken deutlich zunehmen, ist mit einem Abwärtsdruck auf die Renditen zu rechnen, da die Anleger sich beeilen, ihre Portfolios zu schützen“, sagt er.
Nach dem scharfen Kurssturz gebe es Anzeichen dafür, dass die Anleger beginnen könnten, sich mit Short-Positionen einzudecken. Im Januar hatten Anleger eine Netto-Leerverkaufsposition in US-Treasuries von 37%, so viel wie seit Ende 2017 nicht mehr. Das Zusammentreffen von sich zuspitzendem Inflationsdruck und der Nachfrage nach sicheren Häfen habe jedoch zu einer gewissen Eindeckung von Leerverkäufen geführt, so dass die Netto-Leerverkäufe am Markt am 25. April bei 13% lagen. Eine Eskalation der Rezessionssorgen oder negative Inflationsüberraschungen würden die Eindeckung von Leerverkäufen wahrscheinlich weiter beschleunigen. Zudem dürfte sich die institutionelle Nachfrage als robust erweisen.