Corporates sind im Krisenmodus
Von Carsten Lüdemann*)
Der dramatische Stimmungswandel infolge der russischen Kriegshandlungen hat den Kreditmärkten zugesetzt. Einerseits sind die Kapitalmärkte abrupt in den Risk-off-Modus übergegangen. Dies ist beispielsweise auch an den impliziten Volatilitäten an den Aktienmärkten abzulesen, die auf die höchsten Werte seit mehr als einem Jahr geklettert sind. Andererseits haben sich die kurz- und mittelfristigen Konjunkturaussichten deutlich eingetrübt. Diese hatten gerade begonnen, sich aufzuhellen, um im Frühling von den dann hoffentlich verbesserten Material- und Lieferbedingungen profitieren zu können.
Bremseffekte in Europa
Doch mit den verhängten harten Sanktionen gegen Russland und den zu erwartenden Gegenmaßnahmen – vor allem bei Energie- und Rohstofflieferungen – wird mindestens in den kommenden beiden Quartalen mit starken Bremseffekten in Deutschland und großen Teilen der Eurozone zu rechnen sein. Analog zu den Kursverlusten an den Aktienmärkten sind die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen nochmals ein gutes Stück angestiegen. Diese befanden sich ohnehin gerade in schwierigem Fahrwasser, nachdem klar geworden war, dass die Europäische Zentralbank (EZB) sich beschleunigt aus ihren Wertpapierkaufprogrammen verabschieden will. Seit Herbst 2020 hatten sich die Spreads von Unternehmen aus der Eurozone in engen Bahnen und auf sehr niedrigem Niveau bewegt, da die EZB den Markt mit ihren Anleihekäufen quasi kontrollierte. Dies galt selbst für Finanztitel und für Unternehmen aus dem Hochzinsbereich, die zwar nicht zum Anleiheuniversum der Notenbank gehören, aber über Ausweichkäufe von Investoren ebenfalls sehr stabil auf relativ niedrigem Niveau gehalten wurden.
Inflation steigt
Der sehr kräftige und nicht enden wollende Anstieg der Inflationsraten veranlasste jedoch EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz zum Januar-Zinsentscheid schließlich zur Vorankündigung des Ausstiegs aus den Wertpapierkäufen mit anschließendem Übergang in die Leitzinswende. Die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen mit einem Rating von „BBB“ und einer Laufzeit von etwa fünf Jahren verließen daraufhin ihren 15 Monate währenden Seitwärtstrend zwischen 30 und 55 Basispunkten (BP) und stiegen auf etwa 65 BP an. Dazu addierte sich noch der allgemeine Renditeanstieg von Bundesanleihen und vor allem den Swapsätzen, gegenüber denen Corporates üblicherweise gepreist werden, so dass die Renditen der Unternehmensanleihen in Kürze um über einen halben Prozentpunkt angestiegen sind. Mit der Eskalation in der Ukraine haben sich die Spreads nochmals um gut 10 BP ausgeweitet.
Bundesanleihen handeln aktuell im Spagat zwischen Flucht in Qualität und der Sorge vor weiter ansteigender Inflation. Für den Moment überwiegt ganz klar der Fluchtgedanke, auch der kräftige Preisanstieg von Gold unterstreicht das. Allerdings baut sich mit den nun nochmals stark steigenden Energiepreisen die Inflationswelle immer weiter auf. So sind die Break-even Rates deutscher Inflationslinker vor allem auf kurze und mittlere Laufzeiten dramatisch geklettert. Zweijährige Fälligkeiten waren bis Jahresbeginn auf etwa 2% gestiegen, doch mit der Aussicht, auf Energierohstoffe aus Russland verzichten zu müssen, sind sie auf fast 4% angesprungen. Bei zehnjährigen Laufzeiten ist die Bewegung weniger dramatisch, doch auch hier sind die Inflationserwartungen jüngst sehr kräftig auf 2,2% gestiegen, also auf langfristige Sicht über das EZB-Inflationsziel. Auch wenn die Notenbanker nun ihren geldpolitischen Ausstiegspfad aufgrund der Konjunktureintrübung sicher noch genauer überdenken werden, müssen sie bald gegen den Preisauftrieb angehen und werden die Wertpapierkäufe einstellen und voraussichtlich zum Jahresende die Leitzinswende einläuten.
Bundrenditen werden in dem Umfeld eine deutliche Aufwärtskorrektur vollführen müssen und Investoren Teile ihrer Anlagen umschichten. Unter dem Renditeanstieg werden auch Unternehmensbonds leiden, aber durch die jüngst aufgebauten Risikoprämien bieten sie immerhin einen Puffer gegen die drohenden Bewertungsverluste. Während Bundrenditen mit mittleren Laufzeiten durch die Risikoflucht wieder auf minus 0,4% zurückgefallen sind, bieten Unternehmensanleihen mit gleicher Laufzeit mit einem Rating im Investment-Grade-Bereich von „BBB“ etwa 1% Rendite. Um noch höhere Erträge zu erzielen, können Investoren auch – anstatt längere Laufzeiten zu wählen, die aufgrund der hohen Duration bei weiteren Renditeanstiegen hohe Kursrisiken bergen – in der Kreditkurve weiter nach unten wandern. Für High-Yield-Anleihen mit gleicher Laufzeit liegen die Renditen inzwischen auf der 5-%-Marke. Abgesehen von den dramatischen Ausschlägen zu Beginn der Pandemie haben die Renditen von Unternehmensanleihen zuletzt Ende 2018 so hoch notiert, als die EZB ihr erstes Corporate-Kaufprogramm beendet hatte.
Höhere Ausfallgefahren
Im High-Yield-Bereich müssen sich Investoren über die deutlich höheren Ausfallgefahren bewusst sein. Zwar sind seit dem Hochpunkt der Pandemie die globalen Ausfallraten auf historisch niedrige Werte zurückgefallen, doch können diese bei einer Verschärfung der konjunkturellen Eintrübung auch schnell wieder ansteigen. Unter den von Moody’s beobachteten global ausfallgefährdeten Unternehmen waren zuletzt hauptsächlich chinesische Immobilienentwickler von Zahlungsausfällen betroffen. In Europa ist seit August 2021 keines der beobachteten Unternehmen mehr ausgefallen, und die Default Rates für die jeweils zurückliegenden zwölf geketteten Monate sind auf nur noch 1,2% zurückgefallen. Auch für die kommenden zwölf Monate erwartet Moody’s nur einen moderaten Anstieg der Default Rates auf 2,3%. Viele der hochriskanten Unternehmen haben die außergewöhnlichen Kreditbedingungen der vergangenen Jahre genutzt, sich mit reichlich günstiger Liquidität auch bei längeren Laufzeiten einzudecken.
Gefüllte Auftragsbücher
Zudem sind sie durch die dramatischen konjunkturellen Bedingungen in der Pandemie gezwungen worden, harte Einsparungen und effiziente Strukturierungsmaßnahmen vorzunehmen. Es hat sich gezeigt, dass Firmen durch geschickte Steuerung hin zu Produkten mit höheren Margen, Produktionsanpassungen und Umstrukturierungen in der Lage sind, mit weniger Umsatz höhere Gewinne zu erzielen. Auch sitzen viele Unternehmen auf prall gefüllten Auftragsbüchern, die sie hoffen, abarbeiten zu können, sobald sich Materialknappheit und Lieferprobleme beginnen aufzulösen. Der Krieg in der Ukraine hat aktuell die bisherigen ökonomischen Probleme deutlich in den Schatten gestellt und neue Risiken hinzugefügt. Am Kapitalmarkt führte dies dazu, dass ein großer Teil davon in den erhöhten Risikoaufschlägen schon eingepreist worden ist.
*) Carsten Lüdemann ist im MakroResearch der DekaBank tätig.