Reservewährung

Der Dollar behält seine dominante Position – vorerst

Der Dollar wurde schon mehrfach als Reservewährung tot gesagt. Aber potenzielle Gegenkandidaten haben einen langen Weg vor sich.

Der Dollar behält seine dominante Position – vorerst

Von Sven Schubert*)

Oft schon wurde in den vergangenen Jahren dem Dollar prophezeit, den Status der globalen Reservewährung, also die Fähigkeit in Phasen großer Unsicherheit als sicherer Hafen gesucht zu werden, zu verlieren. 2020 war in dieser Hinsicht das Wasser auf die Mühlen der Dollar-Untergangspropheten. Schließlich verlor der Dollar handelsgewichtet rund 8% an Wert, obwohl die Welt die tiefste Rezession seit der großen Depression von 1929 erlebt hatte.

Aus mehreren Gründen dürften diese Unkenrufe jedoch mindestens eine Dekade verfrüht sein. Was zeichnet eine Reservewährung eigentlich aus? Seit Mitte des 19. Jahrhunderts erlangten zwei Währungen, der Dollar und das britische Pfund, den Status einer globalen Reservewährung. Beide Länder, die USA und Großbritannien, zeichneten zu jener Zeit bereits eine wirtschaftliche, geopolitische und militärische Dominanz sowie ein Vertrauen in die Institutionen aus.

Überträgt man diese Kriterien auf die Gegenwart, so wird der chinesische Yuan, nicht zuletzt wegen der schnellen konjunkturellen Erholung und den technologischen Fortschritten Chinas, als valider Kandidat als Reservewährung gesehen. Es ist korrekt, dass China die USA bezüglich Wirtschaftskraft nach manchen Messgrößen – kaufkraftbereinigtes BIP – schon längst überholt hat. Jedoch ist das BIP nicht das alleinige Entscheidungskriterium. Schließlich hatten die USA während des Zerfalls des britischen Königreichs, dieses in Sachen BIP bereits Ende des 19. Jahrhunderts überholt. Globale Reservewährung wurde der Dollar jedoch erst in den späten 1920er-Jahren. In einer ganzen Reihe anderer Kriterien erscheint China jedoch deutlich weniger dominant. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen – ein Maß für die Produktivität – rangiert China trotz seiner schnellen Fortschritte weltweit weiterhin nur auf Rang 79. Auch kommen die größten Aktien nach Marktkapitalisierung weiterhin aus den USA (7 der Top 10). Ein anderes Maß der Innovation, Start-ups mit einer Kapitalisierung von mindestens 1 Mrd. Dollar (Unicorns), spricht ebenfalls für die Stärke der USA. Mit 288 Unicorns liegen die USA derzeit auch weiterhin deutlich vor China (133).

Hinsichtlich der militärischen Vormachtstellung könnten die Karten in dieser Dekade jedoch neu gemischt werden. In bestimmten Schlüsseltechnologien wie z.B. der künstlichen Intelligenz, Robotik oder dem Mobilfunkstandard 5G spielt China mittlerweile mindestens in derselben Liga wie die USA. Da diese Technologien für die Kriegsführung der Zukunft eine entscheidend sein könnten, könnte auch die militärische Vormachtstellung der USA langfristig in Frage gestellt werden. Die weiterhin hohe Abhängigkeit Chinas von der US-Halb­leitertechnik verschafft den USA jedoch einen wichtigen Hebel und somit Zeit. Hinzu kommt, dass die USA den erheblichen Faktor eines deutlich gewichtigeren Netzwerkes an geopolitischen Allianzen vorzuweisen hat.

Schlussendlich sind auch Tiefe der Finanzmärkte und das Vertrauen in die Institutionen gewichtig. Während die USA in diversen Fi­nanz­marktstresssituationen bewiesen haben, dass der US-Bond die nötige Liquidität hat, muss China dies erst noch unter Beweis stellen. Auch dürfte das Vertrauen in die US-Institutionen, trotz aller Versuche Donald Trumps diese zu untergraben, weiterhin höher sein als das Vertrauen in chinesische Institutionen. Insbesondere die Fed hat über die letzten Jahre, trotz personeller Einflussnahme durch Donald Trump, ihre Unabhängigkeit unter Beweis gestellt.

Und dennoch, trotz der amerikanischen Dominanz, spricht vieles dafür, dass der Yuan in nahezu allen Wirtschaftsbereichen unter­repräsentiert ist. So zeigt eine IWF-Stu­die aus dem vergangenen Jahr, dass der Dollar als Fakturierungswährung in weltweiten Handelsverträgen überrepräsentiert ist. Obwohl nur 13% der globalen Exporte in die USA gehen, sind 23% der Exporte in Dollar denominiert. Ähnlich im Ungleichgewicht sind die Devisenbestände der Zentralbanken. Zwar weist die Statistik des IWF einen Anstieg des Yuan-Anteils in den Beständen der Zentralbanken über die letzten Jahre auf, mit 2,3% bleibt der Anteil gegenüber dem Dollar (59%) und Euro (21%) jedoch äußerst gering. Der alle drei Jahre erscheinende Bericht der BIZ, der die globalen Währungstransaktionen misst, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Danach ist der Yuan in lediglich 4% der globalen Währungstransaktionen involviert.

Steiniger Weg für den Yuan

Dass der Yuan bei Wirtschafts- und Finanzmarkttransaktionen eine so untergeordnete Rolle spielt, ist zunächst überraschend. Jedoch dürfte sich dies in den nächsten Jahren ändern. Russland und China haben 2020 beschlossen, den bilateralen Handel zukünftig von Dollar auf Yuan umzustellen. Auch wenn dies nur ein kleiner Tropfen im globalen Währungsmarkt ist, dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Insbesondere Chinas Aktivitäten im eurasi­schen Raum über ihre Belt-&-Road-Initiative spiegeln seinen zunehmenden ökonomischen Einfluss in der Region wider, der sich auch in der Nachfrage nach Yuan niederschlagen dürfte. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Internationalisierung des Yuan hoch oben auf der Prioritätenliste Pekings steht. So wurde der Zugang zu den chinesischen Finanzmärkten für Ausländer über die letzten Jahre sukzessive verbessert und spiegelt sich mittlerweile auch in der Aufnahme chinesischer Lokalwährungsanleihen in weltweiten Anleihen-Benchmarks wider. Auch könnte China das erste G20-Land werden, dass eine digitale Währung (Digital Yuan) einführt. Auch wenn dessen Akzeptanz auf globaler Ebene erst einmal bewiesen werden muss, dürfte eines bereits jetzt schon feststehen: Der Yuan spielt im globalen Wirtschaftsgeschehen eine ungerechtfertigt untergeordnete Rolle. Den Aufstieg zur globalen Reservewährung ist jedoch steinig und so lang, dass wir ihn vielleicht nie selbst erleben werden.

*) Sven Schubert ist Senior Investment Strategist bei Vontobel Asset Management.