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Groß schlägt klein

Die Outperformance des Dax gegenüber den Nebenwerteindizes dürfte sich fortsetzen. Allerdings ist auch seine neue Baisse-Bewegung noch nicht zu Ende.

Groß schlägt klein

Von Achim Matzke*)

Der technische Hausse-Zyklus, der in der Finanzkrise 2008/2009 startete, lieferte mit Blick auf die deutschen Auswahlindizes (Dax, MDax, SDax, TecDax) bis Ende 2021 einerseits Bilderbuch-Hausse-Bewegungen und andererseits eine ausgeprägte relative Stärke von TecDax, MDax und SDax. Die Gesamtgewinne für diesen Zeitraum vom TecDax (671,22%), vom MDax (526,99%) und vom SDax (+489,09%) waren ungewöhnlich gegenüber dem Dax (+230,23%). Die Sektor- und Einzelaktiengewichtungen in den Indizes sind Hauptgründe für die Outperformance der „kleineren“ Indizes. Da der alte Dax 30 etwas über 70% und der neue Dax 40 (seit September 2021) etwas über 80% der Free-Float-Marktkapitalisierung am deutschen Aktienmarkt auf sich vereinen, ist der Schwerpunkt der passiven Investments am deutschen Aktienmarkt an diesen Index angebunden. Hier bleibt festzuhalten, dass der überwiegende Anteil dieser passiven Investments an der 13-jährigen Hausse nur unterdurchschnittlich teilgenommen hat.

Das aktuell herausfordernde Börsenumfeld (steigende Leitzinsen, anstehende Liquiditätsverknappung etc.) hat die technische Lage bei den vier deutschen Auswahlindizes verändert. Da bei einigen Geschäftsmodellen die Korrektur von sportlichen Bewertungen in Gang gekommen ist, hat der Dax jetzt – nach seiner jahrelangen relativen Schwäche und auch aufgrund seiner attraktiven Brutto-Dividendenrendite – zurzeit einen defensiven technischen Charakter. Als Konsequenz findet sich für 2022 eine relative Stärke, wobei der Dax bisher „nur“ ein Minus von 8,3% aufweist. Da der MDax (−14%), der SDax (−15,2%) und der TecDax (−17,8%) höhere Verluste aufweisen und die technische Lage auf eine Fortsetzung dieser relativen Schwäche hindeutet, steht das Jahr 2022 unter dem tech­nischen Motto: „Groß schlägt klein“.

Der Dax bewegte sich seit März 2009 (Start bei 3589) in einem technischen Hausse-Zyklus, wobei das bisherige Allzeithoch um 16290 (neuer Resistance) im September 2021 erreicht wurde. Der letzte mittelfristige Hausse-Trend (Start am Corona-Baisse-Low bei 8250; März 2020) lag im Januar 2022 bei 15380. Bereits ab Mai 2021 hatte sich die hohe Aufwärtsdynamik abgeschwächt und der Index lief oberhalb des Supports um 14800 in eine Seitwärtspendelbewegung mit leicht steigenden Hochpunkten („Broadening Tops“) hinein. Im Januar 2022 ist der Dax mit einem Take-Profit-Signal aus diesem Hausse-Trend herausgefallen und hat dabei auch die 200-Tage-Linie geschnitten. Im Anschluss ergab sich mit dem Rutsch unter 14800 ein übergeordnetes Verkaufssignal. Da der Kurseinbruch bis auf 12438 (März 2022; Kursverlust: 23,4%; neuer Support) führte, befindet sich der Dax in einer neuen Baisse-Bewegung. Innerhalb dieser hatte sich ein erster Baisse-Trend (Start am Allzeithoch; Baisse-Trendlinie zuletzt bei 14200) herausgebildet.

Zunächst steht im Dax aufgrund der mittelfristig überverkauften Lage und des allgemein hohen Pessimismus der Marktteilnehmer eine Stabilisierung an. Ausgehend vom Zwischen-Low bei 13381, was be­reits oberhalb des Lows bei 12438 lag, hat die aktuelle Aufwärtsrally den Index mit einem schwachen Trading-Kaufsignal aus dem ersten Baisse-Trend herausgeführt. Auch wenn damit eine leichte Baisse-Abschwächung verbunden ist, ist dies aber noch nicht das Ende der neuen Baisse-Bewegung. Sowohl die eingetrübte Marktbreite bei den 40 Dax-Titeln als auch die Erfahrung, dass Baissen in Kombination mit Leitzinserhöhungen im Regelfall länger als ein Jahr dauern, deuten mindestens eine zeitliche Ausdehnung dieser Baisse an. Die aktuelle „Bärenmarkt-Rally“ mit mehr als 1200 Punkten Zugewinn sollte an Aufwärtsmomentum verlieren. Zusätzlich liegt im Bereich ab 14800 eine massive Widerstandszone vor, die schwer zu überwinden ist.

Seitwärtspendelbewegung

Einerseits sollte der Dax seine mittelfristige, relative Stärke im Indexvergleich auch in den kommenden Wochen beibehalten. Andererseits signalisiert die technische Gesamtlage eine Seitwärtspendelbewegung im Umfeld des aktuellen Kursniveaus. Darüber hinaus wird der Dax mit einem „mentalen“ Sicherungsstopp bei 12400 belegt. Denn rutscht der Index unter diesen Support, würde aus technischer Sicht wieder eine Baisse-Verschärfung anstehen.

Der TecDax befand sich seit März 2008 (Start bei 407 Punkten) in einem technischen Hausse-Zyklus, der ihn in eine relative Stärke im Indexvergleich und bis auf 4010 Punkte (November 2021; neuer Resistance) führte. Ab Sommer 2021 war der Index – oberhalb der Support-Zone von 3570 bis 3600 – in eine technische (Trading-)Doppeltop-Formation hinein­gelaufen. Anfang 2022 folgten mit dem Verlassen des vorherigen Hausse-Trends, dem Crossen der 200-Tage-Linie und dem Rutsch unter 3570, mehrere Verkaufssignale und der Ab­schluss der Top-Formation. In den folgenden Wochen ergab sich eine neue Baisse-Bewegung. Nach dem Kursrutsch auf 2895 (neuer Support; Gesamtverlust von 27,8%) lag eine mittelfristig überverkaufte Lage vor, so dass sich der TecDax aktuell in einer Stabilisierung befindet. Diese hat bisher einen trendbestätigenden Charakter (nach unten), so dass sich die relative Schwäche des TecDax 2022 weiter fortsetzen sollte. Auch der TecDax erhält einen „mentalen“ Sicherungsstopp bei 2870.

*) Achim Matzke ist Chefstratege von Matzke-Research.

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