Anlagestrategie

Carmignac priorisiert Kapital­erhalt

Der französische Assetmanager Carmignac erwartet für die kommenden Monate anhaltenden Gegenwind für die Finanzmärkte und ist daher derzeit sehr vorsichtig positioniert und auf Kapitalerhalt bedacht.

Carmignac priorisiert Kapital­erhalt

ck Frankfurt

Nach Einschätzung von Carmignac stehen den Finanzmärkten weitere schwierige Monate bevor. Vor diesem Hintergrund fährt der französische Assetmanager derzeit eine sehr vorsichtige, vor allem auf Kapitalerhalt ausgerichtete Positionierung, wie Gergely Majoros, Mitglied des Investment-Komitees von Carmignac, am Donnerstag in einem Pressegespräch erläuterte.

Das Umfeld der Finanzmärkte habe sich stark verändert, so Majoros. Im zurückliegenden Jahr habe es noch ein „Goldilocks“-Umfeld gegeben. Das Wirtschaftswachstum sei in Ordnung gewesen, die Inflation nicht zu hoch, die Zentralbanken weiter akkommodativ. „Heute sehen wir das Gegenteil: eine Art Reverse Goldilocks.“ Das Wachstum sinke, 2023 werde es eine Rezession geben, die Inflation werde nachhaltig bleiben und höher sein, als dies erwartet worden sei.

„Wir sehen zwar eine Verlangsamung des Wachstums in den USA“, so Majoros. Die Konjunktur sei aber noch zu stark für die von der Fed verfolgte Inflationsbekämpfung. Der US-Konsument sei aufgrund hoher Ersparnisse infolge u. a. der pandemiebedingten Fiskalstützung und des starken Arbeitsmarktes gut aufgestellt, Ausgaben zu tätigen. Die Gehälter werden Majoros zufolge weiter steigen. Vor allem im Bereich der Geringverdiener gingen sie sehr stark hoch. Das sei der Fed ein Dorn im Auge, weil durch das Lohnwachstum eine Spirale begonnen habe. Die Fed müsse deswegen handeln. Die Kredibilität der US-Notenbank drohe in Frage gestellt zu werden, wenn die Inflation aus dem Ruder laufe. Sie habe keine andere Wahl, als die Finanzkonditionen zu verschlechtern, um die Dynamik zu stoppen. Der Markt erwarte einen Anstieg des Leitzinses bis auf 4%, so dass höhere Leitzinsen bereits eskomptiert seien, ebenso die Herausnahme von Liquidität. Allerdings müsse die Fed auch gegen den Wohlstandseffekt vorgehen, der sich durch die hohen Immobilienpreise und Aktienkurse ergebe. Damit sei Volatilität an den Aktien- und Immobilienmärkten in den USA vorprogrammiert.

Die Fed müsse ihrem Auftrag gemäß für Preisstabilität, Vollbeschäftigung und Finanzmarktstabilität sorgen. Ihre Priorität werde in den kommenden Monaten die Preisstabilität sein, auch wenn das zu Lasten der beiden anderen Ziele gehe. Sie habe deutlich gemacht, dass sie den Leitzins in den restriktiven Bereich bringen werde. Allerdings wisse niemand, wo das neutrale Zinsniveau liege. Bisher habe sie es in ihrer Kommunikation mit nominal 2,5% und real 0,5% angesetzt. Majoros geht davon aus, dass das neutrale Niveau über 2,5% liegt und die Fed angesichts des stark aufgestellten Konsumenten und des starken Arbeitsmarktes noch mehr machen muss, was die Leitzinsen betrifft, um den restriktiven Bereich zu erreichen.

Sinkende Gewinne

Majoros befürchtet darüber hinaus, dass die Unternehmensgewinne deutlich sinken werden. „Wir werden eine Gewinnrezession sehen.“ Die Personalkosten würden weiter steigen, was zu Lasten der Margen gehen werde, und das unabhängig davon, ob eine Rezession folgen werde. Wenn auch eine Rezession folge, werde es nicht nur ein Margen-, sondern auch ein Umsatzproblem geben. Auch aufgrund der hohen Verschuldung rechnet Majoros wegen steigender Zinsen bzw. der real positiven Zinsen mit Volatilität bzw. fragilen Märkten.

Wesentlich fragiler sei Europa, weil es viel stärker dem Schaden durch den Ukraine-Krieg und die Energiepreise ausgesetzt sei als die USA. Anders als in den USA sei die reale Lohnentwicklung in Europa sehr negativ geworden. Majoros befürchtet angesichts der hohen Inflation und der nicht mithaltenden Lohnentwicklung soziale Unruhen. Darüber hinaus verwies er auf die Risiken für die Schuldentragfähigkeit der Peripherieländer, die von den deutlich gestiegenen Zinsen ausgehen. Zuversichtlicher ist er für China. Konjunkturell gehe es dort von einem sehr niedrigen Niveau aus wieder aufwärts. Das Land öffne wieder, die chinesische Führung habe geldpolitische und fiskalische Stützungsmaßnahmen beschlossen. Das sei das Gegenteil dessen, was in den USA und Europa zu sehen sei. Aus Portfoliosicht mache es daher Sinn, China wieder anzusehen.

Für die nächsten Monate ist Majoros zufolge angesichts der Unsicherheit eine vorsichtige Positionierung mit Kapitalerhalt als Priorität ratsam. Carmignac hat Majoros zufolge u. a. über den Einsatz von Derivaten zur Absicherung netto de facto keine Aktien, außerdem im Anleihebereich kaum Duration. Allerdings sei die Situation nicht einfach. Einiges sei schon eingepreist, die Attraktivität der Rentenmärkte sei deutlich gestiegen. Skeptischer ist Majoros für Aktien. Hier gebe es noch Potenzial nach unten. Ein Grund seien die Gewinne. „Wenn die Gewinne und Gewinnerwartungen sinken, ist das keine Unterstützung“, so Majoros. Die Korrektur der zurückliegenden Monate sei vor allem ein Bewertungsproblem gewesen. Nach vorne gesehen würden nun die Gewinne zum Problem. Deswegen sei Carmignac derzeit vorsichtig. Hinzu komme, dass die Volatilität in einem Umfeld, in dem die Zentralbanken die Finanzkonditionen verschlechtern wollten, hoch sei.

Allerdings rechnet Majoros mittelfristig bzw. in einigen Monaten mit einer Beruhigung an den Märkten, etwa durch eine nachlassende Inflation bzw. weniger aggressive Politik der Notenbanken. „Dann wollen wir die Absicherungen auflösen und von der Marktentwicklung profitieren.“

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