„Der Markt bietet sehr attraktive Einstiegsmöglichkeiten“
Im Interview: Sven Wünschmann
„Der Markt bietet sehr attraktive Einstiegsmöglichkeiten“
Volatilitätsstrategien eröffnen Investoren aktuell beste Chancen – Asset-Klasse auch für Privatanleger interessant – Warburg setzt auf Mischung von Prämien
Dank Donald Trump zeigen sich die Aktienmärkte volatil wie lange nicht. Wie man in so einer Phase nicht nur Verluste vermeiden, sondern sogar profitieren kann, erklärt der Multi-Asset-Stratege Sven Wünschmann von Warburg Invest im Interview der Börsen-Zeitung.
Herr Wünschmann, seit der Wahl Donald Trumps ist die Verunsicherung an den Aktienmärkten so groß wie lange nicht. Wie sollen Anleger darauf reagieren?
Die Schwankungen und die Volatilität sind auf jeden Fall zurück, so viel steht fest. Wir haben uns in zwei Jahren Bullenmarkt an eine niedrige Volatilität gewöhnt, in der ein Aktienindex vielleicht mal 1% verliert. Dann dachte man schon: Oh, das war jetzt aber heftig! Ansonsten hatte man eigentlich nur positive Renditen. Es gibt aber eben auch andere Phasen und in so einer sind wir jetzt. Wenn man in Aktien investiert, dann sollte man einen Zeithorizont von mindestens zehn bis 15 Jahren mitbringen. In so einem Zeitfenster kann man relativ sicher davon ausgehen, dass man gut mit der Anlage verdienen kann.
Wie sieht es aktuell aus?
Im Moment sehen wir im S&P 500 einen Rückgang von um die 10%. Das geht so langsam in die Korrekturphase, aber im Großen und Ganzen sind -10% für einen Aktienindex nichts Außergewöhnliches. Wenn man sich breit positioniert, das Portfolio regional und auch über Assetklassen diversifiziert, ist man im Moment eigentlich super aufgestellt.
Bei Big Tech haben wir aber auch größere Verluste gesehen. Auch bei Tesla, dem Unternehmen von Trump-Intimus Musk.
Tesla ist ein Sonderfall. Die sind vorher auch entsprechend stark gestiegen. Wenn man mal schaut, wie weit die Aktie gefallen ist und zurückblickt, dann hat man im Prinzip ein paar Monatsrenditen verloren. Auch das ist in dem Sinne kein echtes, starkes Risiko, was sich bisher materialisiert hat. Generell ist unser Tipp immer, die Wertentwicklung über einen längeren Zeitraum zu betrachten. Und bevor man investiert, muss man sich über seine Risikobereitschaft klar werden. Das muss man vorher festlegen.
Was erwarten Sie, wie es an den Märkten weitergehen wird? Rechnen Sie im weiteren Jahresverlauf mit einer Beruhigung, oder dürfte die Verunsicherung vorerst anhalten?
Wir gehen derzeit davon aus, dass die USA in der nächsten Zeit weiterhin volatil bleiben werden. Da spielen einfach zu viele volatilitätsstiftende Faktoren mit rein. Die geopolitischen Faktoren, die erratische Handelspolitik, die Zölle. Und auch die immer noch sehr hohen Tech-Bewertungen in Amerika. Für Europa blicken wir hingegen eher optimistisch in die Zukunft, gerade auch mit dem Investitionsschub, der in Deutschland wohl stattfinden wird. Wenn das richtig auf die Straße gebracht wird, sollte sich das deutlich positiv bemerkbar machen. Auf der anderen Seite kann sich Deutschland als Exportnation, aber auch Europa als Ganzes nicht komplett von den USA abkoppeln. Diese Phase, in der Europa so gut lief und Amerika im Vergleich dazu wirklich schwach, war schon etwas Besonderes. Zu prognostizieren wie es weitergeht, ist schwierig. Eine Glaskugel hat niemand. Wir gucken nicht unter dem Brennglas auf die aktuellen Marktgeschehnisse.
Sie setzen auf Volatilitätsstrategien. Wie funktioniert das und worauf setzen Sie genau in diesem Bereich?
Das Gute an so einer volatilen Marktphase ist, dass man nicht nur das Risiko, sondern eben auch die Chancen mitnehmen kann. Es gibt Strategien im Markt, die tendenziell von so einer Marktphase profitieren können. Ganz klassisch wird Volatilität über Optionen gehandelt, das heißt, mit derivativen Instrumenten. Finanzinstrumente, deren Wert mit einem anderen Finanzinstrument verknüpft ist, oder deren Wert aus einem anderen Finanzinstrument abgeleitet wird, dem sogenannten Basiswert. Das Black-Scholes-Papier ist die bekannteste Optionstheorie und die (Fischer Black, Robert Merton und Myron Scholes, Anmerkung der Redaktion) hatten als erstes die Einsicht, dass man das Derivat, die Option eigentlich gar nicht braucht.
Wie funktioniert das?
Die haben gesagt: Schaut euch das mal an, ihr könnt das Derivat replizieren, ihr könnt durch cleveres Kaufen und Verkaufen des Basiswerts das Auszahlungsprofil bzw. das Risiko, das aus der Option entsteht, nachbauen. Bei diesem Nachbauen der Option geht es nicht darum, wo der Basiswert am Laufzeitende der Option schlussendlich steht. Die Kosten der Replikation leiten sich maßgeblich davon ab, wie stark der Basiswert während der Optionslaufzeit schwankt. Da die Replikation identisch zur Option ist, bestimmt sich somit auch der Optionswert maßgeblich durch die Volatilität. Somit handeln Marktteilnehmer über die Option ihre Erwartungen an die künftige Schwankungsbreite des Basiswerts, denn die ist natürlich zunächst unbekannt. Diese nennt man implizite Volatilität, die erwartete Schwankungsbreite, die sich gemäß des Replikationsmechanismus aus dem Optionspreis ableitet.
Sind Volatilitätsstrategien für Sie eine eigene Assetklasse?
Ja. Wenn man den Gedanken ein bisschen weiter ausbaut, kommt man tatsächlich zu dem Schluss, dass Volatilität als eigene Assetklasse verstanden werden kann. Wenn man den Deckel mal aufmacht und ein bisschen tiefer in die Kiste reinschaut, dann gibt es da ganz unterschiedliche Strategien mit ganz unterschiedlichem Charakter. Am deutlichsten ist die Unterscheidung, ob man die Option kauft, oder ob man die Option verkauft. Wenn man die Option kauft, dann ist man Käufer von Volatilität, „long volatility“. Typischerweise benutzt man diese Strategien, um Risiko aus Portfolios oder aus dem Basiswert rauszunehmen Auf der anderen Seite gibt es Strategien, die Optionen verkaufen. Die sind entsprechend „short volatility“ positioniert und werden dazu benutzt, Volatilität als Renditequelle und somit als Assetklasse zu erschließen. Da kommt die sogenannte Volatilitätsrisikoprämie ins Spiel.
Können Sie das veranschaulichen?
Als Verkäufer von Volatilität begibt man sich quasi in die gleiche Position wie ein typisches, klassisches Versicherungsunternehmen. Man bekommt durch den Verkauf der Optionen regelmäßige Prämieneinnahmen. Im Schadensfall, das heißt, wenn sich die Volatilität höher als erwartet realisiert, muss der Versicherungsgeber für diesen Schaden haften. Allerdings stellt sich immer wieder in zahlreichen empirischen Studien heraus, dass Optionen im Durchschnitt zu teuer sind. Bei Aktienindex-Optionen ist das besonders stark ausgeprägt. Verkäufer von Optionen werden wie Versicherungsunternehmen für die Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos kompensiert, sie werden also netto durch den Verkauf einer Versicherungsdienstleistung über die Prämien durchschnittlich mehr einnehmen, als im Schadensfall beglichen werden muss. Dies bringt die Volatilitätsrisikoprämie am Kapitalmarkt zum Ausdruck. Die implizite Volatilität in den Optionen ist im Mittel höher als die tatsächlich realisierte Volatilität.
Sind Sie eher im Shortbereich oder im Longbereich unterwegs?
Wir sind in beiden unterwegs. Die Prämienstrategie benutzt Volatilität als Ertragsquelle, um aus der Unsicherheit Rendite für den Investor zu generieren. Effiziente Long-Vola-Strategien können das Rendite-Risiko-Verhältnis einer Investition verbessern. Institutionelle Anleger wie Pensionskassen nutzen sie, um beispielsweise Aktienrenditen verlässlicher zu gestalten. Wenn man von Vola-Strategien im Retail-Kontext spricht, dann ist man eher im Short-Bereich unterwegs, wo man Volatilität als Renditequelle versteht.
Sind Volatilitätsstrategien auch für Privatanleger interessant?
Auf jeden Fall! Die interessante Eigenschaft gerade an den Short-Volatilitätsstrategien ist, dass sie als Diversifikationsbaustein eine weitere Renditequelle neben klassischen Renditequellen wie Aktien und Renten sind. Seit einigen Jahren ist das auch in Deutschland für Privatanleger möglich, die ihr Portfolio so effizienter aufstellen können. Effizienter heißt, dass das Portfolio mit der Beimischung von Vola-Strategien entweder bei gleichem Risiko eine höhere Renditeerwartung hat, oder dass man die gleiche Renditeerwartung mit weniger Risiko vereinnahmen kann. Übrigens liebt auch Warren Buffett das Versicherungsgeschäft. Er ist ja vornehmlich als erfolgreicher Aktieninvestor bekannt. Im Jahresbericht 2023 weist seine Beteiligungsgesellschaft aber auch die immense Steigerung der Prämieneinnahmen von 40 Mill. Dollar im Jahr 1970 hin zu 170 Mrd. Dollar im Jahr 2023 aus, eine fast fünftausendfache Steigerung!
In der Vergangenheit haben sich Investoren mit Vola-Strategien auch schonmal böse auf die Nase gelegt. Wie sichern Sie Ihre Kunden ab? Bedeutet mehr Sicherheit immer auch Renditeeinbußen?
Wir vereinnahmen die Volatilitätsrisikoprämie streng risiko-kontrolliert. Hier passt wieder der Versicherungsvergleich, bei dem die regelmäßigen Prämien auf der Einnahmenseite den Auszahlungen im Schadensfall gegenüberstehen. Bei Vola-Strategien gibt es verschiedene Risk-Mitigation-Strategien, für die wir einen Teil der Einnahmen aufwenden. Analog einer Versicherung übernehmen wir niemals das komplette Risiko, sondern haften nur bis zu einer systematisch vorgegeben Schadenshöhe. Für Schäden die darüber hinaus gehen, springt unsere Rückversicherung ein. Nützlich machen kann man sich auch den bekannten VIX-Index, das sogenannte Angstbarometer der Börse. Der VIX-Index korreliert mit dem Aktienmarkt und steigt stark an, wenn der Aktienmarkt fällt. Mit dem Erwerb von Call-Optionen darauf kann auch das zu einer Versicherung werden. Uns ist wichtig, dass diese Rückversicherungen und Zusatzversicherung immer statisch vorhanden sind. Beim Risiko-Management werden keine Risiken eingegangen, sondern unsere Strategie setzt Einnahmen und Ausgaben in ein ökonomisch sinnvolles Verhältnis – und zwar stets statisch bei jedem Verkauf einer Versicherungsdienstleistung.
Worauf setzen Sie bei Warburg Invest?
Wir sind überzeugt, dass die Evolution der Prämienstrategien im Risikomanagement liegt. Unser Alleinstellungsmerkmal im deutschen Markt ist es, die Volatilitätsrisikoprämie zusammen mit einer Trendrisikoprämie im Fonds zu mischen. Das ist die nächste Stufe der Evolution im Risikomanagement. Es ging los mit so gut wie ungesicherten Varianten, dann kamen Rückversicherungen dazu und schließlich auch statistisch korrelierte Absicherungsgeschäfte. Wir setzen nun auf eine Kombination von Risikoprämien. Volatilitätsrisikoprämien und Trendrisikoprämien ergänzen sich gegenseitig und funktionieren in unterschiedlichen Marktszenarien.
Wann greifen Trendrisikoprämien?
Wenn sich nachhaltige negative Trends am Aktienmarkt herausbilden, ist das ein Szenario, das die Volatilitätsrisikoprämie, so wie wir sie vereinnahmen, nicht mag. Die Rückversicherung greift dann meistens noch nicht und auch der VIX-Index wird womöglich nicht mehr unbedingt großartig weiter ansteigen, wenn er bereits auf hohen Niveaus notiert. Wenn der Markt allerdings kontinuierlich fällt, greifen Momentum- und Trendstrategien. Sie bilden einen Makro-Hedge, da sie sowohl von steigenden als auch von fallenden Märkten profitieren können. Sie bilden daher eine weitere Komponente des Risikomanagements innerhalb des Fonds. Ganz generell gilt aber auch hier wie bei allen anderen Komponenten unseres Risikomanagements: Haben ist besser als brauchen! Alle Hedging-Komponenten sind permanent und statisch vorhanden. Seine Immobilie oder seinen Hausrat versichert man ja auch permanent gegen Schäden und spekuliert nicht darauf, dass jetzt fünf Jahre nichts passiert.
Bei Warburg Invest haben Sie Ihren Warburg-Defensiv-Fonds vor gar nicht so langer Zeit neu aufgelegt, oder?
Genau, den Fonds selbst und einige seiner Tranchen gibt es zwar bereits recht lange. Aber mit der neuen Strategie zur strikt risikobegrenzten Vereinnahmung der Volatilitätsrisikoprämie läuft er jetzt knapp zwei Jahre. 2024 hatten wir unser erstes vollständiges Kalenderjahr und konnten sowohl unsere Benchmark übertreffen als auch in der Vergleichsgruppe auf den vorderen Plätzen rangieren. Dafür wurden wir vom Hedge Fund Journal mit ihrem „Ucits Hedge Award“ ausgezeichnet.
Auch in der aktuellen Marktphase, in der eine einzelne Person mit ihrem Handy die Kapitalmärke lenkt, erweisen sich unsere Absicherungen erneut als robust und effektiv. Für Anleger, die von der Unsicherheit am Kapitalmarkt profitieren möchten, bietet der derzeitige Markt sehr attraktive Einstiegsmöglichkeiten. Denn die erzielten Prämieneinnahmen liegen weit über dem Durchschnitt. Am 18. Mai wird der Fonds in „Warburg - Liquid Alternatives“ umbenannt. Wir greifen damit eine mittlerweile etablierte Bezeichnung für alternative Renditequellen auf und tragen der neuen Strategie des Fonds mit seiner Evolution im Risikomanagement Rechnung.
Zur Person: Sven Wünschmann ist Senior Portfoliomanager für Multi-Asset- und Liquid-Alternatives Solutions bei der Warburg Invest KAG. Als Lead-Portfoliomanager verantwortet er den Warburg Defensiv Fonds (künftig Warburg Liquid Alternatives). Wünschmann hat Wirtschaftsinformatik und Mathematik studiert und das Certificate in Quantitative Finance (CQF) mit Auszeichnung erhalten.
Das Interview führte Tobias Möllers. In voller Länge lesen Sie das Interview unter boersen-zeitung.de.
Das Interview führte Tobias Möllers. Das vollständige Interview lesen Sie unter www.boersen-zeitung.de.