Energieunternehmen

Enel ist beim Thema Nachhaltigkeit vorn

Das Energieunternehmen Enel gehört nach Ansicht der Analysten der LBBW zu den Vorzeigeunternehmen in Sachen Nachhaltigkeit. Der Versorger ist auch am SLB-Markt aktiv.

Enel ist beim Thema Nachhaltigkeit vorn

Von Bettina Deuscher

und Erkan Ayçiçek*)

Für Nachhaltigkeitsverbesserungen ist der Handlungsdruck in der Energiewirtschaft besonders hoch. Davon ausgelöste Investitionsvorhaben machen diese Unternehmen für nachhaltig orientierte Investoren besonders interessant. In Ab­hängigkeit des Geschäftsmodells und der unternehmensspezifischen Wertschöpfungskette befinden sie sich derzeit mehr oder weniger am Anfang einer mehrjährigen Übergangsphase hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaftstätigkeit. Zu den Energieunternehmen mit Vorreiterfunktion innerhalb der Versorgerbranche gehört die in Rom ansässige Enel – ein zu den größten Versorgern Europas zählendes Unternehmen, das auch über starke Positionen in Spanien und Lateinamerika verfügt.

Richtungswechsel

Der 2018 kommunizierte neue Geschäftsplan markierte einen wegweisenden Richtungswechsel hin zu nachhaltigem Wirtschaften. Er wurde komplementiert von dem Green-Bond-Framework, das die daraus folgenden Vorhaben und zu finanzierenden Projekte entsprechend den ESG-Kriterien definierte. Enel produzierte bereits 2017 nahezu die Hälfte seiner Stromerzeugung ohne schädlichen CO2-Ausstoß. Damit war das Unternehmen vergleichsweise frühzeitig einer der weltweit tätigen Energieproduzenten im Bereich „sauberer“ Energie. Auch tauschte Enel als einer der Ersten in der Branche schon vor Jahren konventionelle elektromechanische Stromzähler und Messgeräte durch intelligente Zähler (Smart Meters) aus. Dies war ein Modernisierungsschritt, der neben der Anzeige des Stromverbrauchs in Echtzeit insbesondere die Effizienz nachhaltig verbesserte. Es ermöglichte eine fernbediente Steuerung der Serviceverträge.

Enels Geschäftsplan basiert auf insgesamt vier tragenden Säulen. Neben dem Ebitda-Wachstum, weiteren Effizienzverbesserungen und Vereinfachungen gehört das (soziale) Engagement mit örtlichen Kommunaleinrichtungen dazu. Letzteres kommunizierte Enel bereits 2015 mit Maßnahmen für drei der insgesamt 17 Sustainable Development Goals der United Nations (SDGs). Hinzu kommen zahlreiche weitere Schritte des neuen Ge­schäftsplans, die bis Ende 2023 da­zu führen sollen, dass ein nachhaltiges Ebitda von mindestens 20,7 Mrd. Euro generiert wird. Trotz der geplanten hohen Investitionen (2021–23: 39 Mrd. Euro) sollen sich die Credit-Kennzahlen verbessern. Enel will vor allem im Netzbereich und bei EE (erneuerbare Energien) wachsen. Aktuell wurden diesbezüglich weitere Fortschritte verbucht. Bis Ende September baute Enel den EE-Anteil um weitere 3,6 Prozentpunkte auf 50,8% aus. Spätestens bis Ende 2050 will Enel die weitere Verringerung des CO2-Ausstoßes auf null realisieren.

Parallel zu den operativen Umbaumaßnahmen forcierte Enel seine Visibilität im Bereich der nachhaltigen Finanzierung (Sustainable Finance). Neben bilateralen Kreditfazilitäten ist die Finanzierung am Bondmarkt ein zentraler Bestandteil von Enels Finanzierungsstruktur. Insgesamt beliefen sich Enels Bruttofinanzschulden zum 30. Juni 2021 auf rund 62,1 Mrd. Euro, davon sind umgerechnet 46,1 Mrd. Euro ausstehende Bonds. Somit gehört Enel zu den regelmäßig wiederkehrenden Bond­emittenten. Im iBoxx Non-Financials Index von Markit ist Enel aus der Versorgerbranche mit einem hohen Emissionsanteil von knapp 9% das Branchenschwergewicht vor EDF und Spaniens Iberdrola (je rund 6%).

Auf Basis der Implementierung der konkreten mittelfristig angestrebten Nachhaltigkeitsziele in der Unternehmensstrategie wurde die Rahmenvereinbarung General Purpose SDG Linked Bond Context and Principles vorgestellt. Mit Bezug dazu erfolgte im September 2019 die Debütemission am ESG-Bondmarkt – Enels erste Sustainability-Linked-Anleihe über 1,5 Mrd. Dollar. Bereits einige Wochen später folgte eine Triple-Tranche über insgesamt 2,5 Mrd. Euro. Bis jetzt platzierte Enel insgesamt 19 Sustainability-Linked Bonds, davon 5 Mrd. Dollar und 9,25 Mrd. Euro, lediglich ein Sustainbability-Linked Bond wurde (bislang) im britischen Pfund emittiert.

Charakteristisch für Sustainability-Linked Bonds ist die Verknüpfung der Zinskonditionen mit einer Nachhaltigkeitskennzahl, das sogenannte Sustainability Performance Target (SPT). Bei Verfehlung zum festgelegten Zeitpunkt während der Bondlaufzeit löst dies eine Ku­pon­­erhöhung um einen vorab be­stimmten Wert aus. Dieser Mechanismus soll die selbstauferlegte Verpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften in besonderem Maße zum Ausdruck bringen. Werden die kommunizierten angestrebten Nachhaltigkeitsziele verfehlt, er­höht das zum einen die Finanzierungskosten. Zum anderen kann die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit darunter leiden. Ein damit verbundener Vertrauensverlust birgt das Risiko eines massiven Reputationsschadens mit negativen Folgen für die Refinanzierung.

Aktuell platzierte Enel erneut eine 3,5-Mrd.-Euro-Triple-Tranche Sustainability-Linked Bonds (SLBs). Als Bedingung für eine stabile Verzinsung (d. h. keine Kupon­er­höhung während der Laufzeit) umfasst das SPT eine direkte Treibhausgasreduktion (Scope 1) in ei­nem definierten Rahmen, den Enel bis zu einem bestimmten Zeitpunkt operativ realisieren muss. Andernfalls wird ab dem Ereigniszeitpunkt ein Zinskupon-Anstieg um jeweils 0,25% bis zum Ende der Bondlaufzeit angewandt. Bei den beiden SLBs 5/2026 und 5/2029 darf der Zielwert am Referenztermin 31.12.2023 von 148g CO2eq/kWH, bei dem SLB 9/2034 am Referenztermin 31.12.2030 in Höhe von 82g CO2eq/kWH nicht überschritten werden. Kann Enel die SPTs zu den jeweiligen Ereigniszeitpunkten er­füllen, bleiben die Zinssätze bis zur Bondfälligkeit unverändert.

Das Pricing der Neuemissionen erfolgte im rückblickenden Vergleich zu traditionellen Bonds des Unternehmens mit einem gewissen Spread-Aufschlag, was dem Um­stand geschuldet sein dürfte, dass es sich um strukturierte An­leihen handelt. Dies bestätigte auch ein Vergleich mit zuvor emittierten SLBs anderer Unternehmen, die geringe Spread-Aufschläge enthielten. Der Spread-Pick-up des Enel SLB 5/2026 im Vergleich zum Enel 6/2026 umfasste etwa 5 Basispunkte (BP), beim SLB 5/2029 im Vergleich zu Enel 6/2027 etwa 2 BP, wobei auf die etwas kürzere Laufzeit des traditionellen Enel-Bonds hinzuweisen ist. Im ultralangen Laufzeitenbereich und bezüglich des SLB 9/2034 verfügt Enel über keine traditionellen Bonds. Alternativ bot sich für diese Laufzeit innerhalb der vergleichbaren Ratingklasse ein Blick auf den traditionellen Bond des französischen Wettbewerbers Engie an (3/2035). Am Emissionstag ergab sich für Enels SLB 9/2034 im Vergleich hierzu ein Spread-Pick-up um etwa 14 BP. Das Interesse der Bondholder für die Triple-Tranche war enorm. Es führte zu Zeichnungswünschen in Höhe von etwa 11 Mrd. Euro – eine Überzeichnung um den Faktor 3. Alle drei SLBs von Enel verzeichneten seither eine recht gute Performance. Die Spread-Einengungen variieren zwischen 3 (5/2029) und 11 BP (9/2034).

*) Bettina Deuscher und Erkan Ayçiçek sind Senior-Analysten bei der Landesbank Baden-Württemberg.