EU-Kryptoregulierung nimmt Gestalt an
Von Andreas Heitker, Brüssel
Das Postfach von Stefan Berger ist in den vergangenen Wochen übergequollen: Der CDU-Abgeordnete ist im Europaparlament der zuständige Berichterstatter für die „Verordnung über Märkte für Kryptowerte“ (Regulation on Markets in Crypto Assets – MiCA). Für diese hat die EU-Kommission im September 2020 Vorschläge auf den Tisch gelegt. Es geht darum, der EU erstmals einen umfassenden Regulierungsrahmen für Kryptoassets zu geben. Und das Interesse daran ist riesig: Zu Bergers Bericht haben andere Abgeordnete mittlerweile rund 1200 Änderungsanträge eingereicht. MiCA ist damit das wohl mit Abstand umfangreichste Dossier des Wirtschafts- und Währungsausschusses im EU-Parlament (Econ) in dieser Legislaturperiode.
Derzeit sitzt Berger daran, aus allen eingegangenen Änderungsanträgen einen Kompromissvorschlag zu formen, den er voraussichtlich noch im Herbst den anderen Fraktionen vorlegen möchte. Im Anschluss muss das Parlament noch mit den Vertretern der EU-Mitgliedstaaten in den Trilog-Verhandlungen eine gemeinsame Basis finden. Dies dürfte 2021 kaum noch gelingen.
Trotz der vielen Änderungsanträge sieht der Wirtschaftswissenschaftler Berger, der seit 2019 Abgeordneter in Brüssel ist, gute Einigungschancen innerhalb des Parlaments: Die Fraktionen seien sich überwiegend einig darüber, dass Europa im Kryptoasset-Bereich nicht nur wettbewerbsfähig, sondern auch Marktführer werden solle, erklärt der 52-Jährige gegenüber der Börsen-Zeitung. „Wir wollen Rechtssicherheit schaffen und dem Wilden Westen der Kryptoasset-Landschaft ein Ende setzen“, betont er.
Auch der Ministerrat hat seine Beratungen zu MiCA noch nicht abgeschlossen. Die aktuelle slowenische Ratspräsidentschaft war zwar sehr motiviert, das Thema voranzubringen, und hat noch vor der Sommerpause ein mehr als 300 Seiten starkes Kompromisspapier zur Kryptoregulierung vorgelegt. Doch gab es aus einigen wenigen Ländern Vetos – unter anderem aus Deutschland. Wie in Brüssel zu hören ist, will Berlin die Aufsicht über die Kryptoassets bei der Versicherungsaufsicht EIOPA ansiedeln, was nicht jeder nachvollziehen kann.
Die EU-Kommission hat in ihren Gesetzesvorschlägen vor einem Jahr einen sehr breiten Ansatz gewählt, in dem nicht nur die gesamte Bandbreite unterschiedlicher Kryptoassets erfasst wurde, sondern beispielsweise auch die Dienstleister. Dazu zählen Unternehmen, die Kryptoassets von Kunden in Verwahrung halten („Custodian Wallets“), Unternehmen, die Kunden den Kauf ermöglichen, oder auch Handelsplattformen. Diese Dienstleister müssen nach den Vorschlägen der Brüsseler Behörde in der EU physisch präsent sein und von den zuständigen nationalen Behörden eine Zulassung bekommen.
Besonders im Fokus der Kryptoasset-Regulierung stehen Stablecoins von großer internationaler Reichweite, von denen Gefahren für das Finanzsystem ausgehen könnten. Exemplarisch hierfür steht das Facebook-Projekt Diem. Die EU-Kommission will für solche systemischen, „signifikanten Token“ verschärfte Vorgaben einführen. Von einem möglichen Verbot hält die Brüsseler Behörde aber nichts – im Gegensatz zu einigen großen Euro-Staaten. Ihr geht es auch darum, Innovationen zu fördern. Emittenten von Kryptowerten erhalten im Gegenzug durch die Regulierung europaweite Rechtssicherheit. Hierzu soll unter anderem auch das Konzept eines sogenannten Europäischen Passes beitragen: Einmal in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen, können Kryptoasset-Betreiber EU-weit tätig werden.
Für den zuständigen EU-Abgeordneten Berger ist die entscheidende Voraussetzung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Währungshoheit in der Eurozone behält. Bei der Zulassung neuer Kryptoassets, beispielsweise auch Diem, sollte die Rolle der EZB gestärkt werden, wie der CDU-Politiker betont.
EZB-Testat und Haftung
„Ich setze mich dafür ein, dass ein positives Testat der EZB zwingend erforderlich sein wird. Anders als Mark Zuckerberg ist die Europäische Zentralbank der Geldwertstabilität verpflichtet und sollte den Zulassungsantrag ablehnen können, wenn das Geschäftsmodell eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzstabilität darstellt.“
Für Berger ist zudem wichtig, dass die Frage der Haftung im Rahmen der MiCA-Verordnung geklärt wird. „Es muss klar sein, inwiefern Verwahrer von Kryptoassets beispielsweise bei Hackerangriffen in die Verantwortung gezogen werden“, erläutert er. Einerseits müsse der Verbraucherschutz gewährleistet sein, andererseits könne eine verschuldungsunabhängige, in der Höhe nicht beschränkbare Haftung jedoch eine existenzbedrohende Gefahr für Verwahrer darstellen.
Der EU-Abgeordnete verspricht Rechtssicherheit, aber auch eine praxisnahe Lösung, die Anwender nicht mit Bürokratie erdrückt. Zu den Änderungsanträgen, die es jetzt noch zu berücksichtigen gilt, gehören unter anderem Forderungen, dass künftige Assets mit den Zielen des europäischen Green Deal vereinbar sein müssen. Ein Thema ist zudem die Vermeidung von Geldwäsche im Kryptobereich. „In der Vergangenheit war Vermögen in Form von Kryptoassets für die Behörden oftmals ein blinder Fleck“, so Berger.
Die Kryptoinvestoren betrachten eine zunehmende Regulierung indes zwiegespalten. Für Anleger waren digitale Assets bisher häufig deshalb so attraktiv, weil sie außerhalb des traditionellen Regelwerks existierten. Allerdings hoffen Marktteilnehmer zunehmend darauf, dass eine fortschreitende Regulierung das Vertrauen der Mainstream-Anleger und -Nutzer stärkt und eine Massenadaption ermöglicht.
Bisher erschienen:
Kryptoinvestment über Bande (16.9.)
Wettstreit der Kryptowährungen (14.9.)