Im Interview:Siegfried Ruhl

„EU-Anleihen sind ein liquides und sicheres Asset“

EU-Anleihen sind liquide und sichere Assets mit AAA-Rating, vergleichbar mit Staatsanleihen. Ihre Aufnahme in Indizes würde den europäischen Kapitalmarkt stärken.

„EU-Anleihen sind ein liquides und sicheres Asset“

Im Interview: Siegfried Ruhl

„EU-Anleihen sind ein liquides und sicheres Asset“

Funding-Chef der EU plant mit 90 Mrd. Euro an Bond-Emissionen im ersten Halbjahr – Anleihen werden als Staatsbonds angesehen

Mit 90 Mrd. Euro an Bond-Emissionen plant die Europäische Union (EU) im ersten Halbjahr. Das stellt der Funding-Verantwortliche der EU, Siegfried Ruhl, in Aussicht. Die Anleihen werden von Anlegern zunehmend als Staatspapiere qualifiziert. Sie gelten als liquides und sicheres Asset an den Märkten.

Das Interview führte Kai Johannsen. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de

Herr Ruhl, Ihr erklärtes Ziel ist es, dass die Anleihen, die direkt von der EU begeben werden, als Staatsanleihen an den Märkten eingestuft werden und nicht mehr im SSA-Bereich, also als supranationale Adresse. Wo stehen Sie derzeit?

Wenn wir davon sprechen, dass die Märkte EU-Anleihen wie Staatsanleihen betrachten sollen, geht es uns nicht um irgendein Etikett. Es geht uns darum, wie der Markt unsere Bonds in der Praxis handelt und behandelt. Die Europäische Union als Emittent hat in den vorigen vier Jahren eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht. Heute sind wir hinsichtlich Handelsvolumina und Liquidität vergleichbar mit Staatsanleihen. Dasselbe gilt für unsere Finanzierungstechniken und die zugehörige Infrastruktur. Gleichzeitig besitzen die von der EU begebenen Anleihen ein AAA-Rating, basierend auf einer starken Absicherung durch den EU Haushalt. Damit stellen sie ein liquides und sicheres Asset dar. Damit es diese Funktion in der Praxis erfüllen kann, müssen allerdings historisch bedingte Klassifizierungen überwunden werden. EU-Bonds müssen allen Anlegern in gleicher Weise zugänglich sein wie Staatsanleihen, die klassischen liquiden und sicheren Assets. Dies ist zum Vorteil aller Marktteilnehmer und der europäischen Kapitalmärkte.  

Indexanbieter haben bisher gezögert, die EU-Anleihen als Staatsanleihen zu qualifizieren und in die entsprechenden Staatsanleiheindizes aufzunehmen. Wie ist der Stand der Diskussion mit ICE oder MSCI?

Zunächst einmal ist es positiv zu bewerten, dass diese Diskussion derart Fahrt aufgenommen hat, obwohl wir erst seit relativ kurzer Zeit im heutigen Maßstab am Markt sind. Die Indexanbieter wünschen sich aber quasi vollständigen Konsens, und so weit sind wir noch nicht. Die Aufnahme von EU-Anleihen in die entsprechenden Indizes unterstützen weite Teile des Marktes, insbesondere in Europa. Bei manchen Investoren, vor allem außerhalb von Europa, ist unsere Transformation der vorigen Jahre nicht so präsent. Hier leisten wir weiter Aufklärungsarbeit und machen deutlich, dass die EU über viele Jahre einer der größten Emittenten im europäischen Kapitalmarkt bleiben wird. In der Vergangenheit brauchte es auch für viele Staaten häufig mehrere Anläufe für eine Aufnahme in diese Indizes. Wir sehen das als Prozess, in dem wir gute Fortschritte machen, nicht zuletzt durch die Unterstützung unserer Investoren.

Nun kommt es ja nicht nur auf die Meinung der EU oder der Indexanbieter an. Was sagen denn die Investoren? Wie sehen institutionelle Anleger die EU als Bondemittenten? Können sich die Anleger vorstellen, die EU gleich einem Sovereign bei sich inhouse zu behandeln?

Das ist absolut der Fall, Tendenz steigend. Unsere Investoren verstehen sehr gut, dass wir dem klassischen SSA-Segment entwachsen sind und behandeln unsere Anleihen in zunehmender Weise dementsprechend. Wir hören das in den Gesprächen mit den Investoren und den Händlern unserer Banken, und sehen diese Entwicklung in den Zahlen unseres Sekundärmarkts. Unsere Primary Dealer haben uns für 2024 einen Gesamtumsatz in EU-Anleihen von fast 1,4 Bill. Euro gemeldet, 2023 waren es etwas mehr als 800 Mrd. Euro. Die Händler der Banken sagen uns, dass inzwischen die Mehrzahl der Geschäfte in EU-Anleihen gegen andere Staatsanleihen gehandelt wird und nicht mehr gegen Swaps, wie es üblicherweise im SSA-Markt der Fall ist. Für viele Anleger haben sich EU Anleihen zu einem integralen Bestandteil ihrer Anlagestrategie entwickelt. Dennoch sind Marktkonventionen und -klassifikationen für einige Anleger sehr wichtig und bestimmen deren Handlungsspielraum. Um auch diese Anleger zu erreichen, werben wir dafür, dass man unsere Anleihen in der Marktpraxis Staatsanleihen gleichstellt.

Der Bund-Swap-Spread ist bekanntermaßen Ende November gedreht, erstmals seit mehr als 20 Jahren ist er negativ geworden. Was kommt darin für Sie zum Ausdruck?

Aus meiner Sicht sind zwei Faktoren entscheidend: Zum einen die Entscheidung der EZB das verbleibende Anleihekaufprogramm Ende 2024 auslaufen zu lassen. Damit hat sich das Verhältnis zwischen vorhandener Liquidität und vorhandenen Assets verschoben, was sich in der Bewegung der Swap-Spreads widerspiegelt. Gleichzeitig gab es eine große Nachfrage nach Receiver Swaps, wodurch die Swap-Sätze relativ gesunken sind, was die Bewegung der Swap-Spreads verstärkt hat. Bezogen auf die EU-Anleihen ist dabei festzustellen, dass die Entwicklung im Swap-Markt einen wesentlich geringeren Einfluss hatte, als wir es zum Beispiel noch im Jahr 2022 beobachtet haben. Auch dies belegt, dass sich die Art und Weise wie EU-Anleihen im Markt gehandelt werden den Staatsanleihen annähert.

Das Drehen des Spread ist ja nicht nur für den Bund der Fall, sondern auch in anderen Ländern. Ist das ein Warnsignal?

Das ist zunächst eine Marktverschiebung aufgrund von Änderungen in der Liquidität und nicht wegen Bedenken gegenüber dem Bund oder anderen Emittenten. Und weil es eine fundamentale Verschiebung ist, beobachtet man sie bei allen europäischen Staatsanleihen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Müssen sich Anleger Sorgen um die Platzierbarkeit von Anleihen, insbesondere Staatsanleihen der Eurozone-Staaten, in diesem Jahr machen?

Das denke ich nicht. Im Gegenteil, wir sehen im Moment die Stärke des europäischen Kapitalmarktes, denn das Jahr ist trotz erwartetem Rekordangebot an Neuemissionen sehr gut gestartet. Der Januar war ein außergewöhnlich starker Monat, der eine oder andere Emittent hat sogar Rekorde bei den Orderbüchern gemeldet und das bei sehr geringen Neuemissionsprämien. Dabei spielen die attraktiven Swap-Spreads natürlich eine Rolle, aber sie zeigen auch, dass der Markt sehr gut funktioniert, sich auf das erwartete Angebot eingestellt hat und in der Lage ist es aufzunehmen. Das haben wir auch bei unseren Transaktionen sehr deutlich gemerkt.

Tragen denn Anleger derartige Sorgen an Sie heran? Wie stufen Sie die Platzierbarkeit derzeit ein, auch Ihre eigene?

Ich kann es nur wiederholen: Anleihen sind im aktuellen Marktumfeld hervorragend platzierbar. Natürlich befassen sich Anleger sehr stark mit makroökonomischen und politischen Risiken, gerade auf der globalen Ebene. Wir sehen aber nicht, dass dies die Nachfrage nach Anleihen dämpft. Und zu unseren Bonds kann ich nur unterstreichen, dass die ersten Emissionen des Jahres sehr erfolgreich verlaufen sind.

Wie handelt die EU im Vergleich zum Bund?

Die Spreads zwischen EU-Anleihen und deutschen, aber im Übrigen auch zu französischen und anderen europäischen Staatsanleihen haben sich für uns und unsere Anleger sehr positiv entwickelt. Im zehnjährigen Segment sind die Spreads zum Bund in den vorigen drei Monaten um etwa 15 Basispunkte gesunken. Auch hier spiegelt sich der Quantensprung, den unser Sekundärmarkt in den vorigen neun bis zwölf Monaten hingelegt hat, wider. Unsere Anleihen sind in dieser Zeit liquider, widerstandsfähiger und weniger volatil geworden. Somit wir werden wir zunehmend als mögliche Alternative zu europäischen Staatsanleihen gesehen.

Wie hoch ist das Emissionsvolumen bei konventionellen Anleihen der EU und bei grünen Bonds bzw. Social Bonds der EU in diesem Jahr?

Wir haben dem Markt für das erste Halbjahr ein Anleihevolumen von 90 Mrd. Euro angekündigt und das über das gesamte Laufzeitenspektrum. Für die Jahre 2025 und 2026 erwarten wir jeweils insgesamt etwa 160 Mrd. Euro, was wiederum unterstreicht, dass wir schon in einer Liga mit Staatsanleihen spielen. Wir werden auch mit Green Bonds an den Markt kommen, weiterhin mit dem Ziel, bis zu 30% von Next Generation EU damit zu finanzieren. Dieses Ziel wird allerdings voraussichtlich erst nach 2026 erreicht. Zusätzlich werden wir in den Jahren 2025 und 2026 unsere kurzfristige Finanzierung über unser EU-Bill-Programm erhöhen, welches wir 2027 in langfristige Finanzierungen durch EU-Anleihen überführen werden. Damit entlasten wir unsere Zinskurve in den nächsten beiden Jahren und sichern eine starke Marktpräsenz für 2027.

Was planen Sie noch?

Außerdem entwickeln wir auch unsere Prozesse und Instrumente weiter. Seit Januar bieten wir EU-Bills mit zwölfmonatiger Laufzeit an, und wir werden in unseren monatlichen Auktionen bald drei Bonds anbieten. Zugleich arbeiten wir an einer Ausweitung der Auktionsvolumina durch optionale Zuteilungen, die sogenannte Greenshoe-Option. Komplementär dazu plant die Eurex, im Laufe dieses Jahres die Einführung eines Future-Kontraktes auf EU-Anleihen, vergleichbar zu den bestehenden Future-Kontrakten auf deutsche oder französische Staatsanleihen. Dies ist ein weiterer Baustein in der Entwicklung des EU-Anleihemarktes. Die Entwicklung unseres Marktes geht dynamisch voran, es ist viel in Bewegung bei der EU als Emittenten.

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