Credit-Markt preist geldpolitische Straffung ein
kjo Frankfurt
Die US-Notenbank Fed könnte einen politischen Fehler gemacht haben, indem sie zu spät auf Straffungskurs gegangen ist. Zu den Hauptrisiken in den nächsten Monaten zählen unerwartet starke Zinsschritte, meint der Assetmanager Robeco. In ihrem aktuellen Quartalsausblick gehen die Credit-Experten des Hauses, Victor Verberk, Sander Bus und Jamie Stuttard, von höheren Abwärtsrisiken für die Wirtschaft aus.
Nach zwei Pandemiejahren seien viele Datenreihen verzerrt. Daher sei es schon vor der Eskalation des russisch-ukrainischen Konflikts relativ schwer gewesen, die Wirtschaftslage verlässlich zu bewerten. „Aufgrund des russisch-ukrainischen Konflikts sowie der daraus resultierenden steigenden Ölpreise und zusätzlichen Lieferkettenstörungen müssen wir eindeutig mehr mögliche Szenarien für die weitere Entwicklung des fundamentalen Umfelds durchspielen. Klar ist aber, dass die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft erheblich gestiegen sind und die Gefahr einer Rezession nun offen angesprochen wird“, sagt Verberk, Co-Head des Credit-Teams von Robeco.
Die Bewertungen seien seit Veröffentlichung des Ausblicks Anfang Dezember deutlich zurückgegangen. Dabei sei die Prämie für das Liquiditätsrisiko stark gestiegen, was sich auch in höheren Spreads für europäische Swaps niederschlage. „Aus technischer Sicht besteht unsere größte Sorge darin, dass die Zentralbanken hinter der Kurve liegen. Unserer Ansicht nach hat die Fed ganz klar einen Fehler gemacht, indem sie so spät auf Straffungskurs gegangen ist. Die Hauptrisiken sehen wir darin, dass die Zinsschritte in den nächsten Monaten stärker ausfallen als erwartet und die Inflation nicht nur länger anhält, sondern auch höhere Spitzen erreicht“, heißt es bei Robeco weiter.
Schwerer Schlag
Die Krise in der Ukraine sei für die europäische Wirtschaft ein schwerer Schlag: Die Lieferketten würden zusätzlich unter Druck geraten, während die europäischen Länder ganz erheblich von russischen Energie- und ukrainischen Agrarrohstoffimporten abhängig seien. Zugleich befinde sich die US-Wirtschaft bereits in der Überhitzung, obwohl die Konjunkturerholung nicht einmal zwei Jahre jung sei. Der Arbeitsmarkt habe sich bereits weitgehend erholt, und die Löhne würden zunehmend breit basiert steigen. „Dieser Teil der Aufgabe ist für die Fed also erledigt. Bleibt die Inflation als größtes Sorgenkind – für die Notenbanken wie die Finanzmärkte gleichermaßen“, so die Experten. Mit Blick auf den relativen Wert der aktuellen Credit-Märkte kommt der Assetmanager zu dem Schluss, dass die Rücknahme der quantitativen Lockerung und die Erwartung einer geldpolitischen Straffung in den kommenden Monaten in den Marktpreisen und Credit Spreads bereits eingepreist sind – andere Szenarien jedoch nicht. Erstens möge der aktuelle Ölpreisschock zwar nicht zwangsläufig dieselben inflationären und rezessiven Folgen haben wie in den 1970er Jahren. Doch der aktuelle angebotsbedingte Ölpreisschock weise hohe Ähnlichkeiten mit damals auf, so dass eine deutlichere Wirtschaftsabkühlung und eine stärkere Reaktion der Spreads möglich erschienen.
Zweitens sind die Kapitalmarktexperten nicht so sicher, ob ein russischer Zahlungsausfall, der nominal einer der größten in der Geschichte wäre, tatsächlich schon vollständig in den Risikoprämien eingepreist ist. Drittens erscheint den Credit-Experten ein Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 5,5% immer unwahrscheinlicher. China habe in den vergangenen zehn Jahren mehr als 50% des Margenbeitrags zum globalen BIP-Wachstum geleistet, so dass ein Wachstumsrückgang für Enttäuschung sorgen könnte. Mit Blick auf die Bewertungen kommen die Experten zu dem Schluss, dass die Spreads wieder ungefähr ihren Medianwert erreicht haben – also höher sind als zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen sieben Quartalen. „Daher werden wir keine Short-Risikopositionen mehr eingehen, warten jedoch auf höhere Risikoprämien, um eine Long-Risikoposition einzunehmen. Wir konzentrieren uns dabei auf eine sorgfältige Auswahl der Aktien und Sektoren sowie auf regionale Spread-Unterschiede“, so der Assetmanager.
Keine guten Vorzeichen
Auf Ölschocks würden die Zentralbanken in der Regel mit einer strafferen Geldpolitik reagieren. Historisch seien einer Rezession häufig Ölschocks und ein Zinsstraffungszyklus vorausgegangen. Besonders akut seien die Wachstumsrisiken, wenn ein Ölschock durch exogene Ereignisse auf der Angebotsseite ausgelöst werde und nicht durch die Nachfrageseite. Das seien keine guten Vorzeichen. Zugleich hätten die Zentralbanken den Märkten enorme Liquidität zugeführt, weshalb zusätzliche Volatilität entstehen könnte, wenn diese wieder abgezogen werde. Der Zeitpunkt sei also für die Zentralbanken ungünstig, um Liquidität abzuziehen. Doch einmal mehr lasse ihnen die hohe Inflationsrate keine Wahl.