Devisenmarkt

Chancen für Rohstoff­währungen

Mit dem Krieg in der Ukraine setzten am Devisenmarkt Fluchtbewegungen ein. Als sichere Währungen galten der Dollar, der Franken und der Yen. Jetzt rücken zunehmend Rohstoffdevisen in den Vordergrund.

Chancen für Rohstoff­währungen

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Der Ausbruch der Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben bei Investoren das Bedürfnis nach Sicherheit geweckt. Der Verkauf von riskanten Assets und die Flucht in stabile Vermögenswerte sind nicht nur bei Aktien und Anleihen, sondern auch bei Währungen zu beobachten. Gesucht sind die Safe-Haven-Währungen. Traditionell eignete sich neben Yen und Franken der Dollar als Schutz vor Unsicherheit. Am Markt wird angesichts des Krieges im Osten Europas derzeit diskutiert, ob die Klasse der sicheren Währungen neu definiert werden muss.

Safe-Haven-Währungen wurden bislang wirtschaftlich bestimmt. Der Schweizer Franken und der Yen zählten dazu, „weil sie durch positive außenwirtschaftliche Positionen wie Handelsbilanzüberschüsse unterstützt werden“, so die Einschätzung von Xueming Song, Chef-Währungsstratege der DWS. Eine politische Neutralität habe bislang eine untergeordnete Bedeutung gehabt, doch künftig müssten die geopolitischen Positionen verstärkt berücksichtigt werden. „Das Spektrum der Safe-Haven-Währungen wird damit etwas breiter“, sagt Song.

Der Krieg hat Auswirkungen auch auf den Dollar als weltweite Leitwährung. Das zeigt sich in der Betrachtung von Ereignissen der Vergangenheit. Allianz Global Investors (AGI) hat Krisen von den Spannungen zwischen den USA und Nordkorea (2017) bis hin zur ersten Ölkrise (1973) betrachtet. „Meistens festigte sich der US-Dollar in den Quartalen nach den genannten Ereignissen in der Tat, im Mittel um etwas mehr als 2 %“, sagt Stefan Hofrichter, Ökonom bei AGI. Lediglich nach Beginn des Zweiten Irakkriegs (2003) und des Arabischen Frühlings (2011) wertete der Greenback deutlich ab. Der Blick in die Vergangenheit zeige, dass einfache Regeln nicht mehr stimmten, etwa dass der Dollar in Zeiten erhöhter Spannungen steige.

Thomas Meißner, Leiter Research bei der LBBW, hat aktuell aber mehrere Faktoren ausgemacht, die zugunsten des Dollar sprechen. Er verweist auf den Leitzinserhöhungszyklus sowie darauf, dass die USA einer der größten Erdölförderer seien. Der Währungsanalyst der Commerzbank, Ulrich Leuchtmann, hat festgestellt, dass es kein Ende der Dominanz des Dollar im grenzüberschreitenden Handel gebe. Für die Stärke des Greenback spreche, dass momentan im Großen und Ganzen der Westen sich mit seiner Sanktionspolitik gegenüber Russland einig sei.

Interventionen bremsen

Der Euro-Franken-Kurs zeigt, dass die Schweizer Währung als „Safe Haven“ derzeit weiter funktioniert. Allerdings fühle sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) beständig aufgerufen, gegen die Wirkungen von Kapitalzuflüssen zu intervenieren. LBBW-Experte Meißner: „Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges war die Parität die Schmerzgrenze.“ Bemerkenswert sei, dass in der aktuellen Situation der Franken nur gegenüber dem Euro deutlich aufgewertet hat, wohingegen zum Dollar sogar eine leichte Abwertung stattfand. In der Coronakrise legte der Franken im Frühjahr 2020 sowohl gegenüber dem Dollar als auch dem Euro zu, wurde aber durch die SNB ausgebremst. „Obwohl der Franken einige Merkmale des Yen aufweist (verzögerte geldpolitische Normalisierung, erheblicher Leistungsbilanzüberschuss), bevorzugen wir den Franken derzeit als sicheren Hafen“, sagt Martin Hochstein von AGI. Die Inflation in der Schweiz sei im internationalen Vergleich immer noch niedrig, so dass die SNB einen Spielraum hat, um die Marktinterventionen zurückzufahren.

Anders sieht die Lage beim Yen aus. Da aktuell die Risikoaversion an den Märkten etwas nachlasse, komme der Yen unter Druck, hat Meißner beobachtet. Hinzu kämen die Zinserhöhungen der Fed, während die Bank of Japan bei ihrer Politik bleibe. Der DWS-Währungsstratege Song weist außerdem auf einen weiteren geopolitischen Konflikt hin. Japan beanspruche die von Russland besetzten Kurilen-Inseln, was den Yen als sicheren Hafen weniger attraktiv mache.

Aussie als Gewinner

Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine am 24. Februar haben vor allem die Währungen der Rohstoffländer profitiert. Der australische Dollar gehört zwar nicht gerade zu den sicheren Häfen, ist aber ein eindeutiger Gewinner. „Die Währungen der Rohstoffländer werden in der nahen Zukunft stark bleiben“, sagt Song. Das dürfte für längere Zeit so bleiben, weil fast alle Länder Zeit brauchen, um ihre Importkanäle für Rohstoffe neu zu organisieren. Meißner nennt zudem die Währungen von Norwegen und Neuseeland, die sich als Energie- und Nahrungsmittelproduzenten am besten entwickelt hätten. Und er hat eine weitere These: „Das Pfund Sterling könnte aufgrund einer geringeren Abhängigkeit von Energieimporten im Verhältnis zum Euro einen quasisichereren Hafen darstellen.“ Bislang wartet die LBBW aber noch darauf, dass diese Wette aufgeht.

Betrachtet man die Kursentwicklung zum Euro, zeigt sich auch eine Stärke beim Yuan. Doch keiner der Experten würden die chinesische Währung aktuell in die Ecke eines sicheren Hafens rücken. Leuchtmann argumentiert, dass der Yuan gerade mal einen Anteil am grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr von 2% habe. Angesichts der Tatsache, dass China den größten Außenhandel weltweit habe, sei das ein vernichtendes Urteil des Finanzsystems über den Yuan. Die Währung sei weiterhin nicht frei konvertierbar, so Leuchtmann. Hinzu komme, dass China zu Kapitalverkehrskontrollen bereit sei. „Das macht die Währung als Wertaufbewahrungsmittel ungeeignet.“ Er warnt davor, den Yuan als attraktive Alternative zum Dollar in Betracht zu ziehen.

Unterm Strich beantwortet Song die Frage, welche Währungen die sichersten Häfen seien, kurz und knapp: „Der Dollar-Block, also der US-Dollar, der kanadische Dollar, der australische Dollar und der Neuseeland-Dollar.“ Alles Rohstoffproduzenten, wirtschaftlich solide und geografisch weit vom Konfliktherd entfernt. „Was will man mehr?“

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