Währungen

Inflations­divergenz deutet auf Euro-Anstieg hin

Die voraussichtlich im Euroraum weiter anziehende Inflation und sich abzeichnenden Zinserhöhungen der EZB deuten auf einen Anstieg des Euro gegen den Dollar hin.

Inflations­divergenz deutet auf Euro-Anstieg hin

In den USA dürfte die Inflation im aktuellen Konjunkturzyklus unseres Erachtens nunmehr sukzessive sinken, wenngleich in Trippelschritten. Das von der Fed favorisierte Inflationsbarometer, die Personal Consumer Expenditures (PCE), legte nach dem 40-Jahres-Hoch im März 2022 (6,6% im Jahresvergleich) im April mit 6,3% weniger stark zu. Die PCE-Kernrate (ohne die volatilen Komponenten Lebensmittel & Energie) sank derweil von 5,2% auf 4,9%. Damit sich der Trend langsam sinkender Preise fortsetzt, muss die Güternachfrage weiter abnehmen. Eine Indikation hierfür ist, dass sich der Häusermarkt bereits moderat abkühlt. Bei der Inflation im Dienstleistungsbereich kommt es derweil insbesondere auf die Arbeitskosten an. Da der Arbeitsmarkt weiter überaus robust ist und damit die Löhne weiter anziehen, klettert die Dienstleistungsinflation. Da die Lohnzuwächse wiederum unterhalb der Inflationsrate liegen, bleibt ein grundsätzlicher Gegenwind für das Konsumentenvertrauen intakt. So ist das Verbrauchervertrauen (University of Michigan) im April um 10% auf den niedrigsten Stand seit August 2011 gesunken.

Die PCE-Daten sind in der Summe nichtsdestotrotz ein deutliches Indiz dafür, dass der Konsumentenausgaben-Boom in den Vereinigten Staaten am aktuellen Rand weitergeht. Inflationsbereinigt klettern die persönlichen Konsumausgaben weiter recht deutlich. Selbst, wenn dieser Ausgabenposten der privaten Haushalte in den USA im Mai und Juni nicht wachsen würde, wäre für das zweite Quartal 2022 eine satte annualisierte Rate von über 4% zu verzeichnen. Nach wie vor „entsparen“ die Konsumenten ihre Pandemie-Reserven. So ist die persönliche Sparquote in den vergangenen acht Monaten von 8,1 auf 4,4% und damit auf den niedrigsten Stand seit der großen Finanzkrise gefallen. Die vorliegenden Daten, die auf die bereits robusten Einzelhandelsumsätze von vor zwei Wochen folgten, zeichnen insofern und entgegen einigen US-Einzelhandelsriesen durchaus ein konstruktives Bild der Konsumentennachfrage.

Wenngleich die Angebotsschocks durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg selbstredend auch die US-Notenbank vor immense Herausforderung gestellt hat bzw. stellt, war die Reaktion der Fed vor allem im Vergleich zur EZB resolut und vor allem schnell. Nachdem die These einer transitorisch hohen Inflation als wackelig erkannt und sodann zeitnah verworfen wurde, hat es die Fed durch ein Konzert an verbaler Intervention vermocht, die Renditestrukturkurve in den USA bereits vor ihrem Lift-Off im Frühjahr maßgeblich zu beeinflussen. Damit hat das FOMC es geschafft, die gewünschte Bremsung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage frühzeitig einzuleiten.

Noch zweimal 50 Basispunkte

Da 2022 nicht mit einer ausufernden Lohn-Preis-Spirale zu rechnen ist – dies begrenzt die Inflation im Dienstleistungsbereich, was insgesamt eine moderatere Inflationsentwicklung begünstigt – und das „Entsparen“ in wenigen Quartalen an Grenzen stößt, dürfte die Fed „nur“ noch zwei weitere Zinserhöhungen à 50 Basispunkte (Juni und Juli) umsetzen und sodann in den 25er-Gang schalten (bis November 2022). Da der neutrale Zins bei 2,5 bis 3,0% liegt, wären die Fed-Bremsen bis Jahresende 2022 mit 2,50% (Fed Funds Rate Upper Bound) sodann nur moderat angezogen.

Im Gegensatz zu ihrem amerikanischen Pendant hat die EZB die Inflationsdynamik zu lange falsch eingeschätzt. Und sogar, als die Mittelfristprojektion für die Teuerungsrate im April auf über 2% angehoben wurde, blieben die EWU-Währungshüter untätig. Die aus der Corona-Isolation heraus geführte Pressekonferenz verkümmerte zu einem nahezu beispiellosen Non-Event. Wenngleich die Engpässe bei der Energieversorgung durch den Ukraine-Krieg die Konjunkturentwicklung in der Eurozone stärker belasten, ist die Teuerung derzeit das größere Problem! So dürfte die Inflation im gemeinsamen Währungsraum bis zum Sommer noch einmal weiter zunehmen – bis zu 8,5% in der Headline-Rate, nicht zuletzt wegen der stark steigenden Lebensmittelpreise, dürften aller Voraussicht nach erreicht werden. Das Inflationsplateau im Euroraum bildet sich sodann erst im Herbst nachhaltig zurück, wenn Basiseffekte bei den Energiepreisen für einen stärkeren Rückgang sorgen. Weit unter die Marke von 5% dürfte die EWU-Inflation nichtsdestotrotz zum Jahresende nicht fallen! Wenngleich die Inflationsdynamik mittelfristig (ab 2023) wieder mehrheitlich strukturell getrieben sein dürfte, sind in der kurzen Frist einige starke zyklische Treiber am Werk.

Augenscheinlich ist dies auch der EZB seit ihrer geldpolitischen Sitzung im April aufgefallen. Nur so lässt sich das seitdem für EZB-Verhältnisse falkenhafte Feuerwerk an Kommentaren aus dem EZB-Rat erklären. Aufgrund der Makro-Lage und der jetzt vorliegenden EZB-Meinungsrichtung ist von bis zu drei Zinsschritten beim Einlagensatz von je 25 Basispunkten ab Juli 2022 auszugehen. Sollten die Konjunkturrisiken sich nicht weiter verstärken (keine Eskalationen beim Ukraine-Krieg und der Covid-Lage in China), könnte die EZB den Einlagesatz im Dezember auf 0,25% angehoben haben.

Nach den herben Enttäuschungen, welche der Währungsmarkt in Sachen vergangene EZB-Sitzungen wegstecken musste, wurde der jüngste Richtungsschwenk der EZB bislang als glaubwürdig eingestuft, so dass ich der Euro im Verhältnis zum US-Dollar seit Mitte Mai zügig berappelte und in wenigen großen Schritten das Niveau um 1,04 hinter sich ließ und bis kurz vor 1,08 vorrückte.

1,15 Dollar zum Jahresende

Sollte die EZB dieses Mal tatsächlich und erwartungsgemäß liefern – was explizit die Aussicht auf zwei weitere Zinsschritte 2022 umfasst –, liegen die nächsten Anlaufmarken im Nachgang des Zinsentscheids bei 1,10 und 1,12 Dollar. Zum Jahresende rechnen wir mit einem Erreichen der Marke von 1,15 Dollar. Dies setzt allerdings voraus, dass die Fed in Sachen Zinsschritte wie beschrieben ab Herbst in den 25er-Gang schaltet.

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