BundestagswahlReaktionen zur Wahl

Deka-Chefvolkswirt: „An den Anleihemärkten stehen die Zeichen auf eher sinkende Kurse“

Nach Meinung von Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater stehen nach der Wahl an den Anleihemärkten die Zeichen auf eher sinkende Kurse. Insgesamt seien die Chancen für stabile politische Verhältnisse nicht schlecht.

Deka-Chefvolkswirt: „An den Anleihemärkten stehen die Zeichen auf eher sinkende Kurse“

„Die Aussichten für eine erfolgversprechende Regierungsbildung wurden zwar im Foto-Finish entschieden, aber jetzt stehen die Chancen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und für stabile politische Verhältnisse nicht schlecht“, kommentiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, den Wahlausgang aus Kapitalmarktsicht.

„An den Anleihemärkten jedoch stehen die Zeichen auf eher sinkende Kurse“, erklärt Kater. „Denn die politischen Herausforderungen werden nur durch mehr Verschuldung umsetzbar sein. Hier heißt es, maßvoll zu bleiben, denn wer zu sehr auf eine Wirtschaftspolitik auf Pump setzt, der treibt die Zinsen nach oben.“

Das Wahlergebnis werde die ersten zarten Erholungstendenzen in der deutschen Konjunktur unterstützten. „Aus Sicht von Wirtschaft und Kapitalmärkten ist es jetzt wichtig, schnell eine Regierung und ein Wirtschaftsprogramm aufzustellen, die den notwendigen Strukturwandel in der deutschen Wirtschaft unterstützen und der Wirtschaft wieder mehr Freiraum für unternehmerische Entscheidungen geben. Verbesserte Angebotsbedingungen bei sozialer Absicherung, das könnte ein erfolgversprechendes Wirtschaftsrezept einer neuen Koalition sein“, sagt Kater. „An den Aktienmärkten ist diese Perspektive in den Wochen vor der Wahl bereits eingepreist worden. Insofern sind die Kursreaktionen auf die Wahl sehr moderat.“

Für den Dax hat die Wahl keine allzu großen Auswirkungen. Dessen Mitglieder „leben“ weniger von Deutschland als vielmehr von der globalen Wirtschaftsdynamik. Der Mittelstand, größtenteils nicht börsennotiert, ist dagegen stärker betroffen. Und ich fürchte, dass die notwenige und viel zitierte „Wirtschaftswende“ auch unter dem wahrscheinlichen Bündnis aus Union und SPD schwerlich herbeizuführen sein wird. Zumal mit der FDP das ökonomische Gewissen aus dem Bundestag verschwunden ist – und stattdessen das radikale Gedankengut gewonnen hat. Für ausländische Investoren ist der Standort Deutschland jedenfalls nicht bedeutend attraktiver geworden.

Kaum Auswirkungen auf den Dax

Philipp Vorndran, Partner bei Flossbach von Storch, sagt gegenüber der Börsen-Zeitung: „Für den Dax hat die Wahl keine allzu großen Auswirkungen. Dessen Mitglieder „leben“ weniger von Deutschland als vielmehr von der globalen Wirtschaftsdynamik. Der Mittelstand, größtenteils nicht börsennotiert, ist dagegen stärker betroffen. Und ich fürchte, dass die notwenige und viel zitierte „Wirtschaftswende“ auch unter dem wahrscheinlichen Bündnis aus Union und SPD schwerlich herbeizuführen sein wird. Zumal mit der FDP das ökonomische Gewissen aus dem Bundestag verschwunden ist – und stattdessen das radikale Gedankengut gewonnen hat. Für ausländische Investoren ist der Standort Deutschland jedenfalls nicht bedeutend attraktiver geworden.“

Markt favorisiert eindeutiges Ergebnis

„Der Kapitalmarkt favorisiert das eindeutige Wahlergebnis. Denn damit besteht nun eine berechtigte Hoffnung auf eine expansivere Fiskalpolitik, moderate Wachstumsimpulse, sowie Steuersenkungen für Unternehmen und Privathaushalte bei Inkaufnahme einer höheren Neuverschuldung und höhere Investitionsausgaben", erklärt Oliver Schmidt, CIO bei Metzler Asset Management, gegenüber der Börsen-Zeitung. „Letzteres sowohl staatlich als auch begünstigt durch private Investitionen, die den Standort Deutschland wieder positiver bewerten könnten.“

„Durch das Wahlergebnis ist es nun wahrscheinlich, dass es zu einer weiteren Steigerung der Rüstungsausgaben sowie zu einer Modernisierung der Infrastruktur kommen kann“, betont Schmidt. „Die künftige Regierung wird vermutlich Korrekturen bei der Energiepolitik vornehmen, was im Grundsatz zu potenziell günstigeren Energiepreisen in Deutschland führen kann.“

MDax gegenüber Dax bevorzugen

Trotz dieser positiven Aussichten seien keine signifikanten Auswirkungen auf die Assetklasse Aktien zu erwarten. „Es könnte zu einer kurzfristigen Belebung des deutschen Aktienmarktes kommen. Auch wenn der Dax bislang durch international tätige Unternehmen eine robuste Performance zeigte, gibt es auf Sicht Potenzial für Unternehmen mit einem höheren Inlandsanteil. Diese haben noch Aufwärtspotenzial, vor allem aufgrund des sehr negativen Marktsentiments und der derzeit geringeren Bewertungen“, sagt Schmidt. „Auf Index-Ebene könnte der MDax gegenüber dem Dax bevorzugt werden, da er eine stärkere Ausrichtung auf den heimischen Markt hat.“

Der wichtigste Einflussfaktor auf die Rentenmärkten werde die Frage der Schuldenbremse sein. „Sollte eine neue Regierung die Schuldenbremse aufheben und die Haushaltsausgaben stärker ansteigen, als bislang angenommen, könnte dies zu steigenden Renditen auf Staatsanleihen führen, was zu Kursverlusten bei den derzeitigen Anleihehaltern führen würde“, betont Schmidt.

Small und Mid Caps sollten profitieren

„Die positive Marktreaktion auf den Wahlausgang ist nachvollziehbar. Die Möglichkeit einer Zwei-Parteien-Koalition und eine Sperrminorität die Reformwege offen hält, sollten unterstützend wirken. Wachstumsimpulse könnten in naher Zukunft vor allem durch eine gesteigerte Investitionsbereitschaft und größere Konsumlaune resultieren“, erklärt Maximilian Kunkel, Chefanlagestratege für UBS in Deutschland.

Der deutsche Aktienmarkt scheine die neue politische Konstellation jedoch noch nicht auf breiter Basis zu eskomptieren. „Zwar haben deutsche Aktien vor der Wahl gut abgeschnitten, aber nur fünf Unternehmen waren in den letzten drei Monaten für 61% der Rallye im MSCI Deutschland verantwortlich“, erläutert Kunkel. „Eine reformorientierte Regierung sollte zu einem wachstumsfreundlicheren Umfeld und einer Ausweitung der Marktbreite beitragen, und somit weiteres Aufwärtspotenzial für deutsche Aktien generieren. Zusätzlich sprechen die unternehmensspezifischen Entwicklungen weiterhin für einige der größten deutschen Einzeltitel.“

Über den Dax hinaus sollten nach Meinung der UBS vor allem europäische klein- und mittelgroßkapitalisierte Unternehmen von den deutschen Wachstumsaussichten profitieren. „Diese handeln aktuell mit dem größten Abschlag seit 20 Jahren gegenüber großkapitalisierten Unternehmen“, rechnet Kunkel vor. „Sie sollten überdurchschnittlich von einer Lockerung der Geldpolitik und, aufgrund der stärkeren binnenwirtschaftlichen Ausrichtung, von der Bodenbildung im europäischen Wachstum profitieren.“

Aktienmarkt bleibt ungeduldig

Gegenüber der Börsen-Zeitung erklärt Deka-Aktienmarktstratege Joachim Schallmayer: „Der Aktienmarkt reagiert kurzfristig erleichtert, wird aber ungeduldig bleiben. Die starke Kursentwicklung der vergangenen Wochen ist verknüpft an die Erwartung großer schuldenfinanzierter Investitionsprojekte. Somit kommt es jetzt auf eine schnelle Regierungsbildung und klare Signale an, damit die positive Stimmung am Aktienmarkt nicht zu bröckeln beginnt.

Internationale Investoren strömten zuletzt, in der Erwartung auf einen Politikwechsel und der Hoffnung auf große schuldenfinanzierte Investitionsprogramme, in Scharen in den deutschen Aktienmarkt. Der Wahlausgang bestätigt zunächst deren Hoffnungen, aber die Ungeduld der Märkte mit Blick auf konkrete Handlungen dürfte jetzt sehr schnell einsetzen.“