Unternehmensanleihen

Der Zinsanstieg wird für Firmen zur Belastung

Der Zinsanstieg an den Kapitalmärkten wird für die Unternehmen künftig zur Belastung. Viele haben in der Vergangenheit aber auch das günstige Umfeld genutzt und sich refinanziert.

Der Zinsanstieg wird für Firmen zur Belastung

Von Thomas Weber*)

Lange haben die großen Zentralbanken der Welt darauf beharrt, dass die hohen Inflationsraten nur ein vorübergehendes Phänomen als Folge der gestörten Lieferketten sind, die während der Corona-Pandemie durcheinandergeraten wa­ren. Als dann in diesem Jahr der Energiepreisschock hinzukam und die Teuerungsrate in Europa bis in den zweistelligen Prozentbereich angestiegen ist, ließ sich diese These nicht mehr aufrechterhalten. Viele Notenbanken, darunter auch die Europäische Zentralbank (EZB), haben daraufhin in den vergangenen Monaten eine geldpolitische Wende vollzogen. Auf die Einstellung der Anleihekäufe folgten aggressive Leitzinserhöhungen, die zusammen mit den gestiegenen Inflationserwartungen zu einem deutlichen Renditeanstieg am Kapitalmarkt geführt haben. Bei Euro-Unternehmensanleihen, die im Durchschnitt eine Laufzeit von rund fünf bis sechs Jahren haben, stieg die Rendite von einem Tief bei 0,2% Ende 2020 auf aktuell rund 4% an, der höchste Wert seit 2011. Das heißt, dass sich Unternehmen mittlerweile nur zu deutlich höheren Kosten als in den vergangenen Jahren refinanzieren können.

Ende der lockeren Politik

Das Ende der ultralockeren Geldpolitik und die geopolitische Unsicherheit haben zudem den Zugang zum Kapitalmarkt erschwert, was besonders Unternehmen mit schwächerer Bonität zu spüren bekommen. Nachdem viele Investoren in den letzten Jahren händeringend nach Renditechancen gesucht haben und dabei gerne auch schwächere Ratings und längere Laufzeiten in Kauf genommen haben, sind sie mittlerweile deutlich wählerischer geworden. Anleihe- oder Schuldscheinemissionen sind derzeit keine Selbstläufer mehr.

Der geldpolitische Umschwung und der Renditeanstieg haben aber nicht nur am Primärmarkt Spuren hinterlassen. Die steigenden Finanzierungskosten werden sich in den kommenden Jahren auch in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Unternehmen niederschlagen und zu einer Anpassung der Finanzpolitik und der Kapitalstruktur führen. Insgesamt ist der Anstieg der Kapitalmarktzinsen für Unternehmen zwar eine zusätzliche Belastung in einer herausfordernden Zeit, eine existenzielle Bedrohung sind sie für die allermeisten unseres Erachtens allerdings nicht. Um die Branchen und Marktsegmente zu identifizieren, welche die gestiegenen Zinsen am stärksten zu spüren bekommen werden, lohnt sich ein Blick auf einige gängige Finanzkennzahlen aus der Bonitätsanalyse.

Wenig Auswirkung

Eine davon ist der Schuldendeckungsgrad, definiert als das Ebit bzw. Ebitda im Verhältnis zum Zinsaufwand. Ein hoher Quotient sagt aus, dass die Zinskosten nur einen kleinen Anteil am operativen Gewinn bzw. am Ebitda ausmachen. Höhere Zinskosten wirken sich in diesem Fall nur wenig auf das Ergebnis aus und umgekehrt. Bei einer Auswahl von rund 130 kapitalmarktorientierten Unternehmen, großteils aus dem Investment-Grade-Bereich, lag der Median des Ebitda-Zinsdeckungsgrads unserer Analyse zufolge 2021 bei rund 16x. Mit einem Wert von 34x lag die Kennzahl bei Emittenten mit einem Rating von „AA“ fast dreimal so hoch wie bei „BBB“-Unternehmen (12x). Aufgeteilt nach Branchen ergaben sich bei Immobilienunternehmen mit deutlichem Abstand die schwächsten Werte, gefolgt von den Sektoren Reise und Freizeit, Handel, Telekommunikation und Versorger. Bei Emittenten aus den Branchen Grundstoffe, Technologie und Software, Konsumgüter und Automobile war der Median des Schuldendeckungsgrads hingegen am höchsten.

Ähnliches Bild

Auch bei der Verwendung des Cashflows (Funds from Operations) anstelle des Ebitda ergibt sich ein ähnliches Bild, wobei hier auch Nahrungsmittelhersteller eher schwache Kennzahlen, Öl- und Gasunternehmen hingegen relativ gute Kennzahlen aufweisen. Da sich die Zahlen auf das Geschäftsjahr 2021 beziehen, müssen Sondereffekte aus den Nachwirkungen der Pandemie berücksichtigt werden. Bei Airlines und Bahngesellschaften aus der Reise- und Freizeitbranche wa­ren die Ergebnisse noch stark von geringen Passagierzahlen be­ein­flusst. Energie- und Grundstoffun­ternehmen profitierten hingegen von stark gestiegenen Rohstoffpreisen.

Günstiges Umfeld genutzt

Ein geringer Schuldendeckungsgrad bedeutet für sich genommen jedoch nicht, dass der Zinsanstieg unmittelbar zum Problem wird. Denn die Kapitalmarktverbindlichkeiten sind in der Regel mit einem festen Kupon ausgestattet, so dass sich höhere Marktzinsen nur auf neue Anleihen, nicht jedoch auf die ausstehenden Verbindlichkeiten auswirken. Daher ist es wichtig, das Fälligkeitenprofil bzw. die Restlaufzeit der bestehenden Finanzierungen zu berücksichtigen. Hier zeigt sich, dass viele Unternehmen das günstige Umfeld der vergangenen Jahre genutzt haben, um sich langfristig niedrige Zinsen zu sichern. Denn im Durchschnitt beträgt die Restlaufzeit der Kapitalmarktverbindlichkeiten fast sieben Jahre, so dass mit jedem Jahr nur ein kleiner Teil zu den nun deutlich höheren Zinsen refinanziert werden muss. Besonders lange sind die Laufzeiten in den Sektoren Telekommunikation, Grundstoffe, Versorger, Medien sowie Gesundheit. Eher kurze Restlaufzeiten haben Handelsgesellschaften, Automobilhersteller sowie Bauunternehmen. Bei den Ratingkategorien zeigt sich, dass High-Yield-Emittenten deutlich kürzere Restlaufzeiten haben als Investment-Grade-Emittenten.

Spürbare Erhöhung

Die stark gestiegenen Renditen werden die Finanzierungskosten der Unternehmen in den kommenden Jahren spürbar erhöhen. Dank langer Restlaufzeiten sowie ausreichender Gewinne und Cashflows dürften die meisten Emittenten die Belastung allerdings ohne große Probleme auffangen können. Unternehmen aus dem High-Yield-Bereich sowie aus dem Immobiliensektor werden den Renditeanstieg aufgrund kürzerer Restlaufzeiten bzw. der hohen Verschuldung allerdings schneller zu spüren bekommen. Sie müssen daher gegensteuern, indem sie die Verschuldung, zum Beispiel durch Portfolioverkäufe, reduzieren oder die Erträge durch Preiserhöhungen steigern.

Negative Bewertung

Bei Immobilienunternehmen kommt hinzu, dass die steigenden Zinsen nicht nur die Kosten erhöhen, sondern sich auch negativ auf die Immobilienbewertung auswirken, was zusätzliche Probleme mit sich bringt. Nicht ohne Grund haben sich die Risikoaufschläge von Immobilienunternehmen seit Jahresbeginn um mehr als 150 Basispunkte (BP) ausgeweitet, während der Anstieg des Gesamtmarkts nur bei gut 50 BP liegt. Auch die Ratingagenturen haben bereits reagiert und kürzlich ihre Einschätzung für einige Immobilienunternehmen ge­senkt.

*) Thomas Weber ist CFA und als Senior-Corporate-Bond-Stratege bei der DZ Bank tätig.