Der Dax sitzt zwischen den Stühlen
Von Stefan Salomon*)
Der Deutsche Aktienindex steckt in der Klemme. Die Anleger sind verunsichert. Charttechnisch spiegeln die schnellen Richtungswechsel sowohl auf Tages- und Wochenbasis als auch teils intraday diese Phase der Unsicherheit wider. Dabei deckelt die Stimmung für Aktien vor allem die langfristige, derzeit weiterhin als potenzielle Gipfelbildung zu interpretierende Seitwärtsbewegung, die sich noch 2021 deutlich ausgebildet hat. Diese Seitwärtsbewegung wurde im Februar 2022 dynamisch nach unten verlassen. Ein starkes Verkaufssignal wurde so generiert. Erholungsversuche des Deutschen Aktienindex wurden bislang aufgrund der Verunsicherung verkauft – gepaart mit der Gipfelbildung im zurückliegenden Jahr –-, oder es mussten technische Absicherungsgeschäfte vorgenommen werden. Der Markt scheint somit ab circa 14800 bis 15100 Punkten auf Widerstand zu treffen.
Aufwärtstrendkanal intakt
Auf der anderen Seite verläuft der deutsche Leitindex noch innerhalb eines intakten, langfristigen Aufwärtstrendkanals. Der Abprall an der oberen Begrenzung dieses Trendkanals mit fallenden Kursen im Februar 2022 deutet hierbei ebenfalls auf eine Gipfelbildung im Jahr 2021 hin. Doch die grundsätzlich noch langfristig bullishe Stimmung, die der intakte Aufwärtstrend angibt, stützt die Kurse. So stützt der langfristige Trend. Die langfristigen Optimisten kaufen s die starken Rücksetzer. Das bisherige Tief im Mai 2022 in Verbindung mit der sehr zügigen Erholung von Mitte März 2022 kann somit als kräftige Unterstützungszone in Betracht gezogen werden.
Pendelbewegung
Ausgehend vom Chartbild des Deutschen Aktienindex ergibt sich so eine Range zwischen einer Unterstützungszone im Bereich 13500 Punkte bis zu einer Widerstandszone bei rund 14800 bis circa 15100 Punkten. Kurzfristig wäre eine Pendelbewegung innerhalb dieser Zone als das wahrscheinlichste Szenario anzunehmen. Dabei könnte ein Ausbruch über einen kurzfristigen Abwärtstrend der jüngsten Handelswochen, der aktuell bei rund 14300 Punkten notiert und seit dem im April erreichten Top bei 14925 Punkten verläuft, zu einer ebenso kurzfristigen Erholung an die Widerstandszone führen. Doch die gegenwärtigen Imponderabilien hinsichtlich der Fortdauer des Krieges in der Ukraine, der Verwerfungen der Lieferketten ausgelöst durch den Krieg sowie die Corona-Situation in China, der hohen Inflation und eines unkalkulierbaren Preises für Energie sollten die Unsicherheit bei den Marktakteuren noch für eine geraume Zeit 2022 oder gar 2023 beschäftigen. Solange keine Sicherheit im Markt über die weitere Ertragssituation der Unternehmen besteht, dürfte der Deutsche Aktienindex sich innerhalb der oben skizzierten Range pendelnd bewegen. Ein Ausbruch aus der Range hingegen würde starke Richtungssignale ergeben. Nach oben wäre so – auch in Hinblick auf unterinvestierte Anleger sowie Shortglattstellungen – mit einem dynamischen Anstieg an die Tops des zurückliegenden Jahres zu rechnen. Nach unten jedoch wäre die langfristige Aufwärtstrendlinie in Gefahr, getestet und gebrochen zu werden.
Bund-Future unter Druck
Für eine Stabilisierung und eine Fortdauer der Seitwärtsbewegung spricht zudem die Entwicklung im Bund-Future. Dieser ist in den vergangenen Wochen aus einem sehr langfristigen Dreieck und einer Range, einer Seitwärtsbewegung nach unten herausgefallen. Das hieraus ableitbare Kursziel nach unten wurde mittlerweile nicht nur erreicht, sondern noch übertroffen. Insofern bestünde zumindest aus charttechnischer Sicht die Chance auf eine Stabilisierung des Bund-Futures am erreichten Niveau sowie eine Stabilisierung des nun erreichten Zinsniveaus. Hier gilt allerdings, dass der Bund-Future sich nunmehr in einem Abwärtstrend befindet. Jedes neue Tief im Bund-Future würde einer Trendbestätigung gleichkommen und steigende Zinsen erwarten lassen – mit entsprechend eher negativen Konsequenzen für den Gesamtaktienmarkt.
Euro auf Paritätskurs
Apropos Dreieck: Auch der Währungskurs des Euro gegenüber dem US-Dollar ist erst jüngst aus einem sehr breiten, langfristigen symmetrischen Dreieck nach unten gefallen. Dieses Dreieck besteht seit 2017 und stellt – ebenso wie ein langfristiges Dreieck im Euro-Dollar-Wechselkurs in den Jahren 2010 bis 2014 – eine übergeordnete Chartsituation dar. Der Ausbruch aus dem aktuellen Dreieck in den letzten Wochen nach unten brachte den Euro-Dollar-Kurs dynamisch unter Druck. Das Kursziel hieraus notiert deutlich unter der Parität. Kurzfristige Gegenbewegungen hingegen ändern vorerst nichts an der bearishen Perspektive für den Euro. Erst ein Rebreak in das Dreieck mit Kursen über 1,10 Euro würde die langfristige Chartsituation verändern.
Als Fazit darf festgehalten werden, dass Anleger Erholungsbewegungen im Deutschen Aktienindex bis rund 14800/15100 Punkte auf Verkaufssignale beobachten dürfen. Der Bund-Future notiert im Abwärtstrend und der Euro-Dollar-Wechselkurs könnte noch einen kräftigen Abwärtsschwung vor sich haben.
*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst, www.candlestick.de.