Axa sieht Gewinne als „Booster“
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Axa Investment Managers (Axa IM) hat in ihrem Marktausblick leichte Korrekturen im Vergleich zur Einschätzung Mitte des Jahres vorgenommen. Die Strategen rechnen nunmehr mit einem Gegenwind an den Märkten und geben als Motto für Investoren „Halbe Kraft voraus“ aus. Bevorzugte Anlageklasse bleiben Aktien, während die Anlagefachleute von Axa bei Staatsanleihen und Corporate Bonds zurückhaltend sind. Diese Einschätzung gab Anlagestratege Franz Wenzel auf einer Online-Veranstaltung für Vertriebspartner. Axa IM ist ein globaler Assetmanager mit einem verwalteten Vermögen von rund 870 Mrd. Euro.
Unterstützung erhalten die Märkte 2021 und 2022 weiterhin durch eine dynamische konjunkturelle Entwicklung. Allerdings ist Wenzel etwas vorsichtiger geworden: „Die Konjunktur schaltet einen Gang zurück und hat als Turbolader für die Märkte ausgedient.“ Noch sei die gute Auftragslage dafür verantwortlich, dass die Unternehmen gute Gewinne produzieren.
Nur geringe Sorgen macht dem Axa-Anlagestrategen die Inflation. „Wir gehen davon aus, dass in den USA die Inflation weiter hoch bleiben wird. Das sieht man auch daran, wie viele Containerschiffe vor den US-Häfen liegen.“ Doch diese Engpässe werden sich zum Ende des Jahres beziehungsweise Anfang nächsten Jahres auflösen. Die höhere Inflation bedingt aus Sicht von Wenzel leicht steigende Zinsen. „Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsen wahrscheinlich 2023 anheben wird.“ Die Zinsen für die zehnjährigen US-Staatsanleihen würden seiner Einschätzung nach in Richtung 2% steigen, „aber auch nicht viel weiter“. Derzeit beträgt die Rendite der Treasuries knapp 1,6%.
Entschieden weist der Anlagestratege das Szenario einer Stagflation zurück. Anders als in früheren Stagflationen sei die Lage durch Angebots- und Nachfrageschocks geprägt. Wenzel verweist beispielsweise auf die Ölpreise, die Lage am Halbleitermarkt und die hohen Sparquoten. „Die aktuelle Situation ist nicht mit früheren Phasen vergleichbar.“ Wenzel zeichnet das Bild einer konjunkturellen Erholungsphase mit einer Inflation – sieht aber „ganz klar keine Hinweise auf eine Stagflation“.
Das Thema Inflation wird aus Sicht von Wenzel Spuren in der Geldpolitik der Industrieländer hinterlassen. Axa Investment Managers geht wie die meisten Experten davon aus, dass die US-Notenbank die Anleihekäufe reduzieren wird. Bei Leitzinserhöhungen rechnet man mit einem ersten Schritt im Jahr 2023. „Inflation und Wachstum fordern die US-Notenbank zum Handeln“, sagt Wenzel. Beim US-Wachstum geht er davon aus, dass das „Überwachstum“ von 5,75% in diesem Jahr sich 2022 in Richtung 4,5% beruhigen wird. Bei der Geldpolitik sei ein vorzeitiges Handeln möglich, sollte sich die Inflation hartnäckiger zeigen, „eine manuelle Steuerung auf Sicht“. So oder so rechnet der Stratege damit, dass die Fed die Liquiditätsschleusen langsam schließen wird.
Anders als in den USA sieht Wenzel in der Eurozone keinerlei Bedarf für die Europäische Zentralbank (EZB), aktiv zu werden. Er geht davon aus, dass die EZB die Märkte unverändert mit Liquidität versorgt. „Frau Lagarde wird ihren Tanker weiterhin mit ruhigen Händen steuern.“ Es könne nicht im Interesse der EZB sein, die Konjunktur zum Erliegen zu bringen.
Risikopapiere Nummer 1
Für Anleger läuft das Szenario von Axa IM auf eine Übergewichtung von Risikopapieren hinaus. Für Aktien sprächen inzwischen in erster Linie die positiven Unternehmensgewinne, meint Wenzel. Die Liquidität als zentrale Stütze und als Treiber der Kurse habe den Zenit überschritten. Als „Booster“ für Aktien würden nun die Gewinne wirken, die damit den Staffelstab von der Liquidität übernommen hätten, wie Wenzel es beschreibt. Die Wertentwicklung werde sich aber weniger dynamisch entwickeln als im zu Ende gehenden Jahr. Bezogen auf die einzelnen Segmente sieht Wenzel weniger Chancen im Bereich von Wachstumsaktien, da die Bewertung sich trotz signifikant unterdurchschnittlicher Wertentwicklung kaum verbessert habe.
Die Value-Rally sollte sich dagegen auch in den kommenden Quartalen fortsetzen, es sei denn, die Konjunktur würde sich wieder deutlich eintrüben oder die Zinsen am langen Ende würden sinken. In jedem Fall müssten Investoren mit einer weiter hohen Volatilität rechnen, die durch Coronavirus-Mutanten, Wachstumssorgen oder einen überraschenden Kurswechsel der Fed noch verstärkt werden könnte.
Negativ beurteilt der Anlagestratege wie in den vergangenen Monaten die Aussichten für Staatsanleihen. Das betreffe nicht nur Treasuries, auch in Europa könnten sich die Papiere den steigenden US-Renditen nicht entziehen. Die Erwartung von höheren Zinsen am kurzen Ende belaste diesen Markt. Auch Unternehmensanleihen seien derzeit kaum attraktiv.