Hoffnungswert Danske Bank
Detlef Fechtner, Frankfurt
Positiv betrachtet verfügt die Danske Bank in ihrem Heimatmarkt über eine sehr starke Position – immerhin ist sie gemessen an den Vermögenswerten die größte Bank Dänemarks und das zweitgrößte Kreditinstitut im Norden Europas. In Dänemark kommt sie im Kreditgeschäft auf einen Marktanteil von einem Viertel, im Einlagengeschäft sogar noch auf etwas mehr.
Nach dem Rückzug aus dem Baltikum und aus Russland hat die Bank einen recht klaren regionalen Fokus auf Skandinavien – wobei es durch eine Akquisition aus dem Jahr 2004 auch noch ein Engagement in Nordirland gibt. Das Management hat es zuletzt verstanden, die Anteilseigner kommunikativ auf die schwächer als im vergangenen Jahr prognostizierte Ergebnisentwicklung einzustimmen, so dass es bei der Veröffentlichung der Resultate für das zweite Quartal keine großen Überraschungen mehr gab. Und die Bank verfügt über einen Eigenkapitalpuffer, der es ihr ermöglicht, potenzielle Belastungen oder Rückschläge zu absorbieren.
Niedrige Bewertung
Wer dann den aktuellen Kurs der Aktie in der Region um 90 dkr betrachtet, könnte auf die Idee kommen, dass dies ein attraktives Einstiegsniveau darstellen dürfte. Immerhin notierte die Aktie in den vergangenen anderthalb Jahren nördlich der 100-dkr-Marke, zeitweise gar bei mehr als 130 dkr. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinnschätzung für das Gesamtjahr 2022 liegt aktuell bei 7,6.
So weit der Blick auf die Bank, bei dem das Positive im Mittelpunkt steht. Allerdings gibt es auch zahlreiche Gründe dafür, vom dänischen Finanzkonzern und dessen Aktie weit weniger begeistert zu sein. So kann Danske nach Meinung mehrerer Analysten im direkten Vergleich mit ihren nordeuropäischen Wettbewerbern nicht mithalten. Im Vergleich zur nordischen Konkurrenz seien die jüngsten Quartalsergebnisse der Danske Bank „unattraktiv“ gewesen, befinden etwa die Researcher der Deutschen Bank. Zudem lagen zuletzt die Erlöse im Versicherungsgeschäft und die Provisionseinnahmen unter den Erwartungen.
Die US-Großbank J.P. Morgan zweifelt außerdem daran, dass es der Bank gelingt, ihr Kostensenkungsziel im nächsten Jahr zu erreichen. Auch gibt es die Sorge, dass das Immobilienkreditportfolio noch einigen Korrekturbedarf auslöst. Und was das Eigenkapital angeht: Die aktuelle Quote für das harte Kernkapital (CET1) liegt mit 16,9% zwar komfortabel über den Anforderungen von 14,4%. Sie war Anfang des vergangenen Jahres aber mit mehr als 18% auch schon üppiger.
Risiko Geldwäscheverstöße
Das zentrale Risiko ist freilich das Thema, für das die Danske Bank seit 2018 berühmt-berüchtigt ist: Das Kapitel Geldwäscheverstöße ist immer noch nicht abgeschlossen. Und solange unklar ist, mit welcher Strafe der dänische Finanzkonzern in den Vereinigten Staaten belegt wird, ist das Engagement in der Aktie mit besonderen Risiken behaftet. Zur Erinnerung: Im Jahr 2018 hatte die dänische Staatsanwaltschaft gegen die Danske Bank Anklage wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Geldwäsche-Vorschriften in der Niederlassung in Estland erhoben. Die estnische Filiale fungierte als Drehscheibe für Geld aus dubiosen Quellen, unter anderem aus Zentralasien und Russland. Zwischen 2007 und 2015 sind dabei mehr als 200 Mrd. Euro verdächtige Gelder durch die Filiale in Estland geleitet worden.
Die Analysten des Informationsdienstleisters Bloomberg Intelligence schätzen, dass auf die Danske Bank in den USA eine Strafe in der Größenordnung von 1 Mrd. Dollar bis 2 Mrd. Dollar zukommen dürfte – und das diese Buße noch im laufenden Jahr verhängt wird. Da die Bank über einen ausreichenden Eigenkapitalpuffer von geschätzt 3 Mrd. Dollar verfüge, wird ihr zugetraut, eine solche Strafe zu verdauen – zumal das Management in diesem Jahr mit 10 Mrd. bis 12 Mrd. dkr Nettogewinn rechnet, also umgerechnet 1,3 Mrd. bis 1,6 Mrd. Dollar.
Kampf mit Altlasten
Es gibt aber über die Geldwäscheproblematik hinaus weitere Altlasten. So ist die Bank noch immer damit beschäftigt, eine Einigung mit Kunden zu finden, nachdem 2019 Fehler in den Inkassosystemen der Bank entdeckt worden sind. Vor wenigen Wochen ist die Danske Bank in die Offensive gegangen, damit sie sich nicht noch weitere zwei Jahre mit dem Thema beschäftigen muss, und hat den Kunden einen Entschädigungsvorschlag gemacht.
Kurzum: Wegen der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens in den USA und angesichts einiger Unsicherheiten über die fundamentale Performance der Bank ist die Aktie nicht unbedingt eine Empfehlung für risikoscheue Anleger. Anders ausgedrückt: Das Dankse-Papier ist keine sichere Bank, sondern vielmehr ein Hoffnungswert – aber das auch im echten Sinne.
Zinserhöhungen positiv
Denn jenseits aller Risiken gibt es auch Chancen. So könnten die weltweiten Zinserhöhungen der Notenbanken und damit die sehr rasche Veränderung der Zinslandschaft auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Danske positiv durchschlagen. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Bank, Martin Blessing, hat jüngst im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten auf die positiven Auswirkungen von Zinserhöhungen für den Zinsüberschuss der Danske Bank hingewiesen, weil sich infolge der restriktiveren Geldpolitik der Spielraum für die Zinsmarge ausweite.
Auch das Analyseteam von J.P. Morgan erkennt eine ganze Reihe an Faktoren, die Aufwärtspotenzial freisetzen könnten – darunter ein Anstieg der Kreditnachfrage in Dänemark oder die Chance, dass die Finalisierung der Kapitalanforderungen von Basel III die Danske Bank weniger stark treffe als bisher erwartet.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Titel durchaus bei einigen Analysten auf der Empfehlungsliste steht. Fast die Hälfte der von Bloomberg befragten Investmenthäuser empfiehlt Danske Bank zum Kauf. Gut ein Drittel rät dazu, die Aktie zu halten. Und nur etwa jeder sechste Analyst spricht sich dafür aus, den Titel aus dem Portfolio zu werfen.