Entscheidende Nuancen
Nach den Kursstürzen von Anfang Mai hat sich der Kryptomarkt auf niedrigem Niveau vorerst in ruhigere Fahrwasser begeben – dennoch stehen die Zeichen noch lange nicht auf Entspannung. Denn in zahlreichen großen Märkten schreitet die Regulierung inzwischen voran, wie sich an den jüngsten Maßnahmen verschiedener US-Behörden in Bezug auf Cyberdevisen zeigt. Beispielhaft ist dabei das für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige OCC, das zuletzt ankündigte, die gesamte Kryptoasset-Regulierung überprüfen zu wollen.
Auch wenn Investoren und Produktanbieter eine verstärkte Regulierung begrüßen dürften, können einzelne Schritte, beispielsweise vonseiten der US-Börsenaufsicht SEC, heftige Kursbewegungen auslösen. Das unterstreicht auch das Vorgehen gegen Ripple Labs, den Emittenten der Kryptowährung XRP. Die SEC wirft diesem vor, XRP als nichtregistriertes Wertpapier verkauft zu haben, und erhob Ende 2020 Anklage. Seitdem wird jede neue Information zum Verfahren von heftigen Kursschwankungen begleitet.
Während Entwicklungen in den USA auf besondere Aufmerksamkeit stoßen, bewegt sich auch andernorts etwas. Die schwedische Zentralbank etwa hat nun betont, dass sich Bitcoin der Regulierung nicht mehr lange entziehen dürfte. Schweden zählt zu den Ländern, die bei der Entwicklung einer digitalen Zentralbankwährung vergleichsweise weit vorangekommen sind – ähnlich wie China. Die jüngste klare Positionierung der People’s Bank of China gegen private Cyberdevisen hatte den Kursrutsch von Bitcoin & Co. noch beschleunigt. Die Haltung Pekings stellt eigentlich keine Neuerung dar, die chinesischen Kryptobörsen sind seit Jahren vom Festland verbannt. Allerdings wertet die Deutsche Bank die Positionierung als kräftiges Signal dahingehend, dass Staaten ihr Geldmonopol vehement verteidigen. Für China ist zudem der Nachhaltigkeitsaspekt wichtig. Die Volksrepublik hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2060 klimaneutral zu werden. Der hohe Stromverbrauch des Bitcoin-Minings ist Peking dabei ein Dorn im Auge.
Nachhaltigkeitsbedenken hatte auch Tesla-Chef Elon Musk als Grund dafür angeführt, dass sein Unternehmen vorerst keine Bitcoin-Zahlungen mehr akzeptieren werde – eine Ankündigung, mit der er den jüngsten Kursrutsch überhaupt erst lostrat. Zwar verweisen Kryptobefürworter darauf, dass sich der Großteil des Minings inzwischen aus erneuerbaren Energien speise, die Sorge vor Ressourcenkonflikten ist damit aber nicht ausgeräumt. Für institutionelle Investoren ist das problematisch, da sie zunehmend Rechenschaft über ihre Nachhaltigkeitskonformität ablegen müssen.
Tatsächlich sind Microstrategy und Tesla, die Teile ihrer Barreserven in Kryptowährungen investiert haben, bisher nur wenige etablierte Unternehmen gefolgt. Auch infolgedessen haben einzelne Persönlichkeiten wie Musk in dem illiquiden Segment unverhältnismäßig großen Einfluss. Es bleibt zu hoffen, dass neben Star-Investorin Cathie Wood weitere bekannte Köpfe den Weg in den Markt wagen, um ein Gegengewicht zu Musk zu bilden. Von dem Argument, dass auch der reguläre Finanzmarkt enorme Mengen Strom verschlingt, wird sich indes kaum ein Kryptoskeptiker überzeugen lassen. Denn welcher Ressourcenverbrauch einer Branche als akzeptabel erachtet wird, richtet sich nach deren Relevanz. Wer Bitcoin also als reine Spielerei betrachtet, wird jede dafür aufgewandte Einheit Strom als verschwendet ansehen.
Statt darauf zu verweisen, was andere falsch machen, sollten sich Kryptoanhänger also auf Verbesserungen der Energieeffizienz von Cyberdevisen fokussieren. Das Ethereum-Netzwerk scheint dafür größere Möglichkeiten zu bieten als die rigide Bitcoin-Blockchain. So steht Ethereum vor einem Update, in dessen Folge die Kryptowährung Ether künftig durch das Proof-of-Stake-Verfahren generiert wird. Letztendlich sinkt so im Vergleich zum bei Bitcoin genutzten Proof-of-Work-Verfahren der Stromverbrauch. Eine Zukunft, in der Ether Bitcoin nach Marktkapitalisierung übertrifft, erscheint nicht mehr unvorstellbar, zumal das Ethereum-Netzwerk die Vorreiterrolle bei Smart Contracts, die Transaktionen dezentral und automatisiert ausführen können, innehat. Doch auch für den Erfolg von Ether ist entscheidend, dass eine breite Masse an Anlegern die Nuancen zwischen verschiedenen Kryptowährungen versteht. Damit bei Investoren der Wille entsteht, sich darüber zu bilden, darf die Regulierung aber kein Misstrauen schaffen – sondern muss eine höhere Rechtssicherheit vermitteln.