Rekordhohe Defaults

Chinas Dollarbond-Schuldner auf wackligem Terrain

Zahlungsausfälle auf chinesische Dollar-Anleihen sprengen alle Dimensionen. Breitere Ansteckungsgefahren im Immobiliensektor machen auch solider eingestufte Bauträger zu Wackelkandidaten am Bondmarkt.

Chinas Dollarbond-Schuldner auf wackligem Terrain

Von Norbert Hellmann, Schanghai

In wenigen Tagen soll der chinesische Bauträger Evergrande einen ersten konkreten Rettungs-und Schuldenrestrukturierungsplan vorlegen, der Bond- und Aktienanleger vor hässliche Tatsachen stellen dürfte. Während der unter Rekordverbindlichkeiten von über 300 Mrd. Dollar ächzende Konzern abseits einer massiven staatlichen Auffangaktion längst als hoffnungsloser Fall gelten darf, sorgen sich die Marktteilnehmer zunehmend um die Tragfähigkeit der wichtigsten Branchenkonkurrenten.

Seit Sommer des vergangenen Jahres, als die Welt nach einem haarsträubenden Ergebnis- und Bilanzausweis der Evergrande Group auf die Problematik bei Chinas Immobilienfirmen aufmerksam wurde, hat sich die Bonität und Liquiditätslage der führenden Bauträger weiter rapide verschlechtert. Eine Welle von Zahlungsausfällen am Anleihemarkt, von dem in erster Linie die im Hongkonger Offshoremarkt begebenen und überwiegend bei ausländischen Investoren platzierten Dollar-Bonds betroffen sind, ist die Folge.

Die Ausfallrisiken auf chinesische Dollar-Anleihen zeigen seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts kontinuierlich aufwärts, das Ausmaß der Defaults hat sich allerdings bis einschließlich 2020 noch in relativ engen Grenzen gehalten. Im vergangenen Jahr, als chinesische Bauträger zunehmend zu Wackelkandidaten wurden, schwoll das Volumen der von einem Default betroffenen Dollar-Titel auf einen Rekordwert von rund 14 Mrd. Dollar an. Dabei waren Immobilienentwickler mit gut 9 Mrd. Dollar vertreten. In diesem Jahr ist nun eine geradezu exponentielle Steigerung sichtbar.

Default-Volumen steigt stark

In der ersten Jahreshälfte 2022 haben sich insgesamt 19 chinesische Emittenten einen Default auf ihre Dollar-Anleihen geleistet, 18 von ihnen gehören zum Lager der Immobilienentwickler. Das damit verbundene Default-Volumen ist auf mehr als 21 Mrd. Dollar gestiegen und dürfte in den kommenden Monaten noch rapide zunehmen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s beziffert das Volumen der von entsprechenden Ausfallrisiken betroffenen Anleihen auf rund 73 Mrd. Dollar.

Die Situation wird dabei aus verschiedenen Gründen ungemütlicher. Zum einen sind zahlreiche Immobilienfirmen bislang dadurch über die Runden gekommen, dass sie den Zahlungszeitpunkt für fällig werdende Anleihen über Tilgungsstreckungen oder Umtauschmanöver in neue Anleihen hinausgezögert haben. In den kommenden Monaten laufen allerdings viele dieser Arrangements aus. Zum anderen zeigt sich eine Tendenz zur branchenweiten Ansteckungskrise, bei der es längst nicht mehr um schwarze Schafe wie China Evergrande geht.

So geraten immer mehr zu Jahresanfang noch als solide eingestufte und mit einem Investment-Grade-Rating versehene Immobilienentwickler in die Gefahrenzone, weil sie von einer generellen Vertrauenskrise im chinesischen Wohnimmobilienmarkt betroffen sind. Dies hat in der ersten Jahreshälfte zu einem regelrechten Käuferstreik von Wohnungsinteressenten geführt, die mittlerweile zögern, sich Objekte in erst später fertigzustellenden neuen Immobilienprojekten durch einen in der Regel kreditfinanzierten Vorverkauf zu sichern.

Als bestes Beispiel für die Sogwirkung der chinesischen Immobilienfinanzierungsproblematik gilt der größte Bauträger des Landes, Country Garden Holdings, der bis zum Frühjahr noch ein Investment-Grade-Rating aufwies und mit einem Kursniveau seiner Dollar-Bonds nahe bei 90 Cent auf den Dollar noch als eine Art Fels in der Brandung galt. Zuletzt jedoch ist das Vertrauen in die Stabilität von Country Garden zunehmend erschüttert worden. Vergangene Woche waren die Titel auf bis zu 33 Cent zum Dollar abgerutscht, erholten zuletzt aber wieder auf 43 Cent zum Dollar, weil die Gesellschaft Mut zur Stärkung des Eigenkapitals an den Tag legt.

Country Garden will sich mit einer stark abdiskontierten Kapitalerhöhung etwas mehr Luft in der Bilanz verschaffen, was von den Bondinvestoren goutiert wird. Am Mittwoch kündigte die Gesellschaft die Ausgabe neuer Aktien mit einem Abschlag von 13% auf den Schlusskurs vom Dienstag an und dürfte damit rund 360 Mill. Dollar einsammeln. An der Hongkonger Börse wurde freilich verschnupft auf die Aktion reagiert, die Country-Garden-Aktie brach um 15% auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren ein.

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